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18.02.12 / Suche nach »Glutkern« / Abendland und die Griechen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Suche nach »Glutkern«
Abendland und die Griechen

Hinter einem kaum verständlichen Buchtitel („Was wir wollen können“) verstecken sich zuweilen spannende Einsichten. Harald Seubert (geboren 1967) gehört einer jüngeren Generation von Kulturphilosophen an, die versuchen, die bürgerliche und konservative „Mitte“ neu zu klären. Um einen „begründeten Konsens – in europäischer und globaler Perspektive“ geht es dem Autor, der seit 2010 auch Präsident des Preußeninstituts ist und seit 2011 das konservative Studienzentrum Weikersheim leitet.

In einer Zeit, wo es immer unklarer wird, was eigentlich „konservativ“ oder „bürgerlich“ heißt, bietet uns Seubert den Dienst eines Philosophen an, der wesentlich tiefer schürfen kann als beispielsweise der Ex-Politiker Roland Koch in seinem Buch „Konservativ“. Wer etwas konservieren, also bewahren will, muss von der Qualität bestimmter Werte, Zustände, Lebensformen oder Einstellungen im Lichte der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überzeugt sein.

Wo aber findet der Mensch für diese Überzeugungen hinreichende Gründe? Wenn eine linke Partei wie die Grünen sich plötzlich als „bürgerlich“ verstehen will, sich wie im Falle von Stuttgart 21 als „Wutbürger“ ausruft, dann setzt hier eine Begriffsverwirrung ein, der nach Seuberts Analyse ein Riegel vorgeschoben werden muss.

Zwei Schneisen schlägt Seubert dazu in den Dschungel der Ideengeschichte Europas. Erstens in die Welt der griechischen Philosophie, wo vor 2500 Jahren die Grundgedanken von Demokratie, Vernunft und universalem Recht entstanden sind. Zweitens legt Seubert den Blick frei auf das sogenannte „christliche Abendland“, wo mit der christlich-jüdischen Lehre von der Gottesebenbildlichkeit und der Menschwerdung Gottes, die Fundamente für Menschenwürde und universale Freiheit gelegt wurden. Schneidet sich Europa von diesen Wurzeln ab, wie erstmals in der Französischen Revolution von 1789, dann bringe die von ihren christlichen Wurzeln getrennte Aufklärung „ein Ungeheuer“ hervor. Ein Ungeheuer, das dann zu einem Monster in Form des Kommunismus und Nationalsozialismus heranwuchs. Ein Meer von Menschenblut war die Folge. So gesehen ist es auch kein Zufall, dass sich sowohl Nationalsozialisten als auch die Partei „Die Linke“ als ausgesprochen antibürgerliche Parteien verstehen.

Positiv betrachtet sind die Links- und die Rechtsextremen sogar so etwas wie die notwendigen Orientierungsmarken für ein konservatives oder bürgerliches Denken. Denn niemand kann eine Mitte und ein Ziel identifizieren, der nicht klar weiß, wo rechts und wo links ist, wovon er sich abgrenzen muss.

In dieser Orientierungsfrage hebt Seubert einerseits die preußische Staatsidee hervor und spricht von der „pazifizierenden Substanz des Rechtsstaates“. Andererseits plädiert der Autor gegen eine zunehmende „Vergötzung der Toleranz“ und hofft auf eine Erneuerung der Menschen aus dem christlichen Glauben. Koppele sich Europa weiter von dieser Quelle ab, so werden Eigensucht, Nützlichkeitsdenken und Orientierungslosigkeit weiter um sich greifen. Eine Zivilreligion könne sich nie auf wahllosen Pluralismus aufbauen, sondern müsse auf einem Wertekanon fußen, den auch ein Agnostiker wie Jürgen Habermas als „Glutkern“ unserer Zivilisation bezeichnete. Hinrich E. Bues

Harald Seubert: „Was wir wollen können. Bürgerliche Identität im 21. Jahrhundert“, Inspiration Verlag, Hamburg 2012, 224 Seiten, 19,90 Euro


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