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28.01.12 / Löchrige Embargo-Front / USA wollen Iran finanziell ausbluten, doch noch kann die Welt nicht auf Öl Teherans verzichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-12 vom 28. Januar 2012

Löchrige Embargo-Front
USA wollen Iran finanziell ausbluten, doch noch kann die Welt nicht auf Öl Teherans verzichten

Die EU hat „noch nie da gewesene“ Sanktionen gegen den Iran beschlossen. Das verhängte Öl-Embargo wirft allerdings Probleme auf: Momentan können einige EU-Länder auf das iranische Öl noch nicht verzichten. Unbeabsichtigt profitiert bereits jetzt ein Konkurrent des Westens von den verhängten Sanktionen gegen Teheran: China.

Gleich drei Flugzeugträgergruppen der US-Marine befinden sich derzeit im arabischen Meer und damit unweit des Irans. Am 19. Januar ist der Träger „USS Lincoln“ zu den bereits in der Region stationierten Trägern „USS Stennis“ und „USS Vinson“ gestoßen. Auch wenn nach Angaben der US-Navy ein Träger abgezogen werden soll, bleibt die Streitmacht beachtlich: Im Persischen Golf kreuzt zusätzlich zu den Flugzeugträgern ein Verband um den Hubschrauberträger „USS Makin Island“. Vor Oman ist die britische Marine mit einem Schiffsverband in Stellung gegangen.

Trotz der massiven Militärpräsenz spricht wenig dafür, dass die USA – zumindest momentan – auf eine Eskalation des Konflikts mit dem Iran aus sind: Die Folgen wären für die Weltwirtschaft katastrophal: Bei einem weltweiten Tagesverbrauch von 87 Millionen Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) Öl werden täglich 17 Millionen Barrel, also zirka 20 Prozent des täglichen Weltverbrauchs, auf dem Seeweg durch die Straße von Hormus transportiert. Michael Wittner, Ölexperte der Société Générale und ehemaliger CIA-Analyst, geht davon aus, dass eine Blockade dieses Seewegs zumindest zeitweise zu Ölpreisen im Bereich von 150 bis 200 Dollar pro Barrel führen wird. Selbst wenn, wie nun von der EU beschlossen, iranische Ölexporte von täglich 2,4 Millionen Barrel nun mit einem Embargo belegt werden, ist mit einem Preisanstieg bis auf 150 Dollar zu rechnen.

Dass der vom EU-Rat am 23. Januar verhängte Einfuhrstopp für iranisches Öl erst zum 1. Juli wirksam werden soll, hat gute Gründe: Ein Ausbleiben iranischer Öllieferungen wäre momentan für zwei Staaten, darunter ein EU-Land, der sprichwörtliche „letzte Sargnagel“. „Immensen Schaden“ befürchtet Japans Finanzminister Jun Azumi. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt leidet nach dem Tsunami vom März 2011 noch immer unter massiven Energieproblemen. Noch ver-heerender wären die Folgen allerdings für Griechenland. Der Iran ist der letzte Öl-Förderer, der noch bereit war, Griechenland auf Kredit zu beliefern. Die iranischen Lieferungen machen inzwischen mehr als die Hälfte der griechischen Öl-Einfuhren aus. Sollte Teheran nun – wie als Reaktion auf die EU-Sanktionen angedroht – seine Lieferungen einstellen, könnte das die wirtschaftliche Lage Griechenlands weiter verschlechtern.

In dieser Situation ist für die USA, Japan und die EU Saudi-Arabien der einzige Hoffnungsträger: Die Saudis sind derzeit der einzige Öl-Förderer, der in der Lage ist, seine tägliche Fördermenge – zehn Millionen Barrel – nennenswert zu erhöhen: Kurzfristig um zwei Millionen Barrel, in neun Monaten nochmals um 500000 Barrel. Entlastung verspricht ebenfalls ein Projekt der Vereinigten Arabischen Emirate, das im Mai fertiggestellt sein soll: Die „Abu Dhabi Crude Oil Pipeline“, die alternativ zum Seetransport über die Straße von Hormus auf dem Landweg 2,5 Millionen Barrel Öl täglich transportieren soll.

Die EU kalkuliert mit einem Zeitrahmen von sechs Monaten, in dem Ersatzlieferanten für Spanien, Italien und Griechenland gefunden werden. Alle drei Länder stehen für 68 Prozent der EU-Ölimporte aus dem Iran. Ebenso wie Japan will die EU die Importe aus dem Iran nur schrittweise verringern. Schneller Wirkung sollen verhängte Finanzsanktionen zeigen, die ebenfalls von der EU beschlossen wurden: Guthaben der iranischen Zentralbank in der EU werden eingefroren. Bereits vorgeprescht sind die USA: Firmen, die Geschäfte mit dem Iran machen, kann schon jetzt der Zugang zum US-Markt verwehrt werden.

Diese Maßnahme zeigt bereits Wirkungen, allerdings auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen: Quasi als Trittbrettfahrer des US-Embargos wird von Seiten Chinas, Indiens, Pakistans und der Türkei zunehmend Druck auf den Iran ausgeübt. Gefordert werden Preissenkungen für Öl, Bezahlung in Yuan oder Rupien oder Tauschgeschäfte, sprich Öl gegen Waren. Offiziell haben diese Länder angekündigt, sich nicht an einem Embargo zu beteiligen, hinter den Kulissen wird allerdings die Zwangslage des Iran ausgenutzt.

Gewarnt wurde Teheran ebenfalls von China vor einer Blockade der Straße von Hormus. Das sollte allerdings nicht als Anzeichen dafür gedeutet werden, dass China bereit ist, den Iran fallen zu lassen: Mit 100000 Soldaten hat Chinas Volksbefreiungsarmee erst vor wenigen Wochen ein Großmanöver an der Grenze zu Pakistan abgehalten. Gerichtet war die Botschaft Pekings allerdings nicht an den Partner Pakistan. Adressat der Warnung waren die USA.

In Washington scheint man inzwischen die Probleme erkannt zu haben, die mit einem Säbelrasseln in der Straße von Hormus und einem Öl-Embargo gegen den Iran verbunden sind. Zumindest militärisch deuten die Zeichen auf vorübergehende Entspannung. Ein gemeinsames Manöver von Truppen Israels und der USA wurde auf die zweite Jahreshälfte verschoben. Trotz dieses Rückziehers und den Verzögerungen beim Öl-Embargo ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Iran langfristig finanziell „ausblutet“. Die Kalkulation Wa-shingtons, dass in der Folge innere Unruhen im Iran ausbrechen, könnte aufgehen. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass sich eine unerwünschte Nebenwirkung der Iran-Strategie der USA einstellt: eine noch stärkere Abhängigkeit des Irans von China. Norman Hanert


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