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18.02.12 / Katharina Thalbach als Alter Fritz und Moderatorin / Fernsehmehrteiler »Preußen – Chronik eines deutschen Staates« als DVD erhältlich – Sechs Teile recht unterschiedlicher Qualität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Katharina Thalbach als Alter Fritz und Moderatorin
Fernsehmehrteiler »Preußen – Chronik eines deutschen Staates« als DVD erhältlich – Sechs Teile recht unterschiedlicher Qualität

Wenn Katharina Thalbach in dem Beitrag von Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Mitteldeutschem Rundfunk (MDR), Südwestfunk (SWF), Westdeutschem Rundfunk Köln (WDR) und Arte zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen „Friedrich – ein deutscher König“ den Alten Fritz spielt, ist das keine Premiere. Bereits in dem vor gut einem Jahrzehnt aus Anlass der Selbstkrönung Friedrichs I. zum König in Preußen produzierten Mehrteiler „Preußen – Chronik eines deutschen Staates“ war die Schauspielerin als Moderatorin in verschiedene historische Rollen geschlüpft, darunter auch die Fried­richs II. Geschäftstüchtig wird uns der damalige Beitrag der RBB-Vorgänger Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB) und Sender Freies Berlin (SFB) sowie des WDR nun im Preußenjahr als DVD für 22,99 Euro erneut angeboten.

Im Gegensatz zu „Friedrich – ein deutscher König“ enthält „Preußen – Chronik eines deutschen Staates“ keine der heute so modernen szenischen Darstellungen historischer Ereignisse durch Schauspieler. Vielmehr erhält der Zuschauer eine von Otto Sander mit sehr angenehmer Stimme vorgetragene Geschichtslektion. Bebildert werden seine Worte aus dem Off mit aktuellen Filmaufnahmen von den Originalschauplätzen sowie zeitgenössischen Bildern. Bei den letzten Folgen sind zusätzlich historische Filmaufnahmen zu sehen. Der chronologische Erzählstrang reicht vom Regierungsantritt des Großen Kurfürsten 1640 bis zur Auflösung des preußischen Staates 1947.

Die ersten beiden Teile, für die Lew Hohmann verantwortlich zeichnet, sind empfehlenswert. Differenziert und ausgewogen erhält der Zuschauer interessante und relevante Fakten und Zusammenhänge aus der Zeit vom Großen Kurfürsten bis Friedrich dem Großen. Man merkt die Empathie. Hier hat jemand die Preußenherrscher verstanden, die er vorstellt. Leider muss sich dieses Lob auf das erste Drittel des Sechsteilers beschränken.

Für die Folgen 3 und 4 war leider nicht mehr Lew Hohmann verantwortlich, sondern Axel Bornkessel. „Von der Reformzeit zur Revolution (1786–1848)“, so der Titel des dritten Teils, behandelt die Zeit von Friedrich Wilhelm II. bis zur 48er Revolution. Er ist sehr wirtschafts- und vor allem sozialgeschichtlich orientiert. Eingehend werden die Folgen von Restauration und industrieller Revolution beklagt. Diese Klage ist zwar grundsätzlich gerechtfertigt, da die Ursachen aber nicht spezifisch preußisch sind, in einer Preußen-Chronik jedoch unverhältnismäßig.

Ähnliches lässt sich gegen den zweiten von Axel Bornkessel zu verantwortenden Teil anführen. In „Mit ,Blut und Eisen‘: Preußens Weg ins Deutsche Reich (1848–1871)“, so der Titel, werden statt der Folgen von Restauration und Industrialisierung nun die Grausamkeiten der beiden ersten Ei­nigungskriege gegen Dänemark respektive Österreich beklagt. Wenn auch der Grundsatz Gültigkeit hat, dass vor dem Grauen des Krieges gar nicht genug gewarnt werden kann, so ist es doch widersinnig, dieses gerade am Beispiel dieser beiden Kriege zu tun. Zum einen weil es sich hierbei um kurze, weitgehend hassfreie Kabinettskriege ohne nennenswerte Kriegsverbrechen handelte. Zum anderen weil Preußen – was in dem Film leider nicht gesagt wird – ausgesprochen wenig Kriege führte, jedenfalls weniger als andere, westliche Großmächte, die den Preußen und Deutschen heute so gerne als Vorbilder präsentiert werden. Durch die Häufung kann beim kritischen Beobachter der leise Verdacht aufkommen, dass es Axel Bornkessel ganz bewusst darum geht, Preußen für Dinge verantwortlich zu machen, die für diesen Staat nicht spezifisch, ja sogar atypisch sind.

Verstärkt wird dieser Verdacht durch seine Darstellung Otto von Bismarcks. So differenziert Hohmanns Darstellung Friedrichs des Großen war, so undifferenziert ist nun jene Bismarcks. Nur Lug und Trug wird dem Preußen unterstellt. Einseitig konstatiert die Moderatorin: „Bismarck war nicht nur ein Säbelrassler, er war auch ein glänzender Diplomat, ein Trick­ser, einer der seine Gegner hervorragend gegeneinander auszuspielen wusste … Bismarcks Ziel war klar – alles unter eine Haube.“ In den Ausführungen Katharina Thalbachs wird aus dem imperialistischen Kaiserreich Napoleons III., das seinen deutschen Nachbarn das Selbstbestimmungsrecht der Völker bestritt und 1870 Preußen den Krieg erklärte, ein Opfer bismarckscher Innenpolitik: „Und die Deutschen sind begeistert. Eine Nation zu werden wie die Franzosen, davon träumten sie schon lange. Na gut, denkt sich Bismarck, bevor die Leute wieder auf den Gedanken kommen, im Land eine Revolution anzuzetteln, da nutzen wir doch lieber den Siegestaumel, den Siegesrausch … Und er kennt auch das passende Rezept: ,Such dir draußen einen Feind! Hetz die Deutschen auf die Franzosen!‘ Dann gibt es im Land keine Unruhen und die Reichseinigung gibt’s obendrein auf Kosten der Franzosen und unter Preußens Führung – versteht sich.“

Im dritten Teil mit dem Titel „,Heil Dir im Siegerkranz‘ – die Zeit des Wilhelminismus (1871–1918)“ wird ein klassisches Klischee bedient: das kleindeutsche Kaiserreich als ein militaristischer, halbfeudaler antagonistischer Staat mit einer modernen Wirtschaft. Dass in diesem Staat nicht nur die Wirtschaft modern war, sondern auch die bismarcksche Sozialgesetzgebung sowie das allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlrecht zum Reichstag Maßstäbe setzte, bleibt ebenso unerwähnt wie die notwendige Differenzierung zwischen dem auch in diesem Filmbeitrag über Gebühr beklagten für Preußen typischen Militarismus auf der einen Seite und dem davon zu unterscheidenden für Preußen atypischen Chauvinismus auf der anderen.

Der sechste Teil mit dem Titel „Republik, Nazi-Herrschaft und Untergang (1918–1947)“ stammt wie der vorangegangene von Ute Bönnen und Gerald Andres. Er ist eine einzige Eloge auf den SPD-Ministerpräsidenten Otto Braun. Spätestens hier erkennt man, wes Geistes beziehungsweise welcher Partei Kind zumindest dieser letzte Teil der Preußen-Chronik ist. Dazu passt, dass der CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem negativ dargestellten Ministerpräsidenten Bismarck in einen Topf geworfen und der CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer als Gegenspieler des positiv dargestellten Ministerpräsidenten Braun präsentiert wird.

Bei Werbe- und Propagandafilmen ist der Schluss entscheidend. Er enthält den Merksatz, die Lehre von der Geschichte. Der Schluss von „Preußen – Chronik eines deutschen Staates“ beginnt scheinbar ausgewogen. Katharina Thalbach verlässt das Schloss Sanssouci und sagt: „Typisch preußisch waren jene Soldaten, die sich nicht am Putsch gegen Hitler beteiligt haben, obwohl sie die Katastrophe sahen. Ein preußischer Feldmarschall meutert nicht. Typisch preußisch waren die Attentäter, die ihrem Gewissen gefolgt sind, ihre Pflicht erfüllten und dafür sogar den Tod in Kauf nahmen.“ Hätte die Moderatorin so geendet, wäre es ein ambivalentes Schlusswort zu einem Staat gewesen, der für viele so ambivalent und polarisierend ist wie seine Landesfarben: Schwarz und Weiß.

Bezeichnenderweise begnügten sich die Filmemacher jedoch nicht mit dieser Ambivalenz. These und Antithese mussten sie eine Synthese, dem Plädoyer von Anklage und Verteidigung einen Urteilsspruch folgen lassen. Theatralisch verlangsamt die Thalbach das Tempo, bleibt schließlich stehen und schiebt politisch korrekt dem Opfer die Schuld an seiner Auflösung durch die Alliierten zu: „Typisch preußisch waren aber auch jene Militärs, die den Aufstand niedergeschlagen haben, gemäß Eid und Befehl und weiterkämpften bis zuletzt und … damit ist Preußen schließlich auch von der Landkarte verschwunden.“ M.R.


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