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31.12.11 / Silvester daheim / Erinnerungen an die Bräuche auf dem Hof der Eltern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Silvester daheim
Erinnerungen an die Bräuche auf dem Hof der Eltern

Meistens begann der Silvesterabend mit einer Pferdeschlittenfahrt zur Kirche zum Abendgottesdienst. Aufpassen musste man auf die Karbidlampen, damit der Wind sie nicht ausblies. Viele Familien hatten gemietete Kirchenplätze. Auf der Bank war ein Namensschild angebracht, was der Kirche regelmäßig Geld einbrachte. Man erwartete aber auch, dass diese Plätze am Feiertag nicht leer blieben. Oft wurden Mitarbeiter gebeten, sich dort hinzusetzen.

Heimgekommen, gab es einen warmen Trunk aus Rotwein oder Rum. Im Krieg war es ein aus gebrannten Erbsen nach Bohnenkaffee schmeckendes Aufwärmgetränk zu den beliebten Pfannkuchen.

Ab 23 Uhr „griffen“ die jungen Leute „Glück“. Aus einer Wruke wurden Glückssymbole geschnitzt, manche auch doppelt. Es waren Ringe, Glücksklee, Glücksschweinchen, Schorn-steinfeger, manchmal auch nur die Leiter, die Wiege, ein Pärchen, ein Taler oder ein Sarg. Es mussten zwölf verschiedene Teile sein, die dann unter gleichen Tassen versteckt wurden. Bevor dann der Nächste „glückgreifen“ durfte, musste er sich umdrehen, und die Tassen wurden durcheinander geschoben. Kurz vor 24 Uhr zogen alle im Haus dicke Socken, festes Schuhwerk und warme Jacken an, um das neue Jahr im Freien bei Glockenläuten zu begrüßen. Die Bauernfamilie und ihre ledigen Mitarbeiter lauschten auf den ersten Glockenton von der Kirche, dann fielen auch auf unserem Hof die Glocken mit ein.

In der meist sternklaren, kalten Winternacht wurde dieses Läuten zu einem Choral besonderer Art – weit hörbar. Für uns war es einfach selbstverständlich mitzuläuten. Nicht zu läuten wurde nur entschuldigt im Unglücks- oder Todesfall auf dem Hof. Wer gerne Knallfrösche abzog, wartete stets, bis dieses Glockenklingen verstummt war. Auf dem Hof ging man nun auch allen Tieren ein gutes neues Jahr wünschen. Die Pferde wendeten die Köpfe. Auf dem Futtergang im Kuhstall versuchte manche Kuh die Hand des Bauern oder der Bäuerin zu lecken, um so ein Danke für die gute Betreuung bei einer Erkrankung zu sagen. Die Kühe legten sich gleich wieder hin. Die Schweine grunzten nur kurz. Bei den Hühnern durfte man aber nicht lange verweilen. Sie dachten wohl, es wäre fünf Uhr früh, dann ging das Licht automatisch an, und die Hühner begannen, nach Futter zu scharren.

Nach dieser Visite bei den Tieren legten sich alle zum ersten Schlaf ins neue Jahr nieder.

1943 läuteten die Hofglocken zum letzten Mal. Sie waren meistens aus Kupfer oder Messing und wurden leider zum Einschmelzen für die Rüstung abgeholt. Dora Boeck


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