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11.02.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

die Motorsuche für den Kurenkahn in Nidden hat eine erfreuliche Entwicklung genommen, denn es steht nun ein nagelneuer 20-PS-Normalschaft-Yamaha-Außenbordmotor zur baldigen Verfügung. Eine Mitarbeiterin unseres Hauses hat diese Verbindung hergestellt. Und wenn alles klappt, wie vorsichtig geplant, könnte Kapitän Aurelijus Armonavicius mit dem neuen Motor für die „Kursus“ nach Nidden zurückkehren, wenn Mitte Februar seine Tätigkeit auf der Hamburger Reisemesse beendet ist. Wie kommt es zu dieser erfreulich schnellen Lösung? Aus unserem Leserkreis kamen Anregungen, dass man mit einer Geldspende helfen sollte. So schrieb ein Leser aus Adendorf: „Ich las im letzten Ostpreußenblatt über die Nöte des Kurenkahn ,Kursis‘. Ich selber habe einige Erinnerungen an die Keitelkähne. Zwar kann ich leider keinen neuen Motor schicken, aber vielleicht könnte man mit einer Geldspende helfen?“ Ähnliche Hilfsangebote konnte auch der Kreisvertreter von Memel-Stadt, Herr Hans-Jörg Fröse, verzeichnen, an den der Niddener mit seinem Wunsch herangetreten war. Herr Froese wies den richtigen Weg: ein Spendenkonto bei der Landsmannschaft Ostpreußen. Das ist nun geschehen. Wer helfen will, dass der Kurenkahn „Kursis“ wieder sein „zweites Herz“ bekommt, überweise eine Spende in beliebiger Höhe an die Landsmannschaft Ostpreußen, Vermerk Kurenkahn, HSH Nordbank BLZ 21050000, Konto: 180901000. Eine Spendenbescheinigung kann ausgestellt werden. Es würde uns alle, die wir uns um eine Lösung des Problems bemühen, sehr freuen, wenn sich möglichst viele Leserinnen und Leser an dieser Hilfsaktion beteiligen. Warum überhaupt ein Motor, stellt man sich die Frage. Früher gab’s das doch auch nicht. Damals wurden die Kähne ans Ufer gezogen und konnten direkt lossegeln. Heute liegt der Kurenkahn im engen neuen Hafenteil von Nidden zusammen mit anderen Booten und Yachten. Der Motor wird nur benötigt, um aus dem Hafen herauszukommen.

Bleiben wir auf der Kurischen Nehrung. Wir gehen heute nach Rossitten, meinem geliebten Jugendparadies, und eigene Erinnerungen spielen auch in der Suchfrage eine Rolle, mit der sich Frau Sylvia Huse an uns wendet. Sie ist keine ständige Leserin unserer Zeitung, sondern stieß durch Zufall im Internet auf eine Folge der Ostpreußischen Familie aus dem Jahr 2005. Ich hatte dort den Namen „Reichert“ in einer Suchfrage eines Lesers dieses Namens aus den USA erwähnt, der sich an die Reicherts aus Rossitten erinnerte – und eben jener Familie entstammt auch die Schreiberin. Schon als Kind lernte ich die Rossitter Familie kennen, die in dem Nehrungsdorf das „Gasthaus zur Linde“ besaß. Die Freundschaft mit den jungen Reicherts begann mit dem Mittagessen, das wir bei unserem ersten Ferienaufenthalt dort einnahmen. Allerdings waren „Dorsch in Senfsoße“ und „Hammelkümmelfleisch“ nicht so ganz unser Geschmack und so blieben die Besuche später mehr auf den Durst stillende Getränke beschränkt, aber sie blieben und wurden immer intensiver. Denn Gerhard, der Sohn der Familie, fuhr uns mit seinem Pferdewagen in das Elchrevier, und ihm hatten wir zu verdanken, dass wir immer Elche sahen, sogar Muttertiere mit ihren Jungen. Erlebnisse, die man nie vergessen hat. Es erwuchs zwischen uns eine ehrliche Jugendfreundschaft, die sich auch auf seine Geschwister bezog. Leider fiel Gerhard an der Ostfront – kurz zuvor hatte er uns in Königsberg besucht. Frau Huse möchte nun mehr über ihn erfahren, denn sie ist seine Großnichte, Enkelin von Gerhards Schwester Lisbeth. Natürlich kann ich ihr einiges über die Begegnungen erzählen, aber ihr eigentliches Anliegen betrifft unsere Ostpreußische Familie: Sie möchte eine Familienchronik erstellen. So sucht sie Kontakt zu anderen Reicherts, die familiäre Verbindungen zu ihrer Rossitter Stammfamilie haben oder zu deren ehemaligen Bekannten. (Sylvia Huse, Struvekoppel 14 in 24943 Flensburg, E-Mail: sylvia-flbg@foni.net)

Sie gehören zu den schwierigsten und kaum lösbaren Fällen, die Suche von längst erwachsen gewordenen Adoptiv- oder Pflegekindern nach ihrer Herkunft. Und so hege ich auch Zweifel, dass Herr Ulrich Drescher aus Kirchheim über unsere Ostpreußische Familie fündig wird, aber wir wollen es auf jeden Fall versuchen. Denn wir sind für Herrn Drescher wirklich das letzte Glied einer langen Suchkette. Er kannte nicht die PAZ/Das Ostpreußenblatt und damit auch nicht unsere Ostpreußische Familie. Ein Leser gab ihm den Rat, sich an uns zu wenden, und so schrieb er an uns mit einem letzten Funken Hoffnung, denn er hatte schon oft in Erwägung gezogen, mit der Suche aufzuhören. Gegenüber ähnlichen Fällen, die im Laufe der Jahrzehnte in unserer Kolumne bearbeitet wurden, hat er einen kleinen Vorteil: Er trägt den Namen seiner leiblichen Mutter. Aber lassen wir ihn die Angelegenheit vortragen:

„Ich bin Ulrich Drescher, *15. März 1944 in Insterburg/Ostpreußen, als Kleinkind geflüchtet mit der Familie Emma und August Didzus, meinen ersten Pflegeeltern aus Schlaugen, Kreis Goldap. Persönliche Aufzeichnungen oder Informationen, wie ich zu der vom Jugendamt Goldap vermittelten Pflegestelle gekommen bin, sind mir nicht bekannt. Die Eheleute Didzus waren damals beide schon über 70 Jahre alt. Die einzige konkrete Information von meinen Pflegeeltern, die sich bei mir eingeprägt hat, ist der Vorname meiner Mutter: Suse oder Susanne. Sie soll bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sein. Über meinen Vater wurde mir nichts erzählt. Wir kamen über verschiedene Stationen in ein Auffanglager in Stad­tilm/Thüringen. Dort verstarb meine Pflegemutter bereits 1951. August Didzus zog zu seinem leiblichen Sohn und ich kam in verschiedene Pflegestellen bis zu meiner Volljährigkeit.“

Schon zu DDR-Zeiten hat Ulrich Drescher Suchanzeigen nach seiner leiblichen Mutter aufgegeben. Der erste Suchantrag wurde bereits 1949 von August Didzus für seinen Pflegesohn über das Deutsche Rote Kreuz gestellt. „Gesucht wird Drescher, Suse, deutsch, Heimatanschrift: Insterburg.“ Weitere Angaben hat der Pflegevater nicht machen können. Kein Wunder, dass dieser Suchantrag erfolglos blieb. Erst nach der Wende begann Ulrich Drescher mit seinen Recherchen, das Internet erschloss ihm neue Möglichkeiten. Er schrieb an alle infrage kommenden Institutionen, nahm Kontakt zu den Redaktionen der Heimatbriefe der Kreise Insterburg und Goldap auf. Hier stellte sich ein kleiner Erfolg ein: Es meldeten sich die Enkelkinder der Familie Didzus, aber leider wussten diese nichts über seine Herkunft.

Und nun sind wir dran. Auch wir beginnen mit der Frage: Wer kannte Suse (Susanne) Drescher, die am 15. März 1944 in der Insterburger Frauenklinik einen Sohn gebar? Im Ortsverzeichnis Insterburg von 1937 sind mehrere Personen mit Namen „Drescher“ verzeichnet, aber es ist fraglich, ob die junge Mutter überhaupt in der Stadt wohnte, nur zur Entbindung nach Insterburg kam oder dort berufstätig war. Vielleicht stammte sie auch aus dem Kreis Goldap, weil das dortige Jugendamt die Pflege vermittelte. Da sie evangelisch war, müsste der Junge auch getauft worden sein. Suse Drescher soll bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sein, aber wann und wo? Vielleicht erinnern sich noch ältere Leserinnen an eine junge Frau mit diesem Namen? Gibt es noch Unterlagen über Geburten in der Frauenklinik Insterburg im Jahre 1944? Jeder kleinste Hinweis wäre Ulrich Drescher willkommen, der endlich wissen will, aus welcher Familie er kommt, deren Namen er trägt. (Ulrich Drescher, Hauptstraße 8 in 99334 Kirchheim. Telefon 036200/60489, E-Mail: drescher.seidel@web.de)

Wenn ich immer wieder bitte, schon bei erster Kontaktaufnahme die Telefonnummer des Anfragenden mitzuteilen, so hat das seinen Grund: Nur im direkten Gespräch kann man die oft schwierigen Fragen soweit klären, dass wir sie in unserer Kolumne veröffentlichen können. Ein gutes Beispiel lieferte mir jetzt das Gespräch mit Frau Ingrid Theis aus Bad Wörishofen. Sie hatte mir lediglich ihre beiden Anliegen in Kurzform mitgeteilt: „In welchem Krankenhaus bin ich in Königsberg geboren?“ und „Wo sind meine Großeltern begraben?“ Aber sie hatte ihre Telefonnummer angegeben und so kam es zu einem ausführlichen Gespräch zwischen zwei Königsbergerinnen, das Klarheit in die Fragen brachte. Nehmen wir die zweite vorweg: Frau Ingrid Liselotte Theis geborene Bartschat wurde am 5. April 1940 in Königsberg geboren und das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Universitäts-Frauenklinik in der Drummstraße. Denn damals wohnte ihre Mutter Liselotte Bartschat in Ratshof, Kaporner Straße 16. Frau Theis sagte, dass ihre Mutter ihr einmal mitgeteilt habe, dass sie, als die Wehen einsetzten, noch mit der Straßenbahn fast von Tür zu Tür zur Entbindung in das Krankenhaus gefahren sei. Das konnte nur die Linie 4 gewesen sein, die von Ratshof in die Innenstadt fuhr und auf dem Steindamm an der Einmündung der Wagnerstraße hielt, über die man mit wenigen Schritten die Drummstraße erreichte. So, die Frage können wir wohl abhaken. Nun zu den Großeltern von Frau Theis. Sie hießen Gustav und Johanna Amalie Schicher und wohnten in der Wiesenstraße 20 in Ponarth. Gustav Schicher war Eisenbahner und verstarb bereits sehr früh, kurz vor oder nach Beginn des Ersten Weltkrieges. Seine Witwe heiratete dann Gottfried Scheffler, das Paar wohnte in der Marienstraße 13 in Ponarth. Auch Johanna Amalie Schicher verstarb bereits mit 44 Jahren in einem Krankenhaus, in dem Nonnen die Kranken pflegten, wie Frau Theis von ihrer Mutter erfahren hatte. Wenn es sich um ein katholisches Krankenhaus handelt, müsste es sich um das Elisabeth-Krankenhaus handeln, das „Haus der Grauen Schwestern“ in der Ziegelstraße. Nun lag diese Nebenstraße der Königstraße ja weit entfernt von Ponarth, und es erscheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich, dass Frau Schicher hier behandelt wurde. Aber man schrieb das Jahr 1922, die Bevölkerung war noch durch die Hungerjahre unterernährt, die wirtschaftliche Lage war katastrophal, so könnte es sein, dass der geschwächte Körper auch für eine epidemische Erkrankung empfänglich war und deshalb in ein größeres Krankenhaus gebracht wurde. Ponarth selber hatte eine kleine, aber sehr rührige katholische Gemeinde, es könnte auch sein, dass es hier eine Art Pflegeheim gab. Beerdigt wurde die evangelische Verstorbene aber mit Sicherheit auf dem Friedhof der Ponarther Gemeinde. Soviel hat ein einziges Gespräch ergeben, das für Frau Theis sehr wichtig war. Das Ehepaar Theis war schon zweimal in Königsberg auf Spurensuche, eine weitere Reise soll bald folgen, deshalb die Fragen. Vielleicht können ihr die Ponarther unter unseren Lesern noch etwas mehr über den Friedhof sagen, vielleicht finden sich auch ehemalige Nachbarn oder Freunde von Liselotte Bartschat aus Ratshof, die um 1940 mit ihr zusammen waren und die Geburt der Tochter miterlebten. (Ingrid Theis, Oststraße 22 in 86825 Bad Wörishofen, Telefon 08247/2347.)

Eure Ruth Geede


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