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04.02.12 / Berlin verdreckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-12 vom 04. Februar 2012

Berlin verdreckt
von Vera Lengsfeld

Wer wissen will, wie sehr der Versorgungsstaat die Menschen demoralisiert und zu einer Verlotterung der Sitten führt, der kann das an unserer Hauptstadt studieren. Ende Januar liegen immer noch Weihnachtsbäume am Straßenrand. Sobald stärkerer Wind weht, werden sie entweder auf die Fahrbahn vor die Kühlerhauben der Autos getrieben oder landen auf dem Kinderwagen, der über den Bürgersteig geschoben wird. Dazu braucht man inzwischen gewisse Fertigkeiten, besonders, wenn man noch ein Kind an der Hand hat.

Die Gehwege, selbst in den bürgerlichen Vierteln, verwandeln sich immer mehr in wilde Mülldeponien. Wo er geht und steht, lässt der versorgte Bürger seine nicht mehr benötigten Reste fallen. Pappbecher, Plaste­teller, Tüten, Kartons liegen auf Schritt und Tritt herum. Die sind wenigstens ungefährlich. Die häufig anzutreffenden zerschlagenen Bier- und Schnapsflaschen stellen dagegen eine erhebliche Gefährdung, besonders für Kinder, dar.

Da kann man schon froh sein, wenn man nur in Hundekot tritt.

Rücksichtsvolle Mitmenschen haben ihre vierbeinigen Lieblinge inzwischen darauf trainiert, mit ihren Hinterlassenschaften die Ziegelmäuerchen der Vorgärten zu dekorieren. Das beleidigt zwar das Auge, schont dafür die Schuhe. An die allgegenwärtige Graffiti hat man sich gewöhnt. Einige Hausbesitzer versuchen, die Schmierereien zügig zu beseitigen, die Sprayer sind aber meist schnell wieder zur Stelle.

In den Parks findet man immer wieder Brandstellen von nächtlichen offenen Feuern. Parkbänke werden regelmäßig zertrümmert, Papierkörbe aus den Halterungen gerissen. Auf Spielplätzen finden Eltern häufig zerstörte Spielgeräte vor. In den Sandkästen erleichtern sich nicht nur Hunde, auch Besucher der nahe gelegene „Tafel“ entsorgen ihr Morgenbier schamlos auf der Spielstätte der Kleinsten.

Höflichkeit und Rücksichtnahme waren gestern. Beim Besteigen der immer seltener fahrenden, oft überfüllten S-Bahnen gilt das Recht des Stärkeren. Es wird nicht gewartet, bis alle Aussteigenden draußen sind, sondern rabiat gedrängelt, um einen der begehrten Plätze zu ergattern. Eine Chance hat man nur, wenn der Fahrgast, der mit seinem Rucksack einen Sitz blockiert, einschätzt, dass er bei einer Auseinandersetzung den Kürzeren ziehen würde.

Das sind Schlaglichter einer Gesellschaft, in der nicht mehr Verantwortlichkeit und Bürgersinn gefördert werden, sondern die Versorgung propagiert wird, auch für Menschen, die in der Lage wären, für sich selbst zu sorgen. Mit dem Versorgungsniveau steigt die Wohlstandsverwahrlosung. Es ist Zeit, diesen Trend umzukehren.


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