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18.02.12 / Jedes Maß verloren / Facebook und Co.: Traumhafte Gewinnerwartungen verlocken Anleger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Jedes Maß verloren
Facebook und Co.: Traumhafte Gewinnerwartungen verlocken Anleger

Sie werden als Gelddruckmaschinen und Hoffnungsträger der Zukunft gesehen und lassen Banken und selbst Unternehmen wie Google und amazon alt aussehen, doch rational betrachtet ist das glänzende Image von Firmen wie Facebook, Groupon und Zalando viel besser, als es die wirtschaftlichen Basisdaten erwarten lassen.

Finanzmärkte sind ziemlich schwer zu erfassen. Zahlen spielen eine mindestens so wichtige Rolle wie Psychologie. Aber nur mit Letzterer lässt sich erklären, warum beispielsweise um die Börsengange des sozialen Netzwerks Facebook und des Rabattgutscheinhändlers Groupon so viel Wirbel gemacht wird. Es wird davon ausgegangen, dass Facebook nach seinem Börsengang Ende Mai fünf Milliarden Dollar erhalten und einen Wert von bis zu 100 Milliarden Dollar haben wird. Experten erwarten gar den größten Börsengang aller Zeiten.

Wie unglaublich hoch diese Werte sind, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass ein Unternehmen wie Siemens auf 86 Milliarden Dollar taxiert wird. Und Siemens stellt mit 360000 Mitarbeitern weltweit die unterschiedlichsten Produkte her. Die absolut im Trend liegende US-Firma Apple ist zwar rund 420 Milliarden Euro an der Börse wert, stellt aber auch auf der ganzen Welt begehrte Computer und Smartphones her. Berücksichtigt man dann noch, dass Facebook 2011 einen Umsatz von 3,7 Milliarden Dollar und eine Milliarde Dollar Gewinn durch den Verkauf von Werbung und die Vermittlung von Computerspielen gemacht hat, dann fühlt man sich an die Dotcom-Blase der Jahrtausendwende erinnert, wo Unternehmen auch nur ein hoher Wert zugeschrieben wurde, weil sie mit ihren neuartigen Geschäften im Bereich des Internets bei den Anlegern die Erwartung von klingenden Kassen auslösten. Und auch bei Facebook wird mit einer hohen Nachfrage nach Aktien des Unternehmens gerechnet, eben weil die Anleger sich in der Zukunft märchenhafte Gewinne erträumen. Selbst der Rabatthändler Groupon, der seit seiner Gründung nur Verluste gemacht hat, konnte aufgrund der hohen Nachfrage bei seinem Börsengang im November 2011 mit 700 Millionen Euro mehr Geld einnehmen als erwartet, weil die Investoren auf die Zukunft setzen, denn schließlich hätten Groupon wie Facebook weltweit Wachstumsraten zu verzeichnen. Und auf dieser Welle mitschwimmend bereitet angeblich auch der deutsche Online-Schuhändler Zalando seinen Börsengang vor, obwohl er auch wie Groupon bisher nur rote Zahlen geschrieben hat.

Doch kann die Zukunft die Gewinnerwartungen der Anleger erfüllen? Vor einigen Jahren lagen diese bei Unternehmen wie ebay, yahoo, Google und Co. ähnlich hoch, sie erfüllten sich nur zum Teil. Ebay und yahoo haben inzwischen schwer zu kämpfen, und auch Google sucht nach neuen Geschäftsfeldern. Zwar konnte das Unternehmen 2011 seinen Gewinn um 14,9 Prozent auf 9,7 Milliarden Euro steigern, doch das Wachstum hatte gegen Ende des Jahres abgenommen und viele Investoren stießen enttäuscht die Aktie des Unternehmens ab, so dass der Kurs um neun Prozent nach Bekanntgabe der Jahreszahlen 2011 abrutschte.

Und gerade das zum Giganten stilisierte Unternehmen Facebook hat sogar noch mehr als Google mit Datenschützern zu kämpfen. Zudem ist davon auszugehen, dass dieser Kampf, der auch den Ruf schädigt, noch zunehmen wird, denn die von potenziellen Anlegern erwarteten Gewinne können nur sprudeln, wenn Facebook die Daten seiner 845 Millionen Nutzer weltweit stärker nutzt. Schon jetzt stimmt es einige nachdenklich, wenn sie über die eigentlich private Funktion „Nachricht senden“ beispielsweise ihrer Freundin schreiben, dass sie schwanger sind, und kurz darauf Werbung eines Umstandsmodenanbieters angezeigt bekommen. Privatsphäre gibt es also schon jetzt nicht mehr bei Facebook. Allerdings wird daraus auch nicht wirklich ein Geheimnis gemacht, denn schließlich will die Firma des 27-jährigen Marc Zuckerberg mit individualisierter Werbung die an sie gestellten Gewinnerwartungen erfüllen.

Inzwischen erwarten Beobachter allerdings, dass in einigen Ländern der Markt für Facebook gesättigt ist. In Ländern wie den USA, Kanada oder Großbritannien sind bereits gut 50 Prozent der Gesamtbevölkerung bei Facebook angemeldet. Wenn das Unternehmen nicht auch bald in Kindergärten und Seniorenheimen auf Kundenfang geht, dürften kaum noch neue Nutzer hinzukommen. Und sollte die Werbung noch mehr auf private Daten zurückgreifen, könnte sich mancher sogar abwenden. Gerade in Deutschland haben bereits einige Facebook-Kunden aus diesem Grund ihr Profil wieder gelöscht. Und schlussendlich ist Facebook auch nur ein Trend von vielen. Auch ebay erfreute sich noch vor einigen Jahren einer großen Nachfrage und war in der öffentlichen Debatte.

Bis über die Jahrtausendwende hinaus lehrten Hochschulprofessoren und auch Lehrer an den Schulen, dass Deutschland hinterher hinken würde. Während beispielsweise die USA und Großbritannien schon einen Großteil ihres Bruttoinlandsproduktes über Dienstleistungen erzielen würden, würde Deutschland noch viel zu viel auf die altmodische Industrieproduktion setzen. Vor allem in Banken und Versicherungen und bei Dienstleistungen rund ums Internet würden die Arbeitsplätze der Zukunft liegen. Nun ist die damals angesprochene Zukunft da, doch die Prognosen haben sich nicht bewahrheitet. Bis jetzt ist Deutschland mit einem gesunden Mix gut gefahren und jene, die auf Extreme setzten, stehen als Verlierer da. Zumindest die nackten Zahlen sprechen dafür, dass es sich bei Facebook und Co. auch um Extreme handelt. Rebecca Bellano


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