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31.12.11 / Kleiner Grenzverkehr beschlossen / Die polnische-russische Regelung stößt in Polen auf ein geteiltes Echo

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Kleiner Grenzverkehr beschlossen
Die polnische-russische Regelung stößt in Polen auf ein geteiltes Echo

Nach langwierigen Verhandlungen ist es soweit: Polen und Russland haben einen Vertrag über den sogenannten kleinen Grenzverkehr zwischen beiden Ländern abgeschlossen. Der Vertrag erlaubt es den Einwohnern des Königsberger Gebietes, visafrei über die gemeinsame Grenze zu reisen.

Hatte die Europäische Union zunächst darauf bestanden, die übliche Grenzzonenregelung zur Anwendung zu bringen und nur einen Streifen von 30 bis maximal 50 Kilometer beiderseits der Grenze einzubeziehen, ließ der Rat der EU nach einigem Hin und Her im Vorgriff auf eine entsprechende Vertragsunterzeichnung mit Russland vernehmen, dass man nun auch mit einer umfassenderen Lösung einverstanden sei. Unmittelbar danach und noch vor der Vertragsunterzeichnung Russlands mit der EU schlossen daraufhin die Außenminister Polens und Russlands, Radosław Sikorski und Sergej Lawrow, einen Vertrag ab, der die Einzelheiten regelt: Einbezogen werden auf russischer Seite das gesamte Königsberger Gebiet und auf polnischer Seite neben den westpreußischen Bezirken Danzig, Zoppot, Gdingen, Elbing und Marienburg die ostpreußischen Gebiete von Bartenstein, Heilsberg, Allenstein, Sensburg und Lötzen.

Damit wurde nicht nur eine praktikablere Lösung für die Königsberger geschaffen. Vielmehr hat sich auch Polen mit der Absicht durchgesetzt, auch seine grenzfernen städtischen Schwerpunkte in Altpreußen mit dem Königsberger Gebiet zu verbinden.

Russische Staatsbürger können, soweit ihnen bisher kein Einreiseverbot in den Schengenraum erteilt worden ist, nun eine Bescheinigung erwerben, die sie an der Grenze zusammen mit ihrem Reisepass vorzeigen müssen. Dieses Dokument kostet 20 Euro, wobei seine Gültigkeitsdauer zunächst zwei, später dann fünf Jahre betragen soll. Bewohner der Grenzregionen dürfen sich mit dieser Regelung bis zu 30 Tage ununterbrochen und bis zu 90 Tage pro Halbjahr im Gebiet des Nachbarstaates aufhalten, dort aber keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen. Wie Außenminister Lawrow mitteilte, sieht er in der Vereinbarung einen ersten Schritt hin zu einem visafreien Reiseverkehr zwischen Russland und der EU.

Im südlichen Ostpreußen erhoffen sich der Kommunalpolitiker Mirosław Pampuch und das Mitglied des EU-Parlaments Krzystof Lisek von der Regelung eine Vertiefung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen des politischen und wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Lebens. Nicht in den Genuss der neuen Regelung kommen Kreise wie Osterode, Ortelsburg und Deutsch Eylau. Die dortigen Kommunalbehörden kritisieren dies als Geringschätzung und Miss­achtung dessen, was ihre Kreise zur Entwicklung der polnisch-russischen Zusammenarbeit beitragen könnten.

Doch nicht nur von dieser Seite gibt es Kritik. So erklärte die ehemalige Außenministerin Anna Fotyga von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf einer Pressekonferenz in Allenstein, an der auch die beiden ebenfalls der PiS angehörenden Abgeordneten Iwona Arendt und Jerzy Szmidt teilnahmen, sie sei eine entschiedene Gegnerin der beschlossenen Lockerung des Grenzregimes. Nach einer Öffnung der Grenze seien, so Fotyga, eine Zunahme der Kriminalität und andere unerwünschte Erscheinungen, wie beispielsweise ein rapides Aufkommen sozialer Probleme und eine weitere Verschlechterung des Lebensstandards der polnischen Bürger, zu erwarten.

Der PiS-Stadtrat Grzegorz Smolinski teilt die Kritik seiner Parteifreundin nicht. Vielmehr vertritt er die Meinung, die zu erwartenden Erleichterungen würden nur Vorteile zeitigen, und zeiht die Ex-Außenministerin der Ausländerfeindlichkeit. Nur eine Annäherung zwischen ihren Völkern könne zu der gewünschten Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden benachbarten Staaten führen. Um das zu ermöglichen, soll demnächst ein Beauftragter zur Förderung der polnisch-russischen Beziehungen beim Stadtpräsidenten von Allenstein berufen werden. Smolinski schlägt dafür Artjom Bologow, den Chef der russischen Minderheit in der Region, vor. All diese Maßnahmen sollen dem stereotypen Bild des Russen als Schmuggler und Mafioso entgegenwirken. Diesbezügliche Befürchtungen hinsichtlich der russischen Nachbarn seien unberechtigt und würden ihn an vergleichbare deutsche Ängste im deutsch-polnischen Grenzgebiet vor dem Beitritt Polens zur Schengen-Gruppe erinnern.  Thomas W. Wyrwoll Grzegorz Supady


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