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18.02.12 / Die guten Dinge. Von uns. Von hier / Das Salzkammergut ist eine der ältesten und vielfältigsten Handwerksregionen Europas

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Die guten Dinge. Von uns. Von hier
Das Salzkammergut ist eine der ältesten und vielfältigsten Handwerksregionen Europas

Schöner als im Salzkammergut kann es in Österreich gar nicht sein. Ganze 76 größere und kleinere Seen liegen in der Bergregion, die ihre Blüte dem Salz und dem Tourismus verdankt.

Die Wirkung von Solebädern an erkrankten Salinenarbeitern sprach sich bald bis nach Wien herum – und bewirkte Wunder. Nach jahrelanger kinderloser Ehe half das Ischler Heilbad Habsburgs Erzherzogin Sophie, hintereinander drei Knaben zu gebähren. Als erster der „Salzprinzen“ erblickte der spätere Kaiser Franz Joseph I. am 18. August 1830 das Licht der Welt. Er sollte Ischl ein Leben lang die Treue halten, machte das Bad von 1849 bis 1914 zum kaiserlichen Sommerdomizil, wo er sich 1853 in Sisi verliebte und kurz darauf auch mit ihr verlobte.

Dem Kaiser folgte die damalige Prominenz in die Sommerfrische. „Diese ersten Touristen waren eine kaufkräftige Kundschaft“, so die Historikerin Barabara Kern, „sie haben sich nicht darauf beschränkt, ein paar Tage die schöne Landschaft anzuschauen. Sie waren zwei bis drei Monate da, haben sich ihre eigenen Häuser gebaut, ihre eigenen Villen, kamen mit Sack und Pack, mit Kind und Kegel, mit Tischwäsche, mit Geschirr.

Und sie wollten natürlich schöne Dinge haben, zum Beispiel eine schöne Veranda, ein schönes schmiedeeisernes Geländer. Dazu wollte man so gekleidet sein wie die Einheimischen, natürlich aufgemotzter. Damit begann der Aufschwung für das Handwerk in der Region. Und zwar zu einem Zeitpunkt, wo überall sonst in Europa das Handwerk auf dem absteigenden Ast war, weil Maschinen begannen, es zu ersetzen. Handwerker aus anderen Teilen der Monarchie, ja sogar Schneider aus Berlin, kamen ins Salzkammergut und ließen sich nieder. Und bis heute gibt es im Salzkammergut sehr viel und erstaunlich vielfältiges Handwerk, mehr als anderswo“, erläutert Kern.

Bescherte die Donaumonarchie dem Salzkammergut auch ein „goldenes Zeitalter“, begründet hat sie deren Handwerk nicht. So existiert am Krautberg in Bad Aussee die älteste Hutmacherei Europas, in der seit 480 Jahren ohne Unterbrechung original Ausseer Hüte entstehen. „Natürlich würde maschinell alles schneller gehen“, sagt Alexander Reiter, der seit 2010 den Betrieb in bewährter Form weiterführt, „aber mein Großvater hat mir vor 25 Jahren gezeigt, wie man es ihm beigebracht hat, und ich will es meinem Sohn weitergeben.“ Warum auch sollte er etwas ändern? Der kleidsame Ausseer Hut ist begehrt: Der Dalai Lama hat einen, ebenso Caroline von Monaco und Arnold Schwarzenegger sowie die hundert Musikkapellen und Trachtenvereine im gesamten Alpengebiet.

Ob Hut, Dirndl, Lederhose oder Schuhe Marke Goiserer – die traditionelle Tracht nach Maß und von Hand gefertigt ist im Salzkammergut damals wie heute ein hoch geschätztes Gut. Ihre Betriebe sind Klassiker der Region, meist alteingesessen, doch es gibt auch Neugründungen. Überraschen könnte da höchstens noch der Preis. Wer ein auf den Leib geschneidertes Dirndl will, kann dieses nach relativ kurzer Zeit ab 400 Euro sein Eigen nennen. Wer jedoch eine „Kracherne“ begehrt, muss nicht nur Geduld, sondern auch das nötige Kleingeld haben. Die Wartezeit für eine Lederhose liegt oft bei mehreren Jahren, der Preis im Schnitt bei 5500 Euro. Kein Wunder also, dass Lederhosen begehrte Erbstücke sind.

Wer jedoch weiß schon, dass auch Geigenbau zum klassischen Handwerksberuf im Salzkammergut zählt und Goisern dabei die erste Geige spielt. Um 1735 setzte hier der Geigenbau ein, erlebte von 1750 bis 1780 einen wahren Boom und hat sich bis heute ununterbrochen erhalten. „Die anfänglichen Bauerngeigen, wie man heute sagen würde“, so Barbara Kern, „waren qualitativ bereits sehr hochwertig. Man nannte sie daher gerne Goiserer Stradivaris.“ Gegen Ende des 18. Jahrhunderts avancierte die Geige zum Träger der Volksmusik und ist daraus nicht mehr wegzudenken. „Wir haben jetzt wieder einen Aufschwung“, fährt die Historikerin fort, „es gibt nämlich in Hallstatt eine Holzfachschule mit einer 1989 gegründeten Abteilung für Instrumentenbau, die seitdem von Schülern aus ganz Österreich und darüber hinaus besucht wird. Somit gibt es jetzt wieder vier Geigenbauer in Goisern, und zwar junge.“

Einer von ihnen ist Robert Grieshofer, der im ehemaligen Seifensiederhaus seine Werkstatt hat. Zusammen mit seinem Schwager repariert er Streichinstrumente, fertigt aber auch neue an. „100 bis 200 Stunden braucht man für einen Geigenneubau“, erklärt Grieshofer, „dieser entsteht meist ohne Auftrag, sondern für Interessenten, die sie borgen, ausprobieren und dann möglichst auch kaufen.“ Die Klientel ist ganz unterschiedlich. „Umlagerten einst Zigeuner die Werkstätten der Geigenbauer“, so Grieshofer, „sind es heute auch gute Musikschüler, Studenten oder Pensionäre, die Freude daran haben, noch ein neues Instrument zu erlernen.“ Zwar sind die Goiserer Geigen vielfach nicht so fein und raffiniert gebaut, haben aber dennoch einen schönen Cha­rakter und sind nicht nur Insidern im Salzkammergut ein Begriff, sondern der Geigenszene in ganz Österreich.

Einblicke in regionale Handwerkskunst gibt das „Hand.Werk.Haus“ in Bad Goisern, in dem 16 Meisterbetriebe ihre Arbeit in einer Dauerausstellung präsentieren und die Dirndlschneiderin Ulli Salveter sogar ihr Atelier betreibt (www.handwerkhaus.at). Weiter empfehlenswert ist ein Blick in den Katalog „Meisterstraße Österreich“ mit rund 350 Qualitätsbetrieben aus sechs österreichischen Bundesländern (www.meisterstrasse.at). Helga Schnehagen


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