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21.01.12 / Hinterm Horizont

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 21. Januar 2012

Hinterm Horizont
von Vera Lengsfeld

Es ist inzwischen das am längsten gespielte Musical in Berlin. „Hinterm Horizont“, Udo Lindenbergs Liebesgeschichte mit einem Mädchen aus Ost-Berlin. Anfangs waren alle skeptisch: die Produzenten, sogar der Drehbuchautor Thomas Brussig. Geben Udos Songs genug Stoff für ein Musical her? Interessiert sich überhaupt jemand für diese Geschichte?

Werden die Darsteller, allesamt keine ausgebildeten Musical-Akteure, das alles bewältigen? Dreimal ja. Die Geschichte beginnt mit Aufnahmen vom Mauerbau, die jeden Zuschauer in den Bann schlagen. Spätere Einblendungen zeigen das ganze, irrsinnige Ausmaß des Todesstreifens in der geteilten Stadt. Am Ende habe nicht nur ich Tränen in den Augen bei den Bildern vom Mauerfall. Dazwischen liegen drei unterhaltsame, bildende, kurzweilige Stunden.

Das liegt vor allem am Können von Thomas Brussig, dem es gelingt, die Verhältnisse in der DDR, speziell die Staatssicherheit, als so gruselig zu vermitteln, wie sie wirklich waren, sich gleichzeitig aber darüber lustig zu machen und ihnen so das Dämonische zu nehmen. Die Staatssicherheit war tatsächlich eine absurde Veranstaltung mit den Sprachstörungen, die stellvertretend Stasi-Chef Mielke zur allgemeinen Erheiterung auf der Bühne vorführt.

Gleichzeitig hatte sie die Macht, Liebende zu trennen und einander zu entfremden. Glücklicherweise nicht für immer, denn es gibt heutzutage die Möglichkeit, die Stasi- Machenschaften zu durchschauen.

Es war ein bemerkenswerter Zufall, dass der zwanzigste Jahrestag der Stasiakten-Öffnung und der erste Geburtstag des Musicals zusammenfielen. Lindenberg widmete seine Jubiläumsvorstellung den „Kämpfern und Opfern für Frieden und Freiheit während der deutschen Teilung“. Einige wenige Bürgerrechtler waren als Ehrengäste eingeladen, was das ehemalige SED-Bezirksorgan „Berliner Zeitung“ Gift und Galle spucken ließ. Wir haben uns trotzdem köstlich amüsiert und sind dankbar, dass Lindenberg jungen Menschen ein Thema nahebringt, das viel zu selten angesprochen wird.

Udos Engagement ist keineswegs neu. Als ich im Musical saß, erinnerte ich mich an mein erstes Lindenberg-Konzert Ende Februar 1988 in Hamburg. Ich war vor wenigen Tagen aus dem Stasigefängnis Hohenschönhausen in den Westen abgeschoben worden.

Mit mir zehn andere Bürgerrechtler, die verhaftet worden waren, weil sie an einer SED-Demo mit eigenen Plakaten teilnehmen wollten. Auf offener Bühne solidarisierte sich Udo Lindenberg mit uns und verurteilte das Vorgehen des Honecker-Regimes. Das haben nur ganz wenige Kulturschaffende der alten BRD getan. Danke, Udo!


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