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11.02.12 / Meilensteine der Filmgeschichte / Ufa, Defa, Studio Babelsberg: Die deutsche Traumfabrik wird 100 Jahre alt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

Meilensteine der Filmgeschichte
Ufa, Defa, Studio Babelsberg: Die deutsche Traumfabrik wird 100 Jahre alt

Das Auf und Ab der Babelsberger Studios in fünf politischen Systemen konnte dem Areal nichts anhaben. Das weltweit älteste Großatelier-Filmstudio zählt zu den führenden Standorten in Europa für die Herstellung von Film- und Fernsehproduktionen. Studio Babelsberg ist heute Komplettlösungsanbieter für nationale und internationale Filmproduktionen. Doch wie war das eigentlich, damals vor 100 Jahren?

In den kleinen Dachgeschoss-Ateliers Berliner Häuser wird um 1910 eifrig gedreht. Plüschige Dekorationen aus Samt und leicht brennbares Zelluloid vertragen sich jedoch nicht mit heißen Scheinwerfern. Die Berliner Feuerwehr legt den Filmleuten nahe, sich etwas anderes zu suchen. Guido Seeber, Kameramann und technischer Betriebsleiter bei der Deutschen Bioscop Filmgesellschaft, sucht nach einer neuen Produktionsstätte. Der Filmfirma sind ihre Räume inzwischen auch zu klein geworden. Seeber wird fündig im Süden Berlins. Eine stillgelegte Papierblumenfabrik in Neubabelsberg scheint optimal.

„Rings um das Gelände befand sich ein ziemlich weites, völlig freies Feld, sodass die Sonne von früh bis spät das Grundstück beschien“, erinnert er sich später. Ein Giebel der Fabrik, nach Süden gerichtet, verlangt nach einem Anbau aus Glas. In der Umgebung keine brandgefährdeten Wohnhäuser, eine gute Verbindung durch die Staatsbahn nach Berlin.

Im Winter 1911/12 wird das Glashaus gebaut, das alte Gebäude mit einem Kopierwerk für die Filmherstellung versehen – und am 12. Fe-bruar 1912 fällt die erste Klappe im „Kleinen Glashaus“ für den „Totentanz“ mit dem dänischen Star Asta Nielsen. Ihr Mann Urban Grad führt Regie. 1913 wird auf einem angekauften 6000 Quadratmeter großen Gelände ein zweiter, größerer Atelier-Komplex errichtet. Die Filmfirma wächst noch um ein 40000 Quadratmeter großes Grundstück, ein weiteres Atelier, ein „großes Glashaus“ und ein zweistöckiges Kopierwerk, dessen Fassade für Außenaufnahmen in verschiedenen Baustilen errichtet wird. Die gesamte Filmherstellung, von Entwicklung über Schnitt bis hin zur Requisitenbereitstellung, erfolgt in den vorhandenen Produktionsanlagen.

1913 dreht Paul Wegener den Aufsehen erregenden Film „Der Student von Prag“. Wegeners Spiel ist hohe Kunst, die Technik der Doppelbelichtungen begeistert Laien- und Fachpublikum. „Der Golem“ bringt ihm 1915 einen Achtungserfolg. 1920 avanciert die Deutsche Bioscop durch Fusion mit der Deutschen Eclair-Film-GmbH (Decla) zur Decla-Bioskop, welche dann 1921 mit der Universum-Film AG (Ufa) einen Zusammenschluss bilden. Die Ufa wird zur marktbeherrschenden Filmfirma und entwickelt das Studio zum ideenreichsten im ganzen Reich. Regisseure wie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau und Ernst Lubitsch werden Vorreiter der Filmgeschichte, deren filmische Glanzstücke Anleitung geben für Generationen von Filmschaffenden. Bei Murnaus Film „Der letzte Mann“ aus dem Jahr 1924 wird die feste Verbindung von Kamera und Stativ gelöst. Die „entfesselte Kamera“ ist geboren, eine Neuerung ersten Ranges und verwendet bis heute.

Finanzielle Krisen der Ufa in den 20er Jahren bremsen keineswegs die Expansion. Fritz Lang dreht 1925/26 seinen Monumentalfilm „Metropolis“, der zu den bedeutendsten Werken der Filmgeschichte zählt. Schauspieler wie Emil Jannings werden zu Idolen der Massen. Jannings erhält als erster Deutscher einen Oscar.

Die ersten Tonfilmversuche hatten die Geschäftsführer anfangs nicht überzeugt. Doch Erfolge aus den USA setzen die Leitung unter Druck, sodass in knapp fünf Monaten Bauzeit 1929 das erste Tonfilmstudio in Europa entsteht: das sogenannte Tonkreuz. Vier Ateliers, die kreuzartig um die Tonabteilung gruppiert sind, sodass die Techniker in allen gleichzeitig arbeiten konnten. Die Dreharbeiten zu „Melodie des Herzens“ mit Willy Fritsch werden gestoppt und es wird neu gedreht, diesmal mit Ton.

„Der blaue Engel“ unter der Regie von Josef von Sternberg wird 1930 für Marlene Dietrich zum Durchbruch. Noch in der Premierennacht reist sie nach Amerika.

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels weiß von der Wirkung des Mediums und nutzt es für die Zwecke der Nationalsozialisten. Jüdische Filmmitarbeiter werden vertrieben und ihres Eigentums beraubt. Die Villenkolonie Neubabelsberg, 1938 wie Babelsberg zu Potsdam eingemeindet, bietet den noch verbliebenen Filmstars ein passendes Ambiente. Heinz Rühmann, Hans Albers und Marika Rökk sind bekannt und beliebt. 1941 ein weiterer Meilenstein: Der erste Farbfilm feiert Premiere. Dem geächteten Schriftsteller Erich Kästner erlaubt man per Ausnahmegenehmigung, das Drehbuch zum Film für die 25-Jahr-Feier der Ufa zu schreiben. Unter dem Pseudonym „Berthold Bürger“ entsteht die Textvorlage zu „Münchhausen“ mit Hans Albers. Gedreht wird bis zum Kriegsende. Erst als sowjetische Soldaten auf dem Gelände stehen, kommt der Betrieb zum Erliegen.

Der erste Nachkriegsfilm entsteht 1946 mit Hildegard Knef in den Babelsberger Althoff-Ateliers. Im Mai 1946 wird die Deutsche Film AG (Defa) gegründet, die im Gegenentwurf zur NS-Zeit viele antifaschistische Filme herstellt. Ab 1948 produziert die Defa 1500 Spiel- und Fernsehfilme, darunter Kinderfilme und Kultfilme wie „Die Legende von Paul und Paula“ und „Jakob der Lügner“, der 1977 sogar für den Oscar nominiert wird. Die politische Führung der DDR kontrolliert die Filmarbeit von Beginn bis zuletzt.

Nach der Wende bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts erstreckt sich eine Hängepartie: Massenentlassungen, zerplatzte Hoffnungen. Ein französischer Konzern versenkt Unsummen im märkischen Sand. Der Geschäftsführer der neuen Firma, Regisseur Volker Schlöndorff, ist einer der glücklosesten. 2004 übernehmen die heutigen Vorstände Carl Woebcken und Christoph Fisser das Studio Babelsberg. Aktuell residieren die Studio Babelsberg AG mit Tochtergesellschaften, die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, der RBB, der Filmpark Babelsberg und andere kleinere Unternehmen auf dem weitläufigen Gelände, der Medienstadt Babelsberg.

Wenn am 12. Februar in einem Festakt in der Marlene-Dietrich-Halle „Der Totentanz“ wieder aufgeführt wird, kann jeder feststellen: „Babelsberg hat etwas Magisches“.  Silvia Friedrich


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