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18.02.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

ich lebe in einer norddeutschen Stadt, die dem Faschingstreiben die kalte Schulter zeigt, der Karneval findet lediglich im Saal statt. Nicht viel anders war es in meiner Heimatstadt Königsberg. Während auf dem Lande hier und da noch der „Fasteloawend“ gefeiert wurde, vor allem im Samland und in Natangen mit dem traditionellen Bügeltanz, einem Flachszauber, während im nördlichen Ostpreußen noch das Fastnachtsgericht Schuppenis, ein Brei aus Erbsen und Kartoffeln, auf den Tisch kam und dieser oder jener Brauch noch gepflegt wurde, versuchten wenigstens wir Schulkinder von diesem Tag zu profitieren. Wir schrieben „Fastnacht feiert jede Maus, drum bitten wir uns Ferien aus. Die bösen Raben sind gekommen und haben uns die Bücher fortgenommen.“ Vorsorglich hatten wir sie aber doch mitgebracht, denn nicht immer gab es schulfrei. Manchmal aber doch und dann ab nach Hause, wo Muttchen „Kroffeln“ buk, diese leckeren „Pfannkuchen mit Loch“. Muttchen schwärmte auch noch von den Fleischkrapfen ihrer Kinderzeit, aber sie hat sie leider nie gebacken. Ihre aus der Niederung stammende Schwägerin wollte sie einmal mit diesem aus dem Osten der Provinz stammenden Fastnachtsgericht erfreuen. Leider ging die Überraschung vollkommen daneben, denn Tante Trudchen hatte Berliner Pfannkuchen mit Fleischfüllung gebacken. Das Originalrezept hat mir meine Mutter leider verschwiegen.

Gefeiert wurde aber doch auf den Fastnachtsbällen und Kostümfesten und dazu gehörte in den 20er Jahren die Funkredoute. Das neue Medium Rundfunk wuss­te seine Hörer zu animieren und der Königsberger Rundfunk übertrug die Veranstaltung auf Welle 463. Die Jugend war begeistert und strömte maskiert und für die damalige Zeit schon reichlich textilfrei in die Säle. Und da beweist sich die Ostpreußische Familie wieder einmal als Schatztruhe. Vor längerer Zeit übersandte mir eine Leserin aus Rostock eine Originalaufnahme von der Funkredoute aus dem Jahr 1926 mit einer Gruppe maskierter Damen, die ihre seidenbestrumpften Beine zeigen – und das war wirklich sehr gewagt! So feierte man also Fasching in Königsberg vor 86 Jahren! Die Funkredoute war so beliebt, dass sie in den größten Saal der Stadt im „Haus der Technik“ ziehen musste, und auch hierfür habe ich einen Beleg: ein Poem aus einer Königsberger Rundfunk-Illustrierten aus dem Jahr 1929, die mir ebenfalls von einem Leser überlassen wurde. Da stellte man das Kostümfest unter das Motto „Tauentzienbummel“ und verlegte Königsberg einfach an die Spree. „Achtung, Achtung, zur Parole, Königsberg wird Metropole. Königsberg, die Stadt des Kant – und des Marzipans ,auf Rand‘ – bummelt lustig wie Berlin nächtens übern Tauentzien.“ Dann werden die Typen aufgelistet, die man erwartet, von Gletscherauge bis Asphaltblume. „Für Gefühle und Gewühle sorgen Jazzband, Bar und Diele.“ Und um die Gäste schon auf den Tauentzienbummel einzustimmen, berlinerte man: „Und das Janze kost’n Quark, kost’ sechs Mark! Darum Maske vor de Schnute und dann auf zur Funkredoute!“

Ein anderes, sehr beliebtes Kostümfest in Königsberg war das der Kunstakademie, dass die Schriftstellerin Margarete Kudnig, Ehefrau des Lyrikers Fritz Kudnig, als bunt und bewegt bezeichnete. Und sie erinnert an die Königsberger Märchendichterin Charlotte Wüstendörfer, diese so bescheidene Frau, deren gutmütiges Gesicht immer überstrahlt schien von einer sorglosen Heiterkeit. Auch sie hatte damals – und das überrascht mich sehr – die Künstlerfeste besucht, kostümiert als ährenbekränzte Roggenmuhme oder als furchterregende Märchenhexe. Ich glaube, sie muss doch eine sehr sonderbare Erscheinung gewesen sein, inmitten der knapp bekleideten Tillergirls oder Fritzi-Massary-Doubles. Aber ihre heiteren und besinnlichen Märchen, die sie damals auf ihren Lesungen in die Schulen trug, überlebten – bis heute, und sie werden gerade wieder zu neuem Leben erweckt. In einer anderen Sprache, denn der junge Literaturwissenschaftler Elias Spesivtsev übersetzt sie gerade in das Russische. Er will die Märchen aus dem Buch „Im siebenten Himmel“ zusammen mit den Märchen aus meinem ersten Buch „De Lävensstruß“ unter dem Titel „Märchen aus dem alten Königsberg“ herausbringen. Ilya, wie er sich nennt, wurde in der Pregelstadt geboren und lebt dort auch heute. Als junger Wissenschaftler hat er es sehr schwer, aber er ist mit Feuereifer bei der Sache. Und er hat sogar Plattdeutsch gelernt, denn meine Märchen sind in unserer Mundart geschrieben, so wie meine Mutter sie mir erzählt hat, als ich Kind war. Bei Charlotte Wüstendörfer handelt es sich um Märchen, die ihrer Phantasie entsprungen sind, bei meinen um Volksmärchen aus sehr alter Zeit, nur innerhalb der Familie überliefert. Für mich ein eigenartiges Gefühl, dass ausgerechnet in meiner Geburtsstadt nun meine Märchen neu verlegt werden. Selbstverständlich werde ich für das Buch, wie Ilya es wünscht, das Vorwort schreiben.

Ich habe mich überhaupt in der letzten Zeit mit meinem geliebten Platt beschäftigen müssen, denn in dieser Sprache sind auch die Dialoge in dem Buchmanuskript „Der Heilige Paul“ gehalten, mit dem der bekannte Schriftsteller Dr. Andreas Gautschi seine stattliche Rominten-Buchreihe fortsetzen will. Es handelt sich um Geschichten aus dem Leben des Forstmeisters Fritz von Saint Paul, Histörchen und Anekdoten aus der kaiserlichen Zeit. Der Schweizer lebt und wirkt heute in der Rominter Heide und trat an mich mit der Bitte heran, die plattdeutschen Stellen zu redigieren. Das war keine leichte Aufgabe, da ich aber immer im Platt jener Gegend schrieb, weil meine Mutter aus dem Kreis Stallupönen/Ebenrode stammt, glaube ich doch, dass es mir gelungen ist. Und dabei habe ich meine eigenen plattdeutschen Werke mal wieder hervorgeholt, darunter den „Ohm Willem“, dieses kleine, unscheinbare Büchlein, das einmal für ostpreußische Verhältnisse ein „Bestseller“ war. Es sind Geschichten vom Ohm Willem und de Tante Bertke, einem etwas kauzigen betagten Ehepaar, da sich ewig zargt und doch untrennbar verbunden ist. Eine Neuauflage wurde oft diskutiert, ist aber nie realisiert worden, denn der Kreis der Leser, die das niederpreußische Platt noch beherrschen oder verstehen, ist leider immer kleiner geworden. Trotzdem erreichen mich hin und wieder Anfragen nach diesen heiteren Vertellkes, und so will ich heute eine Kurzgeschichte aus dem Büchlein bringen und hoffe damit den Landsleuten, die immer wieder um plattdeutsche Beiträge bitten, eine kleine Freude zu machen.

Ach ja, unsere ostpreußische Sprache. Da hatten wir nach dem Ausdruck „ponatschen“ gefragt, den eine Leserin aus Reutlingen erklärt haben wollte. Ihr aus Schippenbeil stammender Vater hat dieses Wort oft gebraucht, wenn sein Nachwuchs immer durcheinanderquatschte. Ich kannte das Wort nicht, konnte es auch in keinem ostpreußischen Vokabular finden und so musste ich unsere Leser befragen. Und siehe da, wir wurden fündig. Aus Schwerinsburg meldete sich Frau Eva Rüdiger. Die eifrige Leserin, die es immer kaum erwarten kann, bis am Freitag unsere Zeitung kommt, kennt den Ausdruck aus ihrer Kindheit im Kreis Heiligenbeil: Ihre Eltern und Großeltern haben das Wort oft benutzt, ebenso schabbern, brabbeln und braschen. Wenn jemand viel dummes Zeug redete, sagte ihr Großvater „Ponaschkopp“. Auch die Kinder haben alle diese Wörter benutzt. Und Herr Johann-Willy Matzpreiksch aus Mannheim-Seckenheim erklärte die Bedeutung des Wortes „ponatschen“ mit „herrisch streiten, Recht behalten wollen“. Es hat seinen Ursprung in den westbaltischen Sprachen, „Ponas“ bedeutet auf Litauisch „Herr“. Da aber das Wort den Zuschriften nach im altpreußischen Sprachraum gebräuchlich war, wird es wohl in dieser Form aus dem Prussischen kommen. Ein Dankeschön für alle, die dazu geschrieben haben.

Das gilt auch für Herrn Heinz Schirrmacher, der zu einer Suchfrage in der Folge 51/2011, der Weih­nachtsausgabe der PAZ, etwas aussagen kann. Es ging um die Eheleute Gertrud und Bruno Schloemp, die von Frau Christel Rau geborene Stadie gesucht wurden, weil sie nach ihrer Vermutung das Hochzeitspaar sind, das ein gerettetes Foto aus Familienbesitz zeigt. Die Schloemps sollten nach dem Krieg im Weserbergland gelebt haben. Nun meldete sich Herr Heinz Schirrmacher, der in der Gemeinde Bodenfelde wohnt, in jenem Weserstädtchen, in dem das gesuchte Ehepaar eine Schlachterei hatte. Leider sind Gertrud und Bruno Schloemp inzwischen verstorben, ebenso ihr Nachfolger Axel Stadie. Dessen Großvater – so weiß Herr Schirrmacher – hatte eine Fleischerei in der Straße Alter Garten in Königsberg. Er kann sich genau daran erinnern, weil seine Eltern dort immer ihre Einkäufe tätigten. Nach Aussagen des verstorbenen Axel Stadie war Frau Schloemp in jungen Jahren als Verkäuferin in Königsberg tätig gewesen. Soweit die Angaben von Herrn Schirrmacher, die Frau Rau aber kaum weiterbringen werden, denn ihr war bekannt, dass das Ehepaar in Bodenwerder lebte: Jener Axel Stadie war nämlich ihr Bruder. Trotzdem dürfte Frau Rau an der Zuschrift sehr interessiert sein und vielleicht bringt ein Erfahrungsaustausch mit Herrn Schirrmacher doch neue Erkenntnisse.

In der Weihnachtsausgabe hatten wir auch das Foto aus dem blühenden Garten von Frau Rosemarie Pakleppa gebracht. Da dieser in Südafrika liegt und wir einen Bezug zu Weihnachten haben wollten, wählten wir die Unterschrift „Statt Mohnstriezel blühender Mohn“. Fand ich sehr passend, war es aber leider nicht, denn als waschechte Ostpreußin hat Frau Pakleppa doch Mohnstriezel gebacken, auch im heißen Südafrika, das macht sie immer und niemand kann sie davon abhalten. Denn „alle Nachbarn, die mir mit Rat und Tat übers Jahr zur Seite gestanden haben, egal ob sie Englisch oder Afrikaans sprechen, sind an unseren Mohnstriezel gewöhnt und wären sehr enttäuscht, wenn er nicht am 25. Dezember auf ihrem Tisch stehen würde“. Aber sie hat sich doch gefreut, als eine alte Freundin aus Schirwindter Tagen aus Siegen anrief und ihr von dem Mohnbild in der Ostpreußischen Familie berichtete. Viele liebe Grüße nach Paarl in Südafrika.

Mohnkuchen abgehakt, jetzt geht es auf Ostern zu. Und da hat Herr Günther Papke aus Rickling eine spezielle Frage an unsere Ostpreußische Familie, nämlich nach traditionellem ostpreußischen Ostergebäck. Er benötigt das oder die Rezepte nämlich für einen Vortrag über „Alte Bräuche und traditionelle Rezepte zu Ostern aus Ostdeutschland“ in der Volkshochschule Rickling. Rezepte kenne ich nur eines, das von unsern Gründonnerstagskringeln, ohne die es nicht Ostern werden konnte. Aber sonst sind mir heimatliche Osterrezepte unbekannt. In einem ostpreußischen Kochbuch fand ich eine Ostertorte, aber da handelt es sich um eine Biskuittorte mit Cremefüllung und Apfelsinen – oder Ananasstückchen, das hört sich nicht gerade nach traditionellem ostpreußischem Ostergebäck an. Nun ist es aber möglich, dass es in einigen Teilen unserer Heimat doch ein spezielles Ostergebäck gegeben hat, vielleicht im Ermland oder in Masuren. Auch an Ostergerichten ist Herr Papke interessiert. Ich weiß nur noch, dass man am Karfreitag kein Fleisch auf den Tisch bringen durfte, dafür aber Gerichte mit grünen Kräutern wie Sauerampfersuppe. Über Bräuche wie Schmackostern und Osterwasserholen haben Herr Papke und ich schon gesprochen. Wer weiß noch mehr? (Günther Papke, Schwalbenweg 10 in 24635 Rickling, Telefon 04328/17152, Fax 04328/170645, E-Mail: guepari@aol.com)

Eure Ruth Geede


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