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18.02.12 / Ein Spaß für jeden Geldbeutel / Hausboote und Ferienhäuser auf dem Wasser – Teurer Reiz der Illusion von Beweglichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Ein Spaß für jeden Geldbeutel
Hausboote und Ferienhäuser auf dem Wasser – Teurer Reiz der Illusion von Beweglichkeit

Seit Jahrzehnten leben in Amsterdam nicht nur Grünalternative oder Aussteiger auf alten Flusskähnen, die zu Wohnungen ausgebaut sind. Auch Leute mit bürgerlichen Berufen und Familien lieben das Leben auf Kanälen umgeben von Wasservögeln. Dabei ist das Leben auf dem Wasser nicht einfach, besonders im Herbst und Winter sogar ungemütlich. Was macht den Reiz dieses Lebens aus?

Ein bekannter Vertreter dieser Lebensform ist der Sänger Gunter Gabriel (70), der mit seinem Musical über Jonny Cash gerade an alte Erfolge anknüpft. Der Musiker, der vor einigen Jahren wegen seiner Schulden durch eine Privatinsolvenz gehen musste, ist seit zwölf Jahren ein Fan des Lebens auf dem Wasser. Er lebt auf einem alten Kahn im Harburger Industriehafen, wo es nicht sehr romantisch ist. Aber das Leben auf seinem Boot ist billig und hat ihn – gerade in der zurück­liegenden schwierigen Zeit – sozusagen über Wasser gehalten.

Vor einiger Zeit überlegte Gabriel in die Hamburger Innenstadt umzuziehen. Dort liegen im Eilbek-Kanal, keinen Kilometer von der Außenalster entfernt, neuerdings schicke Hausboote. Es sind eher Villen auf dem Wasser als Hausboote. Mit Wohnflächen von 100 Quadratmetern und mehr bieten sie allen Wohnkomfort eines modernen Einfamilienhauses. Bei dem monatlichen Preis einer Kaltmiete von über 2000 Euro schreck­te Gabriel jedoch zurück.

Ein Manko der neuen und schicken Wasserhäuser bemängelte der Sänger besonders: Sie sind nicht beweglich, also echte Immobilien. Die hohen Aufbauten der Boote verhindern, dass sie unter Brücken hindurchpassen. So liegen sie fest verankert am Ufer. Ihre Bewohner stört das kaum. Sie schwärmen vom herrlichen Blick auf den Kanal, die Wasservögel, die beim Frühstücken Guten Morgen sagen. So auch Martin Müller-Wolf (39), der sich als Innenarchitekt mit seinem Hausboot einen Traum erfüllte. 1800 Euro Pacht muss er jährlich für seinen Liegeplatz an die Stadt bezahlen. Sein Nachbar Peter Papst, von Beruf Kameramann, wohnt mit seinen zwei Kindern auf einem ausgebauten Schiff. Die beiden Kinder finden das Leben auf dem Wasser toll. Die Kanus und Surfbretter sind im Sommer ständig im Einsatz.

Zu Beginn, berichten die Hausboot-Bewohner, habe es allerdings viel Ärger mit den Anwohnern gegeben. Mit Eiern seien sie beworfen und als „reiche Yuppies“ beschimpft worden. Schließlich habe Müller-Wolf ein Schild aufgestellt, dass auch er ein hart arbeitender Mensch sei. Auch Ruderer zeigen sich genervt von den neuen Wasserbewohnern, weil die Boote mit den langen Riemen nicht mehr richtig zwischen Ufer und Hausboot hindurch passen; Spaziergänger vermissen die frühere ruhige Idylle am Kanal, der jetzt bewohnt wird.

Deutlich wird hier, wie unterschiedlich die Konzepte der neuen Wasserbewohner sind. Während Gabriel für die kleine und arme Gruppe von Individualisten steht, die sich auf einem abgelegenen Kanal oder Hafengebiet ihre eigene, etwas verkommene Welt bauen, streben wohlhabendere Stadtbewohner andere Ziele an. Sie lassen sich von Architekten ihr Haus „designen“ – und die sehen in der Tat ziemlich futuristisch aus.

Solche Häuser finden sich inzwischen nicht nur in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Leipzig, sondern überall an deutschen Küsten oder auf großen Seen. Auf dem Berliner Müggelsee oder nahe der Humboldtinsel schwimmen heute Hausboote in der Hauptstadt. Auf der Insel Rügen in Gager, auf dem Darß in Kröslin oder in Barth liegen Hausboote.

Der Verkauf läuft gut, berichteten kürzlich die Projektplaner auf der Messe „Hanseboot“ in Hamburg. Die angebotenen Wasserhäuser sind in der Regel nach kurzer Zeit ausverkauft. Feriengäste können die Hausboote für Preise zwischen 79 und 139 Euro pro Tag mieten, um selber einmal das Erlebnis zu haben, Urlaub auf dem Wasser zu verbringen. Für diese stolzen Preise stehen allerdings oft nur Wohnflächen von 40 oder 50 Quadratmetern zur Verfügung, was Touristen oft genug als einschränkend empfinden. Die „Nautilus Hausboote“ bieten beispielsweise nur 32 Quadratmeter Wohnfläche; andere Haustypen sind geringfügig größer – und dies bei Anschaffungspreisen von 250000 Euro und mehr.

Gunter Gabriel löste das Problem des begrenzten Platzes auf seine Weise. Er ließ an sein Schiff einfach ein vier Meter langes Stück Stahl anschweißen und hat nun mehr Platz. Das war bedeutend billiger als ein teures Hausboot. Und endlich ist auch genug Platz für seine riesige Bibliothek. Denn Bücherlesen mit dem Blick aufs Wasser ist seine Leidenschaft, wenn er nicht gerade auf einer Bühne steht und singt. Hinrich E. Bues


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