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25.02.12 / Eine Liebe zwischen Trümmern / Der polnische Kinofilm »Róza« schockt durch ungewohnte Sicht auf Ostpreußen 1945 – Massengeschmack dennoch befriedigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-12 vom 25. Februar 2012

Eine Liebe zwischen Trümmern
Der polnische Kinofilm »Róza« schockt durch ungewohnte Sicht auf Ostpreußen 1945 – Massengeschmack dennoch befriedigt

Nach Jahrzehnten bleiernen Verschweigens setzt sich die tschechische Öffentlichkeit heute zunehmend kritisch mit der Vertreibung der Deutschen auseinander. Dass die Massaker an einem Teil der eigenen Bürger kein Tabuthema mehr sind, belegt – nur als Beispiel herausgegriffen, man könnte andere wählen – der Spielfilm „Habermann“, der 2010 als erste tschechisch-deutsch-österreichische Koproduktion wenigstens am Rande die Austreibung der Deutschen zeigte, und das ohne Weichzeichner.

Und in Polen? Dieser Tage bekommt das Kinopublikum zwischen Oder und Bug einen Spielfilm zu sehen, der den gewaltsamen Bevölkerungsaustausch in Ostpreußen 1945 als Hintergrund hat und schon im Vorfeld mit viel Lob und Anerkennung bedacht wurde. Auf dem War­schau­er Filmfestival im Ok­tober gewann der Film eines Regisseurs der mittleren Generation, Wojciech Sma­rzows­ki, den Publikumspreis: „Róza“. „Wiedergeburt des polnischen Kinos“, „endlich ein polnischer Film mit Sinn! Wajda kann was lernen!“, „endlich ein Film, der anders ist“, „ein sehr starker und guter Film, der die wahren Ereignisse beschreibt“, „sehr wahrhaftig und sprengt die uns eingebleuten Stereotype, dass der Pole gut, der Deutsche böse und der Russe ein Freund ist“ – so überschwenglich äußern sich die Zuschauer in den Kommentarspalten der Tagespresse. Die wiederum hat den Film ausgiebig besprochen und einhellig gelobt als bahnbrechende „Entmythologisierung der Vorstellungen über uns selbst“ („Rzeczpospolita“), weil er „uns konfrontiert mit dem Bösen bei uns“ („Gazeta wybor­cza“).

Das Drehbuch für den Film schrieb der in Masuren lebende Michał Szczerbic auf Grundlage von mündlichen Überlieferungen der Einheimischen. Smarzowski hat daraus einen Film gemacht, der mit im polnischen Kino noch nie dagewesenem mitleidlosen Naturalismus die Grausamkeiten nach Kriegsende zeigt, als der Krieg unerklärt weitergeht – und auf Trümmern ein neues Polen im Entstehen ist. Endlose, bestialische Vergewaltigungen der Frauen, Rauben, Morden, Brandstiftungen, sinnloses Wüten rohester Gewalt, „ethnische Säuberung“ – verübt von allen Akteuren: von Roter Armee, polnischen Plünderern und den Geheimdiensten NKWD und polnischer SB. Dazu das namenlose Elend der Heimatlosen.

„Das Böse hat hier keine bestimmte Uniform oder Nationalität, es greift von allen Seiten an“, so die „Gazeta wybor­cza“. „,Róza‘ befriedigt nicht die, die darin vor allem einen Film über polnische Leiden sehen wollen, denn die Gewalt geht auch von Polen selbst aus.“

Vor dem Abgrund an menschlicher Destruktivität erzählt Sma­rzowski eine allerzarteste Liebesgeschichte. Eine Liebe zwischen psychisch verheerten Menschen, die, gequält, mit einem eigentlich unfassbaren Dennoch ihre Würde bewahren. Da ist Tadeusz, der ehemalige Kämpfer der antikommunistischen polnischen Untergrundarmee, der beim Warschauer Aufstand alles verloren hat. Vor seinen Augen vergewaltigten und ermordeten deutsche Einheiten seine Frau. Aus dem Krieg kehrt er in ein kommunistisches, unfreies Polen zurück, das er nie gewollt hat. Da ist die kranke Róza, eine Frau masurischer Ethnie, die unter der Gewalt von Männern ein unbeschreibliches Martyrium durchleidet. Tadeusz kommt auf ihren Hof nicht zufällig: Er war Zeuge, als ihr deutscher Ehemann als Wehrmachtssoldat fiel, und überbringt ihr die Nachricht und Erinnerungsstücke. Ihre vorsichtig aufkeimende Liebe kennt keine großen Gesten und kein Lächeln. Tadeusz tritt ritterlich für sie ein. Doch Regisseur Smarzowski besänftigt die aufgepeitschten Emotionen der Zuschauer nicht durch ein „Happy End“. Der satanische Wahnsinn geht weiter. Und der Film erinnert daran: Die Gewalt jener Zeit ist in unserem kollektiven Unterbewuss­ten noch immer gegenwärtig.

„Róza“ schlägt für die polnische Kinematografie gewiss ein neues Kapitel der Auseinandersetzung mit der jüngeren nationalen Geschichte auf. Gleichwohl wirkt der Streifen wie 20 Jahre zu spät: Dass die Russen Bestien waren, ist bekannt. Auch sonst transportiert der Film subtil Gewohntes: In der Gestalt des Tadeusz ist der edle Pole verkörpert, der unbestechlich eisernen Grundsätzen treu bleibt. Die Folterungen gehen vom SB aus, von Kommunisten, von ideologisch Fremden also. Und mit der geschändeten, als „Deutsche“ ausgegrenzten Róza kann sich das Publikum leicht identifizieren, ist die Frau doch eine slawischstämmige Masurin – also letzlich „eine von uns“. Christian Rudolf


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