Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-12 vom 04. Februar 2012 Geschäft mit Luxus unter Billigflagge Gemütlich von Hafen zu Hafen schippern, das war gestern. Heute will das Kreuzfahrtpublikum „action“: ganz nah ran an die Felsenküste, auf Tuchfühlung mit allerlei maritimem Getier, und in polaren Gewässern mit echtem Titanic-Nervenkitzel – nichts kühlt den Whisky besser als von der Reling aus handgepflücktes Gletschereis. Natürlich wissen die Kapitäne, was der moderne Kreuzfahrer erwartet. Aber nicht alle wissen, wie sie dies mit seemännischer Verantwortung für die ihnen anvertrauten Passagiere und Mannschaften vereinbaren können. Wie der Kommandant der „Costa Concordia“: Um den Gästen zum Dinner ein ordentliches Spektakel zu bieten, riskierte er einen allzu küstennahen, für viele tödlichen Kurs. Die Reederei bestreitet energisch, dem Kapitän entsprechende Direktiven gegeben zu haben. Das ist glaubwürdig, zumal die Reederei Costa Crociere in der Branche als sicherheitsbewusst gilt. Aber wer sich so verhält wie Signore Schettino, braucht dafür auch keine Befehle; es reicht die eigene Hybris und Verantwortungslosigkeit. Reedereien und Reiseveranstalter aber müssen sich fragen, wie weit sie den brutalen Preiskrieg noch treiben wollen. Dass die „MS Deutschland“ als einziges Schiff unter deutscher Flagge fährt, dass alle anderen viel Geld machen, indem sie Luxus unter Billigflaggen verkaufen, das ist der wahre Skandal. Da wird, zu Lasten der Passagiere, beim Personal gespart. Beim Captain’s Dinner eine gute Figur zu machen, scheint die wichtigste Qualifikation zu sein. Hier sind Reeder und Reisebüros gefragt. Aber auch die Kunden sollten ihre Ansprüche überdenken. Denn weniger „action“ heißt oft mehr Sicherheit. H.J.M.
Zeitzeugen Bernard Meyer – Der 1948 geborene Ingenieur übernahm 1982 die Leitung des Familienunternehmens Meyer-Werft im ostfriesischen Papenburg. Unter seiner Regie wurde mit dem Bau von Luxus-Kreuzfahrtschiffen ein neuer Geschäftszweig erschlossen. Innovativ denkend, wie es der über 200-jährigen Familientradition entspricht, entwickelte Meyer auch völlig neuartige Fertigungsmethoden. So kann das Unternehmen mit seinen 2500 Mitarbeitern trotz immer härterer internationaler Konkurrenz durchaus optimistisch in die Zukunft blicken. Peter Deilmann – Der 1935 in Travemünde geborene Schifffahrtskaufmann machte sich 1968 selbständig, veranstaltete Tagesausflüge mit kleinen Angelkuttern. 1973 kaufte er ein ausgemustertes norwegisches Postschiff und verdiente gutes Geld mit „Butterfahrten“ nach Dänemark. 1979 setzte er seine Vision von einer „deutschen Kreuzfahrttradition“ um, seit 1996 mit der als ZDF-Traumschiff bekannten „MS Deutschland“. Sie ist bis heute das einzige unter deutscher Flagge laufende Kreuzfahrtschiff. Möglicherweise haben die dadurch verursachten höheren Personalkosten und Sicherheitsstandards dazu geführt, dass die Reederei 2009 in Insolvenz ging. Deilmann musste dies nicht mehr miterleben; seit seinem Tode 2003 wurde das Unternehmen von seinen Töchtern Gisa und Hedda geleitet. Francesco Schettino – Der 1959 in Meta di Sorrento bei Neapel geborene Italiener arbeitet seit zehn Jahren für die Kreuzfahrtreederei Costa Crociere in Genua. Bevor er 2006 das Kommando auf der Brücke übernahm, war er als Offizier für die Sicherheit an Bord verantwortlich, was nach der Havarie der „Costa Concordia“ geradezu makaber erscheint. Denn offensichtlich hat der Kapitän das Unglück durch bodenlosen Leichtsinn verursacht und dann während der Evakuierung der Passagiere und Besatzungsmitglieder das exakte Gegenteil von seemännischem Verhalten gezeigt. Ob er aber wirklich das „schwarze Schaf“ unter den vorzugsweise in blütenweißer Gala-Uniform auftretenden Kreuzfahrtkapitänen ist oder vielleicht doch nicht ganz so eigenmächtig gehandelt hat, muss nun die italienische Justiz klären. |
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