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31.12.11 / Knochenjob / Leben eines Reetdachdeckers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Knochenjob
Leben eines Reetdachdeckers

„Was der Vater schwieg, das kommt im Sohne zum Reden; und oft fand ich den Sohn als des Vaters entblößtes Geheimnis“, schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche. Dem Leben seines bescheidenen Vaters und dem großen Familiengeheimnis, das ihn zerbrechen ließ, setzt Rinus Spruit mit „Der Strom, der uns trägt“ ein kleines Denkmal. Der niederländische Autor taucht ein in die Vergangenheit seines Vaters Jan, Jahrgang 1911, den es schon als Kind auf die Bauerndächer seiner Heimat zieht. In bewährter Familientradition erlernt er das Handwerk des Reetdachdeckers.

In getrocknetem Zustand wird Reet zur Dacheindeckung verwendet und es entfaltet besonders bei Fachwerkhäusern eine romantische Wirkung. Viel Romantik versprüht der harte Knochenjob des Reetdachdeckers im Buch allerdings nicht. Bei Wind und Wetter ist Jan Spruit mit dem Fahrrad unterwegs, übernachtet in kalten Scheunen und setzt sich selbst im hohen Alter nicht zur Ruhe. Sein Berufsethos verbietet ihm, jemandem den Wunsch nach einer Reparatur abzuschlagen. Der Alltag ist ein ständiger Überlebenskampf und die Bauern behandeln die Handwerker oft schlecht.

„Ein Lachen hätte sein Gesicht zerrissen“, bemerkt der Autor über seinen Vater, den er vor seinem Tod mit einem an einer Schreibtischlampe befestigten Mikrofon interviewt. Dabei mischen sich seine eigenen Erinnerungen mit denen des Vaters, in dessen Augen der Sohn „nicht erwachsen und glücklich werden wollte“. Berührend sind die Szenen über die Mutter, die häufig krank war und in diesen Phasen erst nachmittags aufstand.

Zurückhaltend, mit einer Prise Humor und ohne falsche Nostalgie zeichnet der Autor eine Familienchronik, die den Leser in eine längst vergessene Zeit zurückversetzt. Die Erinnerungsfragmente und kurzen Episoden regen zum Nachdenken an über die Bedeutung des familiären Zusammenhalts und das Glück einer einfachen, bescheidenen Lebensführung.. Sophia E. Gerber

Rinus Spruit: „Der Strom, der uns trägt“, dtv, München 2011, broschiert, 138 Seiten, 13,90 Euro


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