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14.01.12 / »Meine Heimat erinnert mich daran, wer ich bin« / In der Türkei sang sie auf Kurdisch und wurde ausgebuht – Sängerin Aynur verbindet in ihrer Musik Traditionelles und Modernes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-12 vom 14. Januar 2012

»Meine Heimat erinnert mich daran, wer ich bin«
In der Türkei sang sie auf Kurdisch und wurde ausgebuht – Sängerin Aynur verbindet in ihrer Musik Traditionelles und Modernes

Kaum eine andere Region der Welt ist so von kulturellen Vermischungen geprägt wie die Türkei. Das macht die Musik Kleinasiens so vielfarbig und lebendig. Die kurdische Sängerin Aynur Dogan war umjubelter Gast des Schleswig-Holstein Musikfestivals. In Ostanatolien aufgewachsen, studierte sie Gesang und brachte vor zehn Jahren ihr erstes Album heraus. Sie berichtet von ihrer Sympathie für Deutschland und der Intoleranz türkisch-nationalistischer Fanatiker.

PAZ: Sehr geehrte Frau Dogan, Sie sind im letzten Sommer beim 26. Schleswig-Holstein-Festival in Deutschland aufgetreten. Themenschwerpunkt war dort die türkische Musik. Wie reagierten die Menschen dort auf Ihre Musik?

Aynur Dogan: Das Interesse und die zauberhafte Atmosphäre bei dem Festival waren genau das, was ein Musiker sich auf der Bühne nur wünschen kann. Wenn man dann noch außerhalb seines Landes und viel wichtiger in einer anderen Sprache und in einem anderen Musikstil eine seelische Verbindung mit den Menschen herstellt, ist das für einen Musiker sehr inspirierend. Denn das, was wir bringen möchten, soll unterschiedliche Menschen ansprechen. Die bedeutsame und emotionale Bindung der Zuhörer auf der Bühne des Festivals zu spüren war sehr aufregend und hat mir noch mehr Hoffnung gemacht.

PAZ: Welchen Eindruck haben Sie von Deutschland gewonnen?

Dogan: Deutschland hat mir schon immer gefallen, denn hier kann man jederzeit für sich sein. Das ist für mich sehr wichtig. Und obwohl Deutschland das bevölkerungsreichste Land in Europa ist, herrscht hierzulande eine gewisse Ordnung. Daneben herrscht in Deutschland eine soziale und kulturelle Gliederung, das Miteinander-Sein unterschiedlicher Gedanken, Glaubensüberzeugungen und Herkünfte ist sehr zu schätzen. Ich bin in vielen Ländern unterwegs, aber wenn ich nach Deutschland komme, fühle ich mich glücklich und sicher, als wäre ich hier zu Hause.

PAZ: Kann man Ihre Musik als moderne Folklore bezeichnen oder wie würden Sie sie beschreiben?

Dogan: In erster Linie als traditionell, aber dieses Traditionelle nimmt auch neue und weitere Formen an. Eigentlich trage ich in mir das Spirituelle aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Deswegen ist es unabdingbar, dass das spirituell Traditionelle mit dem Modernen zusammenkommt. Sie können so viele traditionelle Instrumente spielen, wie Sie mögen, aber das Spirituelle der Gegenwart wird Sie immer verfolgen. Das heißt, selbst wenn einer der Moderne den Rücken kehren will, im Alltag wird er sie immer wieder finden. Wichtig ist, wie viel Traditionelles wir in dieser Moderne aufrechterhalten wollen. Besonders in meinem Album „Rewemd“ habe ich das versucht.

PAZ: Was bedeuten für Sie Herkunft und Tradition?

Dogan: Ich bin in Dersim geboren. Diese Gegend erinnert mich immer wieder daran, wer ich bin, und was sie meiner Seele gebracht und genommen hat. Darüber hinaus steht die Gegend aber auch für das Leiden der alten Menschen. Denn wenn sie alt sind, sind sie alleine. Jedes Mal, wenn ich zurückkehre, erinnere ich mich an sie in tiefer Verbundenheit. Ich denke natürlich auch an das, was die tief in ihrer Heimat verwurzelten älteren Menschen an uns weitergegeben haben, wie ihre Menschlichkeit, ihren Frieden und die ewige Menschenliebe.

PAZ: Wie reagieren junge Menschen, sprich die sogenannte Facebook-Gemeinde, auf Ihre doch recht traditionelle Musik?

Dogan: Ich nutze das Internet nicht so viel, nur bei Bedarf, aber obwohl unsere Musik traditionell ist, haben wir eine große Fan­gemeinde auf Facebook. In der Regel haben wir Zuhörer aus unterschiedlichen Richtungen, Glaubensüberzeugungen und in jeder Altersgruppe.

PAZ: Sie singen überwiegend Kurdisch. Wie reagieren die meisten Türken darauf?

Dogan: In der Türkei können viele Türken oder andere ethnische Gruppen ohne Vorurteile diese Musik hören. Denn diese Menschen haben erkannt, dass die Musik etwas Verbindendes hat. Aber selbst wenn diese Musik gern gehört wird, wenn man seinen kurdischen Wurzeln nachgeht und in Kurdisch singt, werden Künstler oft politisiert und dieses wiederum hindert die Originalität und Bescheidenheit der Musik.

PAZ: Ihnen wurde 2005 unterstellt, mit einem Lied den kurdischen Separatismus zu unterstützen. Sind Sie überhaupt ein politischer Mensch?

Dogan: In der Regel beinhalten meine Liedertexte allgemeingültige weltliche Themen. Aber sie beinhalten auch Hinweise zur kurdischen Kultur.

PAZ: Bei einem Festival in Istanbul im Sommer letzten Jahres verlangten Teile des überwiegend intellektuellen, türkischen Publikums, Sie sollten auf Türkisch singen und störten das Konzert derart, dass Sie abbrechen und die Bühne verlassen mussten. Haben Sie jetzt Angst, so etwas erneut zu erleben?

Dogan: Das war natürlich unangenehm. Aber kurz darauf auf einem Konzert in Deutschland habe ich die Liebe und das Interesse meiner Fans wieder gespürt und das gab mir Hoffnung.

PAZ: Welche künstlerischen Ziele haben Sie sich für die nächste Zeit gesetzt?

Dogan: Mein wichtigstes Ziel ist es, die Verbindung zu meiner Musik aufrechtzuerhalten, denn dann kann man weitere Werke für die Zukunft leichter hinterlassen. Zurzeit sind meine wichtigsten Projekte mein neues Album und die damit verbundenen Konzerte.

Die Fragen stellte Rebecca Bellano.


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