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18.02.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-12 vom 18. Februar 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Besser lügen / Wie man die Schuld Deutschlands vorbereitet, was es mit Geschichte auf sich hat, und weshalb wir mit dem BKA unzufrieden sind

Was für eine Freude: Eben noch sollten sich die Deutschen gefälligst kleinmachen, sich unterordnen. Nun aber, in der lodernden Euro-Krise, wollen offenbar alle unter unseren Rock. Immer emphatischer heben europäische Politiker und Kommentatoren die „herausragende Stellung Deutschlands“ hervor. So bedeutend wie seit Bismarcks Tagen sollen wir wieder sein. Oder bedrohlicher als bei Hitler, aber über solche Sprüche lachen wir eher, als dass sie uns ärgern. Wie finden wir das? Die guten Umfragewerte für Angela Merkel erzählen, dass wir Deutsche die uns angetragene Bedeutsamkeit wohlig genießen.

Aber Vorsicht: Spätestens, als sogar der polnische Außenminister verlauten ließ, ihn ängstige deutsche Führung längst nicht so sehr wie deutsche Untätigkeit, hätten wir hellhörig werden müssen. Deutsche Führung! Den Begriff brachten Warschaus Mächtige bis vor kurzem kaum ohne Brechreiz über die Lippen. Und nun das? Da ist doch was faul.

Lenken wir den Blick kurz zur Seite, dort entdecken wir tatsächlich ein perfides Zusammenspiel: Die Rolle Deutschlands wird nämlich in genau dem Maße größer geredet, wie der rasende Euro-Karren dem Abgrund näherkommt. Kurzum: Da wird keine Führungsmacht erkoren, da wird vorsorglich ein Schuldiger gesucht. Denn die Vorstöße, die das angeblich so mächtige Berlin macht, werden auf europäischer Ebene ebenso grinsend zerknüllt wie alle deutschen Forderungen als herrschsüchtige Anmaßung abgeschmettert werden. Germania sitzt nicht am Steuer, sondern kauert vorn auf der Kühlerhaube. Das ist zwar durchaus der „herausgehobenste“ Platz, den ein Auto zu bieten hat, aber auch der härteste und gefährlichste. In Filmkomödien landen da immer nur die Oberdeppen, um an der nächsten Kurve von dort in die Jauchekuhle zu segeln.

Mit Schuldvorwürfen gegen Deutschland hat man in Europa Erfahrung. Daher weiß man, dass ein solches Urteil sorgsam und von langer Hand vorbereitet werden muss. Denken Sie an den Ersten Weltkrieg. Da fingen sie schon viele Jahre vor dem ersten Schuss an, die Verurteilung vorzubereiten. Da wurde sogar angeführt, dass sich Deutschland eine Flotte zugelegt habe, womit es lediglich zu den anderen Großmächten aufschloss, denen das Gleiche niemand vorwarf. Doch wenn man nichts Triftiges findet, muss man mit solch hässlichen kleinen Ungereimtheiten eben leben. Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs hatten damit keine Schwierigkeiten.

So war der Schuldspruch, den man den Deutschen 1919 in Versailles auf den Tisch knallte, in den Grundzügen schon lange fertig, bevor ein serbischer Terrorist den Krieg 1914 ausgelöst hat.

Wenn dereinst italienische Inflationsbanker, griechische Zahlentrickser und französische Sozialromantiker den Euro zerstört haben werden, sind sie nicht weniger gut vorbereitet als ihre Vorgänger 1919. Allein der Verweis auf die „herausragende Stellung“, die Deutschland im Euro-Raum genossen habe („Bedeutender als zu Bismarcks Zeiten!“), wird ausreichen, um den wahren Schuldigen an dem Jahrhundertdesaster zu identifizieren. Anfangs könnte es in Deutschland noch Widerstand geben gegen die Schuldzuweisung. Doch nach hiesiger Tradition werden sich bald „kritische Historiker“ und „unbequeme Querdenker“ finden, welche das Urteil gegen Deutschland eins zu eins übernehmen und bald die öffentliche Meinung beherrschen.

Geschichte geschieht eben nicht einfach, sie wird gemacht. Daher ist Geschichte auch nicht eine möglichst korrekte Wiedergabe der Vergangenheit, sondern „die Lüge, auf die man sich geeinigt hat“. Das soll Voltaire gesagt haben, andere sprechen das Zitat Churchill zu. Egal, beides schlaue Leute – auf ihre Art. Wir Deutsche einigen uns jedenfalls gern mit unseren Nachbarn.

Allerdings steht nach heutiger Erfahrung zu befürchten, dass sich in den dunklen Ecken der deutschen Historikerzunft einzelne Widerstandsnester bilden, welche mit Hinweis auf die „Faktenlage“ die deutsche Schuld (zunächst Haupt-, später Alleinschuld) am Euro-Desaster bestreiten dürften. Was ist zum Beispiel davon zu halten, werden sie fragen: 2012 warfen die Griechen den Deutschen vor, dass sie ihnen 2002, bei Hellas’ Euro-Eintritt, vertraut hätten und Athens Tricksereien nicht sehen wollten. Und dann machten dieselben Griechen im gleichen Atemzug den Deutschen zum Vorwurf, dass sie ihnen eben wegen der vorherigen Lügerei 2012 nicht mehr vertrauen wollten.

Ähnlich widersprüchlich ist eigentlich alles, was derzeit an Forderungen auf die Deutschen einprasselt: Seid sparsam, damit ihr weiter Europas Stabilitätsanker sein könnt, aber spart bitte nicht so viel. Macht euch fit für den internationalen Konkurrenzkampf, damit Europa nicht hinter China, Indien und Co. völlig in der Versenkung verschwindet, aber seid bitte nicht so er­drückend konkurrenzfähig. Und so geht es weiter.

Hinweise auf solche Sperenzien werden nicht hilfreich sein, wenn es darum geht, die Deutschen für Europas kommendes Chaos verantwortlich zu machen. Daher wäre es am Vernünftigsten, man reinigte die Archive rechtzeitig von derlei störenden Indizien.

Am besten überlässt man die Indizienvernichtung den Deutschen selbst, die gelten ja als besonders gründlich. Oder etwa nicht? Seit Neuestem sind Zweifel angebracht, denn die Vernichtung von Beweisen gelingt ja nur dann richtig, wenn es hinterher so aussieht, als hätten sie nie existiert. Und da sind die Deutschen offenbar ziemlich schlampig.

Mit Händen und Füßen versucht der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, eine peinliche Enthüllung vom Tisch zu kriegen. Laut „Bild am Sonntag“ („BamS“) hat sein Amt einen Polizeibeamten beauftragt, die Handy-Daten des wohl engsten Vertrauten der „Zwickauer Zelle“ verschwinden zu lassen. In den Daten finden sich laut „BamS“ vermutlich Hinweise darauf, wer dem Trio zur Flucht verholfen habe. Umso erstaunlicher sei es, dass „die (vom BKA) ausgewerteten Handy-Daten bisher nicht in das Ermittlungsverfahren eingebracht wurden, also der Justiz zur Verfügung stehen“.

Ja, wirklich erstaunlich. Andererseits: Auch nicht erstaunlicher als die gesamte Geschichte des Dreierbundes. Apropos: Was war „Geschichte“ noch gleich? Richtig. Denn als reale „Vergangenheit“ kann man sich kaum vorstellen, dass zwei mehr oder minder intelligente Fanatiker jahrelang ein „perfektes“ (also unaufklärbares) Verbrechen nach dem anderen begehen, dass ihnen Geheimdienstler aus nächster Nähe zusehen, ohne etwas zu bemerken, dass die Mörder ein recht luxu­riöses Untergrundleben führen können, ohne über nennenswerte Einkünfte zu verfügen. dass sich niemand mehr für Zeugenaussagen interessiert, nach denen ein dritter Mann aus dem Fahrerhaus des Wohnmobils geklettert sein soll, bevor dieses in Flammen aufging und so weiter.

Zum Glück sind die beiden tot. Denn nachdem sie jahrelang eiskalt zehn Menschen niedergestreckt haben, erschossen sie sich aus purer Panik darüber, dass sich ein normal bewaffneter Polizist ihrem mit Waffen vollgestopften Wohnmobil näherte. So können die Mordbuben die „Ermittlungen“ nicht mehr stören. Und die Dritte im braunen Bunde soll ja schon vor Jahren Kontakt zu den Geheimdiensten aufgenommen haben (wofür sich auch niemand mehr interessiert). Von der darf man also ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft erwarten.

Trotzdem nervt die Sache. Sehr kompetent scheinen die Akteure nicht gerade vorzugehen. Eine „Geschichte“ muss wie jede gute Lüge zumindest schlüssig sein. Das Publikum ist verwöhnt. Wir haben es nicht gern, wenn der Erzählstrang alle naselang von irgendwelchen „Enthüllungen“ oder gar „Widersprüchen“ zerrissen wird. Also, bei der nächsten „Braune Armee Fraktion“ erwarten wir etwas mehr Sorgfalt!


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