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28.01.12 / Konsumrausch über Kredit / Türkei vor Konjunkturabsturz: Außenhandelsdefizit bleibt Bürde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-12 vom 28. Januar 2012

Konsumrausch über Kredit
Türkei vor Konjunkturabsturz: Außenhandelsdefizit bleibt Bürde

Wenn türkische Politiker am Steuer der EU säßen, wären die Probleme in drei Monaten gelöst.“ Es ist nicht lange her, dass der türkische Wirtschaftsminister Ali Babacan meinte, derartig auftrumpfen zu müssen. Inzwischen wird immer wahrscheinlicher, dass Babacan bald im eigenen Land beweisen kann, wie man Probleme innerhalb eines Vierteljahres löst. Statt Rekordwerte beim türkischen Wirtschaftswachstum werden seit einiger Zeit vor allem Negativnachrichten gemeldet: Im November ging die Industrieproduktion um 2,5 Prozent zurück. Die Inflationsrate hat im Dezember auf 10,4 Prozent zugelegt. Rekordverdächtig ist inzwischen nur noch das türkische Leistungsbilanzdefizit: Das hat inzwischen zehn Prozent erreicht. Eine Folge zu hohen Konsums und zu geringer Exporte. Vorbei sind auch die Zeiten, als die hohen Inflationsraten und Defizite im Außenhandel mit hohen Wachstumsraten von über sieben Prozent überdeckt werden konnten.

Während Wirtschaftsminister Babacan der Öffentlichkeit noch vier Prozent Wirtschaftswachstum für 2012 präsentiert, ist der Internationale Währungsfonds pessimistischer: Er rechnet lediglich noch mit zwei Prozent. Analysten türkischer Banken halten allerdings selbst diese Zahl für nicht mehr realistisch. Sie schließen nicht einmal aus, dass die türkische Wirtschaft im laufenden Jahr schrumpfen wird. Offenbar tritt nun eine Entwicklung ein, die sich bereits 2011 angedeutet hat: Zunehmende Probleme durch den kreditfinanzierten Konsumrausch, der die Triebkraft des türkischen „Wirtschaftswunders“ ist.

Nicht nur die weltfremden Prog-nose des Wirtschaftsministers sorgt bei Beobachtern für Stirnrunzeln: Noch mehr Fragen wirft die Strategie des türkischen Zentralbankchefs Erdem Basci auf, mit der die Probleme der Wirtschaft behoben werden sollen. Wohlwollende Beobachter bezeichnen die Maßnahmen als „unorthodox“. Inflation und ausuferndem Außenhandelsdefizit will die Zentralbank mit einem Festhalten an niedrigen Leitzinsen beikommen. Die zu hohe Kreditvergabe soll allein durch hohe Reserveanforderungen an die Banken zurückgehen. Die dahinterstehende Hoffnung: Vor die Wahl gestellt, geben die Banken der Wirtschaft weiter Kredite, schränken aber die Kreditvergabe an Privatpersonen ein. Ein Effekt dieser Maßnahme ist bisher nicht erkennbar.

Ebenso erfolglos war die Zentralbank bei ihren Stützungsversuchen für die türkische Lira: Gegen den US-Dollar hat die türkische Währung im Lauf des letzten Jahres ein Fünftel ihres Wertes verloren. An sich wäre die abgeschwächte türkische Lira genau das richtige Mittel zur Ankurbelung der Exporte und zur Verteuerung von Importen. Statt auf diese Weise langsam die Leistungsbilanz ins Lot zu bringen, werden die türkischen Devisenreserven verpulvert, um einen höheren Lira-Kurs herbeizuzwingen: In einem währungspolitischen Amoklauf verkauft die Zentralbank Dollar und kauft türkische Lira ein. Bisher ohne nachhaltigen Erfolg beim Wechselkurs, allerdings mit dem Nebeneffekt, dass die türkischen Devisenreserven von 80 Milliarden Dollar langsam schwinden. N.H.


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