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14.01.12 / Berlin schert bei EU aus / EU-Grundsatzpapier sieht den Bau von 40 neuen Atommeilern bis 2030 vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-12 vom 14. Januar 2012

Berlin schert bei EU aus
EU-Grundsatzpapier sieht den Bau von 40 neuen Atommeilern bis 2030 vor

Die Kernschmelze im US-Werk Three-Mile-Island in Pennsylvania von 1979 und weitere Störfälle 1993 und 2009, Tschernobyl im Jahr 1986 sowie Fukushima 2011 wirken weltweit sehr unterschiedlich nach. Während Deutschland überstürzt aus der Kernkraft aussteigt, bauen andere Länder, ohne solche Schlussfolgerungen zu ziehen, fleißig weiter.

Die Tatsachen sprechen für sich: Rund 62 neue Kernkraftwerke in 15 Ländern sind weltweit im Bau. Im Planungsstadium befanden sich Ende 2010 insgesamt 102 Blöcke in 20 Ländern. Global arbeiten derzeit 212 mit 432 Reaktorblöcken in 30 Ländern. Ihre Laufzeiten reichen zum Teil bis zum Jahr 2050, beispielsweise in Japan, das im Januar 2012 allerdings beschloss, alle Meiler, die länger als 40 Jahre in Betrieb sind, abzuschalten. Das betrifft Fukushima ebenso wie 54 andere Kraftwerke im Land – ein Ausstieg auf Raten?

Für die Europäische Union dagegen kündigte EU-Energiekommissar Günther Oettinger die Notwendigkeit von 40 neuen Atommeilern bis 2030 an. Dies geht aus der im Dezember vorgestellten „Roadmap 2050“ der EU-Kommission hervor. Demnach ist die Nukleartechnik eine der vier Optionen zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen. Sie heißen außerdem Energie-effizienz, mehr erneuerbare Energien und Einsatz fossiler Brennstoffe mit sogenannter CCS-Technologie, womit die unterirdische Speicherung von Kohlendioxyd gemeint ist. Direkt nach der Atomkatastrophe in Japan hatte der Energiekommissar eine Diskussion über den Ausstieg gefordert.

Kritiker, etwa aus den Reihen der Grünen, bemängeln, dass Oettingers Beamte aus Rücksicht auf Frankreich und Polen „buckeln“ und die Preise für Atomkraft kleinrechnen. Die „Naturfreunde Deutschlands“ kanzeln die Pläne gar als „grenzenlose Dummheit“ ab. Doch nach Ansicht des Kommissars wird trotz Angela Merkels Absage an die Kernenergie die atomare Technik als Brückentechnologie in der EU noch Jahrzehnte Bestand haben. Im Energiemix dürfte sie auch für Deutschland noch eine Rolle spielen.

Derzeit brüten 129 Anlagen in Europa Strom aus, zwei sind im Bau, 68 (davon 26 in England) – was die Strahlungsproblematik nicht ad acta legt – wurden stillgelegt. Frankreich führt mit 58 Reaktoren die Liste der Atomkraftfreunde an, die Bundesrepublik probt den Ausstieg. Italien hat der strahlenden Energie schon nach Tschernobyl mit seinen damals vier Meilern Adieu gesagt, beschloss aber unter Berlusconi für 2013 den Bau neuer Werke. In Frankreich scheint trotz wachsender Kritik eine Umkehr zu alternativen Energien unmöglich, denn das Land hängt inzwischen zu drei Vierteln von seinen subventionierten Atommeilern ab. Eine Trockenperiode mit immer knapperem Kühlwasser könnte die „Grande Nation“ allerdings in eine ernsthafte Energiekrise stürzen, immerhin hängen etwa 400000 Arbeitsplätze an den strahlenden Erzeugern.

Schweden hatte sich nach dem Reaktorunglück im Three-Mile-Island-Kraftwerk in den USA 1980 von der Kernkraft verabschiedet, doch 2010 kippte das Parlament den Beschluss. Auch Finnland liebäugelt wieder mit der Atomkraft, seit 2002 ist ein Reaktor im Bau.

Die EU deckt rund 30 Prozent ihres Bedarfs an elektrischer Energie aus Atomstrom, Deutschland 23 Prozent. Die Briten produzieren in zehn Werken mit 19 Reaktoren rund ein Fünftel der im Lande verbrauchten Energie. Premier David Cameron will das Atomprogramm vorantreiben.

Allen aber droht nach den Erfahrungen mit Fukushima eine immense Kostensteigerung wegen neuer Sicherheitsmaßnahmen. Analysten der Vermont Law School in Amerika prognostizieren eine Verteuerung der nuklearen Strom-erzeugung für das kommende Jahr um 50 Prozent. J. Feyerabend


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