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18.02.12 / Königsberger zeigen sich Putin-kritisch / Warum der Premier in der Exklave im Gegensatz zu Russland nicht die Mehrheit hinter sich hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Königsberger zeigen sich Putin-kritisch
Warum der Premier in der Exklave im Gegensatz zu Russland nicht die Mehrheit hinter sich hat

Für die Präsidentschaftswahl am 4. März stehen fünf Kandidaten fest. Der Wahlkampf hat begonnen, auch im Königsberger Gebiet.

Für das Präsidentenamt kandidieren neben Premierminister Wladimir Putin der Kommunistenführer Gennadij Sjuganow, der Milliardär Michail Prochorow, der Vorsitzende der Liberaldemokraten Wladimir Schirinowskij und Sergej Mironow von der Partei Gerechtes Russland. Prochorow ist der einzige Einzelkandidat, er musste zuvor zwei Millionen Unterschriften von Unterstützern sammeln, um überhaupt zugelassen zu werden. Die Stimmen müssen in ganz Russland gesammelt werden, eine äußerst schwierig Aufgabe, die ihm jedoch gelang. Die zentrale Wahlkommission hatte über fünf Prozent der Unterschriften für ungültig erklärt, weil sie nicht den Vorschriften entsprachen.

Aus demselben Grund wurde der Gründer der Partei Jabloko, Grigorij Jawlinskij, nicht zur Wahl zugelassen. Angeblich sei ein Viertel der Unterschriften unvollständig oder vorschriftswidrig gewesen. Jawlinskij hält das für einen Vorwand, um seine Kandidatur zu verhindern. Er will gegen die Entscheidung klagen.

Wahlveranstaltungen und Umfragen laufen auf Hochtouren. Aus den Umfragen lassen sich Tendenzen der Wählergunst schon jetzt deutlich ablesen. Im Januar sahen die Umfrageergebnisse von 1000 Befragten anders aus als noch im November. Putin liegt mit 43,8 Prozent weiter vorne, gefolgt von Sjuganow mit 16,5 Prozent, Prochorow mit 13,2 Prozent, Schirinowski mit 10,8 Prozent und Mironow mit 5,3 Prozent.

Im Vergleich zum November haben alle Kandidaten bis auf Prochorow leicht verloren. Dies lässt sich damit erklären, dass Prochorow aktiv und erfolgreich an politischen Debatten in landesweit ausgestrahlten Fernsehsendungen teilnimmt. Bei einem Wortgefecht in der Sendung „Auf zur Hürde“ konnte er deutlich gegenüber Schirinowskij punkten, was äußerst selten ist, da der Liberalen-Chef ein erfahrener Politiker und Schauspieler ist, der es versteht, das Publikum für sich zu gewinnen. Der 17 Milliarden US-Dollar „schwere“ Prochorow versprach, 16 Milliarden für wohltätige Zwecke zu spenden, wenn er Präsident würde. Eine Milliarde wolle er selbst behalten, schließlich müsse er ja von etwas leben, scherzte der Kandidat.

Seit diesem Fernsehauftritt liegt er im Königsberger Gebiet bei 15 Prozent. In der Gebietshauptstadt genießt der Milliardär große Beliebtheit. Er ist der einzige Kandidat, bei dem die Zustimmung in Königsberg nicht niedriger ist als in den anderen Teilen des Gebietes. Darüber hinaus hat sich die Zahl der noch Unentschlossenen verringert. Es sind nur noch acht Prozent. Lediglich zwei Prozent der Befragten würden das Kästchen „Keiner der Kandidaten“ ankreuzen. 76 Prozent antworteten, dass sie wahrscheinlich zur Wahl gehen werden.

Während Putin in Königsberg mit 43,8 Prozent die absolute Mehrheit verfehlen würde, würde denn heute gewählt, bekäme er er laut überregionalen Umfragewerten des Levada-Zentrums in Russland insgesamt 62 Prozent aller Stimmen. Das staatliche Meinungsforschungsinstitut VZIOM geht von 52 Prozent für Putin aus, was zwar deutlich weniger, aber immer noch die absolute Mehrheit wäre. Wie in Königsberg ist in der gesamten Exklave die Zustimmung für Putin geringer als im Landesdurchschnitt. Dieses ist umso bemerkenswerter, als der Premier der Region viel Aufmerksamkeit schenkt, sich für die Realisierung neuer Projekte einsetzt und dafür aus dem Staatshaushalt immer wieder Mittel zur Verfügung stellt.

Möglicherweise liegt die Erklärung darin, dass viele Königsberger keine Verbesserung ihrer Lebensumstände spüren, weil die großen Projekte wie Sportkomplexe und Vergnügungszentren, für die gewaltige Summen ausgegeben wurden, für die Mehrheit der Bürger unerreichbar bleiben und gleichsam symbolisieren, dass der Wohlstand nicht jeden Einzelnen erreicht.

Davon können vor allem Rentner ein Lied singen. Sie bilden das Schlusslicht, obwohl Putin in regelmäßigen Abständen über Pläne zur Erhöhung der Renten spricht. Die Minimalrente beträgt umgerechnet 100 Euro, die Durchschnittsrente etwas mehr als das Doppelte. Preissteigerungen, insbesondere die steigende Energiepreise, verschlingen jede Rentenerhöhung. Außerdem liegen die Tarife für Strom und Heizung über dem durchschnittlichen Preis in der Russischen Föderation. Die Miete für eine 50-Quadratmeter-Wohnung kostet um die 100 Euro, für Lebensmittel und Arznei bleibt kaum etwas übrig. Das Existenzminimum liegt bei 300 bis 350 Euro. Jurij Tschernyschew


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