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25.02.12 / Ein Medium, durch das Ostpreußen spricht / Dem Schauspieler Herbert Tennigkeit zum 75. Geburtstag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-12 vom 25. Februar 2012

Ein Medium, durch das Ostpreußen spricht
Dem Schauspieler Herbert Tennigkeit zum 75. Geburtstag

Er dürfte der Letzte aus der Schauspielergarde sein, die so sicher das ostpreußische Idiom beherrscht wie er. Ob in den Geschichten von Siegfried Lenz und Arno Surminski, ob in den Gedichten und Anekdoten aus dem großen Schatz der ostpreußischen Volksdichtung – immer übermittelt er die Wärme und Innigkeit, die in seiner geliebten ostpreußischen Mundart liegt. Sie ist seine Muttersprache, denn der Schauspieler Herbert Tennigkeit wurde am 28. Februar 1937 in Gröspelken im Memelland geboren. Wir können ihm, der uns auf seinen heiteren und besinnlichen Lesungen in die verlassene Heimat zurückführt, zum 75. Geburtstag gratulieren. Was wir herzlich und voller Dankbarkeit tun.

Aber es wäre zu kurz gegriffen, wenn wir das Schauspielerleben dieses Künstlers nur auf das Heimatliche beschränken. Niemand hat es dem Jungen an der Wiege gesungen, dass er einmal auf bedeutenden in- und ausländischen Bühnen stehen und in den beliebtesten deutschen Fernsehserien agieren würde. Und dass er auf seinen Vortragsreisen auf Kreuzfahrtschiffen die Weltmeere bereisen würde, ohne je die Heimat zu vergessen, denn mitten auf den Pazifik las er ostpreußische Geschichten. Daran mag er gedacht haben, als er vor einigen Monaten anlässlich einer Vortragsreise in das Memelgebiet in seiner Taufkirche in Laukzargen stand oder als er den Kachelofen in der elterlichen Wohnung in Pogegen streichelte, an dem er sich damals Nase und Hände wärmte, wenn er vom Spiel in Eis und Schnee nach Hause kam. Auf dieser Reise in das Land seiner Kindheit spürte er besonders intensiv die Verbundenheit mit seiner Heimat, die er seinen Zuhörern auf unnachahmliche Weise in Mimik und Sprache vermitteln kann. Ein Medium, durch das die Landschaft und die Menschen Ostpreußens sprechen – so sah es ein Kritiker, und treffender kann man es nicht ausdrücken.

Aber der Mime, der erst auf Umwegen zur Bühne fand, hat auch eine „Theaterheimat“. So bezeichnet er die Züricher Schauspieltruppe um Maria Becker und Robert Freitag, die dem jungen Kollegen das Rüstzeug für ein erfolgreiches Schauspielerleben vermittelten, als er zusammen mit diesen großen Darstellern spielte, wenn „Der Kirschgarten“ oder „Die Heilige Johanna“ auf dem Programm standen. Das Fernsehen wurde schon früh auf Herbert Tennigkeit aufmerksam, bereits 1970 spielte er in „So zärtlich war Suleyken“, dann folgten verschiedene „Tatort“-Folgen, die „Schwarzwald-Klinik“, „Die Guldenburgs“ und schließlich „Das Traumschiff“ mit der „Kreuzfahrt ins Glück“, um nur einige der fast 50 TV-Produktionen zu nennen, in denen Herbert Tennigkeit bisher mitwirkte. Zeitweilig war er Nachrichtensprecher im Dritten Programm und synchronisierte viele ausländische Produktionen. Ein ausgefülltes Schauspielerleben, wenn man dazu die Theaterrollen in Hamburg, Hannover, Frankfurt, Köln, München und bei den Ruhrfestspielen Reck­linghausen rechnet.

Uns Ostpreußen wurde er vor allem ein Begriff durch seine Mitwirkung bei den Deutschlandtreffen und den vielen Lesungen im deutschen Sprachraum. Besondere Verdienste erwarb er sich als Interpret ostpreußischer Literatur. So schrieb ein Kritiker: „Ostpreußen, das Land, dem Herbert Tennigkeit entstammt, wird so dargestellt, wie es war und wie seine Bewohner lebten, als es deren und seine lebendige Heimat war. Er lässt die Dichter des Landes sprechen, von denen einige zu den Spitzen der deutschen Literatur zählen“. Dazu gehört Siegfried Lenz, der ein Grußwort zu einer Lesung von Herbert Tennigkeit geschrieben hat, das dessen Bedeutung als Bewahrer und Vermittler ostpreußischer Dichtung hervorhebt:

„Vieles geht im Laufe der Zeit verloren, über das die Geschichte gleichmütig hinweggeht: unter anderem auch die sprachliche Eigenart. Mir kommt es als selbstverständliche Verpflichtung vor, uns gegen drohende Verluste zu wehren. Beispielsweise auch gegen einen Verlust sprachlicher Eigenart. Sprache, in der so vieles aufgehoben ist, sollten wir immer bemüht sein, zu bewahren. Wir im Osten hatten unsere eigene Art, unser Verhältnis zur Welt in der Sprache auszudrücken. Ich bin glücklich, dass ein Schauspieler wie Herbert Tennigkeit sich der Pflege dieser vom Verlust bedrohten Ausdrucksform angenommen hat. Und ich freue mich sehr über seine unentwegten Bemühungen, vielen Menschen in Erinnerung zu rufen, wie wir uns im Alltag verständlich machten. Lauschen Sie aufmerksam seiner Artikulation und vor Ihren Augen wird ein Land erscheinen und die Menschen, die dort lebten.“

Das wünschen wir noch vielen Zuhörern, wenn es heißt „Herbert Tennigkeit liest“. R.G.


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