26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.02.12 / Dispo weitgehend ausgereizt / Viele Kommunen häufen weiter Schulden an – Negativrekord trotz guter Konjunktur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-12 vom 25. Februar 2012

Dispo weitgehend ausgereizt
Viele Kommunen häufen weiter Schulden an – Negativrekord trotz guter Konjunktur

Der Deutsche Städtetag warnt vor der wachsenden Kluft zwischen reichen und armen Kommunen. Zu stark verschuldete Gemeinden sind auch jenseits der Neuen Länder oder strukturschwacher Regionen zu finden. Nur die Süddeutschen kämpfen seltener mit kommunaler Not. Dass vom Strukturwandel weg von Kohle und Stahl betroffene Orte wegen jahrzehntelanger hoher Sozialausgaben in finanzieller Schieflage sind, ist nicht neu. Doch wenn selbst wettbewerbsfähige Stahlstandorte wie in Krefeld schließen müssen, weil die Energiekosten durch die Klimapolitik nach oben schießen, verschärft das für manche Gemeinde im Westen die Lage. Gerade in Nordrhein-Westfalen nehmen kurzfristige Kredite der Gemeinden zu. Kassenkredite, die einst wie ein privater Dispokredit einem Ort überbrückend helfen sollten, sind längst Dauerinstrument. Zwar sind jüngst vielerorts Defizite zurückgegangen und Einnahmen gestiegen, doch der Städtetag weist darauf hin, dass immer mehr Gemeinden ihren Betrieb nur mit kurzfristigen Überziehungskrediten aufrecht erhielten: Bundesweit belaufen diese sich auf 44,3 Milliarden Euro, ein neuer Negativrekord.

In der Hackordnung des Föderalismus, die stets auf der Aufteilung von Geld zwischen Bund und Ländern beruht, stehen die Gemeinden zahnlos am untersten Ende. Ob Volkszählungen von höherer Warte angeordnet und auf kommunaler Ebene finanziert werden müssen oder neue Gesetze wie das Recht auf Kinderbetreuung sozialen Mehraufwand für die Gemeinden vorsehen, sie laufen Gefahr, auf den Kosten sitzenzubleiben.

Der Städtetag sieht die neuen kommunalen Finanznöte vor allem in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, im Saarland, in Hessen und in Sachsen-Anhalt. Viele Orte können sich dort nicht mehr selbst helfen, und dass, obwohl die Gesamtkonjunktur vorteilhaft ist. Krefeld steht noch gut da. Mönchengladbach hat über eine Milliarde Euro Schulden, muss aber in den Sozialfonds Deutsche Einheit einzahlen.

Die Bertelsmann Stiftung untersuchte jetzt 412 Kreise und kreisfreie Städte auf Kinderarmut. Auffallend an der Studie ist, wie von staatlicher Hilfe abhängige Kinder und kommunale Verschuldung zusammenfallen. Orte mit vielen Kindern, deren Eltern staatliche Transferleistungen empfangen, geraten oft in Finanznot. Soziale Landesprojekte wie das nordrhein-westfälische „Alle Kinder essen mit“ ändern kaum, dass die Sozialaufgaben mancherorts die Gemeinden erdrücken. Sparen diese nicht rechtzeitig, droht die Fremdverwaltung. Dafür, dass sie an den Sozialausgaben kaum sparen können, sorgen wiederum Gesetze.

Gemeinden in Süddeutschland haben weniger Probleme. Sie sind geschichtlich durch eine andere Gemeindeordnung bevorzugt: Der Einfluss der Verwaltung in der Kommunalpolitik ist geringer, auch haben Bayern und Baden-Württemberg eher das Prinzip „wer bestellt, bezahlt“ umgesetzt. Das gilt theoretisch auch für andere Länder, doch musste in Rheinland-Pfalz jüngst das Landesverfassungsgericht zugunsten der Kommunen den Finanzausgleich klären. Die Sozialausgaben bleiben aber das Hauptproblem. Viele Gemeinden sind zudem mit ihren Bereitstellungspflichten im öffentlichen Verkehr, bei Krankenhäusern und Schulen überfordert. Das Auslaufen des Konjunkturpakets II dürfte die Neuverschuldung mancherorts weiter steigen lassen, denn mit dem Ende dieser Förderung durch den Bund 2011 müssen die Gemeinden selbst mehr investieren. SV


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren