19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.01.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-12 vom 14. Januar 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Komplette Idioten / Was Frauen niemals denken würden, was Wulff nun von der anderen Seite erlebt, und was die FDP aus den Rankünen der CDU-Spitze lernt

Sarrazin ist wieder da, mit seinem Buch unterm Arm, angereichert mit einer ellenlangen Einleitung, in der er abrechnet mit seinen Gegnern. Auch das noch! Als hätten wir ohne ihn nicht schon genug Ärger an der Backe. 2010 hat der Kerl unseren von allen hässlichen Fragen gesäuberten interreligiösen Dialog mit „Fakten“ verunreinigt. Dafür sind wir ihm bis heute böse.

Wie abgesprochen druckte die „Bild“ diese Woche Auszüge aus dem Buch „Schulfrust“ aus der Feder der Abiturientin Viviane Cismak. Darin verbreitet die 20-jährige Berlinerin ihre Erinnerungen an ihr von muslimischen Jungs dominiertes Gymnasium. Was sie schreibt, ist – um Angela Merkels Verdikt über Sarrazins Buch noch einmal zu bemühen – „nicht hilfreich“.

Gleich in der ersten Folge kommt sie auf die sperrige Kopftuchfrage zu sprechen. Die ist deshalb so unangenehm, weil sie die guten Menschen in unserem Lande in ein unauflösbares Dilemma stürzt: Sie wollen für Frauenrechte kämpfen und gleichzeitig für Multikulti, was bei dieser Sache nicht recht zusammengeht.

Ihre muslimischen Schulkameraden hätten das Tuch mit dem Argument verteidigt: Die Verhüllung solle verhindern, dass die Männer beim Anblick der Frauenhaare „unzüchtige“ Gedanken befielen, was für die Frau bekanntlich böse enden könne. Wie nobel, nicht wahr?

Und wie respektvoll: Neben dem maskulinen Beschützer­instinkt steckt hinter dieser Auffassung offenbar die Überzeugung, dass Frauen zu solchen „Gedanken“ gar nicht fähig sind. Denn dieselben muslimischen Jungmänner, die so reden, brezeln sich zur Sonnabend-Disco auf wie die Popstars. Wofür? Vermutlich, damit sich die Mädels bei ihrem Anblick danach verzehren, mit ihnen unter Aufsicht der Eltern Mau-Mau spielen zu dürfen.

Vielleicht bekommen wir ja nun wieder so eine Islam- und Integrationsdebatte, mit dem schurkischen Thilo mittenmang. Dem Bundespräsidenten wird’s recht sein. Wulff reiht kleine Fehltritte aneinander wie Perlen auf eine Schnur. Keiner wäre für sich betrachtet eine echte Katastrophe, zusammengenommen aber hat sich die Kette zum Strick ausgewachsen. Und wenn sich die Medien erst mal eingeschossen haben, dann holen sie sogar Sachen raus, die wir nur als „Skandal“ identifizieren, weil „Wulff“ draufsteht. So meldet die ARD voller Empörung, dass Wulff als damaliger niedersächsischer Ministerpräsident freundlichen Kontakt zu einem Unternehmer gehabt habe, der heute vor Gericht stehe.

Alle Wetter! Müssen jetzt alle noch lebenden Altkanzler rück­wirkend zurücktreten, weil man sie mit dem jeweiligen Chef der Firma Siemens gesehen hat, wo es doch später diese klebrige Affäre mit den angeblichen Schmiergeldern gab? Wir fordern Aufklärung! Rückhaltlose Aufklärung! Das Geniale an dieser Forderung ist, dass man sie immer weiter stellen kann. Denn wir wissen ja jetzt schon, dass wir jede Aufklärung hinterher als „lückenhaft“ oder „zu spät gekommen“ abtun werden. Dabei können wir uns so wunderbar in Moralpose werfen, dass wir uns vor unserer eigenen Erhabenheit verneigen mögen.

Ein äußerst demokratisches Spiel, denn die Moralpose beherrscht jeder, sogar Christian Wulff. So war er einer der ersten, der am Stuhle Thilo Sarrazins sägte, kaum dass dessen Buch erschienen war. Durch die Blume teilte der Bundespräsident dem damaligen Bundesbankchef Axel Weber mit, dass er seinen Kollegen Sarrazin an die Luft setzen solle wegen dessen Machwerks. Die Medien waren ehrlich beeindruckt, wie tapfer und energisch das damals frischgebackene Staatsoberhaupt Zivilcourage zeigte gegen einen, den fast alle jagten. Dass der Bundespräsident diese Form der rudelgestützten Courage nun einmal von der anderen Seite kennenlernt, trägt gewiss zu seiner Charakterbildung bei.

Das wird ihm helfen, wobei ein gut geformter Charakter allein natürlich nicht reicht, um ein erfolgreicher Politiker zu werden. Dazu gehört auch ein feines Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Davon indes hat Wulff offensichtlich noch nie etwas gehört.

Macht nichts, das kann er bei seiner Patronin lernen. Mag Angela Merkel manchmal nicht wissen, was sie tun soll – wann es zu geschehen hat, das weiß sie aus dem Effeff. Kaum anzunehmen, dass die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Koalition mit FDP und Grünen hat platzen lassen, ohne zuvor mit der Kanzlerin telefoniert zu haben. Und was hat die gesagt? „Annilein, wenn’s nicht mehr geht, geht’s halt nicht mehr. Aber bekanntgeben wirst du das erst in dem Moment, wenn der blöde Rösler gerade zu seiner Dreikönigsrede anhebt, hähä.“

Ein Witzbold erfand einmal die Steigerungskette „Feind, Erzfeind, Parteifreund“; die können wir heute krönen mit einem Super-Superlativ: „Koalitionspartner“. Das Wort stand dunnemals für ein festes Bündnis, in dem zwei oder drei Partner gemeinsam durch dick und dünn gingen. Nicht erst seit dem Saarland-Coup zu Dreikönig bedeutet „Koalitionspartner“ mittlerweile so viel wie: „Hassobjekt, dem man mit der größtmöglichen Perfidie einen nach dem anderen reinwürgt“.

Sicher, die Liberalen lassen an Trotteligkeit nichts missen. Aber die Wollust, mit welcher ihr Regierungspartner jeden ihrer Fehler auskostet und in der Wirkung noch vergrößert, die hat eine ganz eigene Qualität. Meisterhaft, wie Wolfgang Schäuble die gesamte Steuerpolitik der Freidemokraten häppchenweise zur Strecke brachte – wie ein schleichendes, tödliches Virus den vormals gesunden Körper. Und wie sorgfältig er darauf achtete, dass die Blaugelben nach jedem seiner Winkelzüge wie die kompletten Idioten dastanden.

Das Prinzip dahinter ist recht einfach. Es besteht in der Umkehrung einer alten Koalitionsregel. Die besagte, dass man Meinungsverschiedenheiten nur im vertraulichen Gespräch ausbreitet, während man in den Medien Einigkeit demonstriert. Heute versichern Merkel und Schäuble dem liberalen Partner hinter den Kulissen ihre unverbrüchliche Loyalität, um ihn anschließend in aller Öffentlichkeit listig vorzuführen.

Einmal waren wir sogar Augenzeugen, wie das funktioniert. Erinnern Sie sich an den letzten gemeinsamen Auftritt von Rösler und Schäuble zur Steuerfrage vergangenen Herbst? Der FDP-Chef startete fröhlich lächelnd in die Pressekonferenz wie ein stolzes Kind, das gemeinsam mit seinem besten Freund etwas ganz Tolles vorstellt. Offenbar war man sich im Vieraugengespräch über alles einig geworden. Dachte der arme Rösler zumindest. In Schäubles Kamera-Grinsen blitzte da schon so etwas Teuflisches. Am Ende war klar: Die liberalen Pläne zur Steuererleichterung landen nahezu zur Gänze in der Tonne – reingelegt! Da glotzte der Rösler wie ein von der Welt enttäuschter Knirps, dem man sein Himbeereis geklaut hat.

Ja, lernen die Liberalen denn gar nichts aus den Tiefschlägen? Und ob, nur leider das Falsche: Nunmehr wenden sie die Schäub­le-Taktik auch unter sich an. Wangen tätschelnd begrüßte Rösler seinen neuen Generalsekretär Patrick Döring daheim in der Berliner Parteizentrale. Doch kaum waren die Nettigkeiten ausgetauscht, fing Döring, noch nicht mal richtig im Amt, an, gegen seinen Chef zu randalieren, als hätte Schäuble ihn geschickt.

Dieser Herr Döring denunziert Rösler öffentlich als misstrauischen Pedanten, der sich ärgere, wenn Rainer Brüderle kurz nach ihm ein Interview im „Handelsblatt“ bekomme und dann nachzähle, wem mehr Zeilen eingeräumt worden seien. Der desig­nierte Parteigeneral lässt Rösler aussehen wie einen völlig überforderten Waschlappen, kampfuntauglich und entscheidungsschwach. Wenn die Hindus mit ihrer Vorstellung von Wiedergeburt Recht haben, dann sollte Patrick Döring sein nächstes Leben in einem Kuckucksei beginnen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren