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31.12.11 / Gefragte Arbeitskräfte / SBZ/DDR setzte Heimatvertriebene im Uranbergbau ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Gefragte Arbeitskräfte
SBZ/DDR setzte Heimatvertriebene im Uranbergbau ein

Dokumentationen über die Schick-sale der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten von 1944 bis 1949 sind bisher recht zahlreich veröffentlicht worden. Sofern diese Aufzeichnungen bestimmte Regionen betreffen, offenbart sich ein beträchtlicher Unterschied zwischen West- und Mitteldeutschland: Da Flucht und Vertreibung in der DDR weitgehend tabuisiert waren und eine Aufarbeitung dieses Kapitels deutscher Geschichte nicht in Frage kam, besteht ein Informationsdefizit in den östlichen Bundesländern. Dem wird allerdings mancherorts entgegengewirkt. Sehr viel Zeit bleibt aber nicht mehr, um Berichte der Betroffenen aus erster Hand zu erhalten. Das zeigt auch die Ausarbeitung „Flucht, Vertreibung, Heimatlosigkeit. Flüchtlinge und ihr Neuanfang im Vogtland 1945 bis 1949“ von Mario Morgner. Dank der Förderung des Sächsischen Innenministeriums konnte der Autor, ein geborener Vogtländer ohne familiären Bezug zur Thematik, die vorliegende Studie durchführen, für die der Bund der Vertriebenen Kreisverband Vogtland als Herausgeber fungiert. Das Herzstück bilden Erzählungen von sechs Zeitzeugen, die der Autor selbst aufgrund der von ihm geführten Interviews in Ich-Form verfasst hat. Beigefügt sind jeweils aktuelle Fotos der Interviewpartner. Wie nicht anders zu erwarten, verfügen nicht mehr alle von ihnen über detaillierte Erinnerungen an ihre Erlebnisse in den letzten Kriegsmonaten und danach. Dennoch sind sämtliche Beiträge eindrucksvoll.

Das Buch richtet sich an die Opfer, die Nachkriegsgenerationen und besonders an die Lehrenden, wie der Autor bekundet. Es ist als Mahnung gedacht und dient zugleich dem Verständnis sowie dem Erhalt der Erinnerung. Mit dem vorangestellten allgemeinen Teil („Hauptvertreibungsgebiete“, „Flucht und Vertreibung“) und einem Kapitel über die Vertriebenen in der ehemaligen DDR enthält es quasi ein stark komprimiertes Geschichtsbuch. Anschließend wird die Aufnahme von „Umsiedlern“ – so die beschönigende Bezeichnung in der Sowjetischen Besatzungszone für die Vertriebenen – im Vogtland bis März 1946 behandelt, einschließlich einer „Presseschau“. Rund 12300 Vertriebene wurden bis zu diesem Zeitpunkt im Vogtland aufgenommen, Hunderttausende durchgeschleust. Die Steuerung von Arbeitskräften wurde rigoros durchgeführt. Teilweise noch in den Quarantänelagern fanden ärztliche Untersuchungen von Männern statt. Ziel war es, ein bestimmtes Kontingent für „bergbautauglich“ zu erklären, denn: „Neben der Landwirtschaft gewann die Uranförderung der Wismut einen immer größeren wirtschaftlichen und politischen Raum in Teilen Sachsens und des Vogtlands. Aufgrund des unaufhörlich steigenden Arbeitskräftebedarfs durch den forcierten, für die Sowjet-union wichtigen Uranerzbergbau wurden die Vertriebenen zu einer attraktiven Zielgruppe der Arbeitskräfteanwerbung.“ Die Verlockung durch eine höhere Entlohnung und etliche Vergünstigungen war groß, worüber Gabriel Neuenbauer berichtet, der 1930 in Nagyrejke im Süden Ungarns geboren wurde: „Über Schädigungen des Uranbergbaus machten wir uns keine Sorgen, es wusste ja keiner. Durch die Wismut erhielten wir auch eine neue Wohnung … Durch die Wismut ging es uns gut. Im Nachhinein muss ich sagen, es war eine Zweiklassengesellschaft gegenüber den ‚normalen‘ Bürgern.“ Dies ist einer von mehreren Aspekten, die noch vertieft werden müss-ten. Mario Morgner hofft, dass später eine umfangreichere Veröffentlichung entstehen kann, und beschäftigt sich weiterhin mit der Thematik. Gern nimmt er Hinweise auf, die an den Bund der Vertriebenen Kreisverband Vogtland e.V. in 08209 Auerbach, Stauffenbergstraße 1, gerichtet werden können. D. Jestrzemski

Mario Morgner: „Flucht, Vertreibung, Heimatlosigkeit. Flüchtlinge und ihr Neuanfang im Vogtland 1945 bis 1949“, BoD, Nor-derstedt 2011, broschiert, 194 Seiten, 12,90 Euro


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