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25.02.12 / »Extrem nah dran« am politisch Inkorrekten / Die deutsche A-cappella-Band »Maybebop« überzeugt mit frischer Ausstrahlung und humorvoll-hintergründigen Texten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-12 vom 25. Februar 2012

»Extrem nah dran« am politisch Inkorrekten
Die deutsche A-cappella-Band »Maybebop« überzeugt mit frischer Ausstrahlung und humorvoll-hintergründigen Texten

Montag, 19.30 Uhr, vom Feierabendverkehr angenervt erreicht er die Hamburger Laeiszhalle. Immerhin hat er gleich einen Parkplatz gefunden, doch nun muss er auf Drängen seiner Freundin eine A-Cappella-Band ertragen. Vier Männer, Jahrgang 1973, 1974, 1979 und 1980, singen ohne Musikinstrumente und dann auch noch überwiegend auf Deutsch. Als ob man nicht schon einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich hätte und nun auch noch so was.

Montag, 22.23 Uhr, angenervt blickt er auf seine Freundin, die schon aus dem historischen, fast ausverkauften Konzertsaal Richtung Garderobe drängt. Wieso will sie denn schon weg, die vier Sänger von Maybebop geben doch gerade noch eine Zugabe. Im Takt klatschend teilt der 36-Jährige seine Begeisterung mit etwa 2000 Zuhörern. Und auch Oliver Gies, Sebastian Schröder, Jan Bürger und Lukas Teske machen einen sehr zufriedenen Eindruck, denn was kann man sich als Künstler mehr wünschen, als ein begeistertes Publikum?

Seit gut zehn Jahren sind die Vier nun schon im Geschäft und sind insoweit erfolgreich, als dass die Zahl ihrer Anhänger ständig wächst und sie mit der Musik ihre Familien, zu denen inzwischen auch sieben Kinder zählen, ernähren können. Zwar sind sie keine „Stars“, wie die heutige Mediengesellschaft sie feiert, aber sie haben ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Und während so viele der in der Retorte gezeugten TV-„Stars“ der letzten zehn Jahre bereits auf keiner Bühne mehr stehen, schaffen es Maybebop sogar, die Hamburger Musikhalle zu füllen.

Ansonsten sind sie sich aber für nichts zu schade und tingeln auch durch die Provinz. Im März stehen Idstein, Angelbachtal und Jock­grim auf dem Tourneeplan, aber auch Bayreuth und Erlangen. Das geht so das ganze Jahr über, nur im Hochsommer ist mal vier Wochen Pause. Zwei der Sänger leben in Hannover, einer in Berlin und einer in Hamburg, das heißt also, gute Organisation ist gefragt, doch das interessiert die Zuschauer wenig. Es sind vielmehr die intelligenten, humorigen Texte des Baritons Oliver Gies. Der kleine, dürre, etwas ulkig aussehende studierte Mathe- und Musiklehrer, der auch Kompositionslehre studiert hat, macht aus aktuellen Trends, aber auch aus ganz alltäglichen menschlichen Bedürfnissen und Sehnsüchten Lieder, die mitreißen. Seine drei Kollegen liefern vor allem die fehlenden Stimmen. Der Countertenor Jan Bürger hat bereits im Göttinger Knabenchor erste Gesangserfahrungen gesammelt, der Tenor Lukas Teske hat Popmusik studiert und der Bass Sebastian Schröder ist eigentlich studierter Kommunikationswirt. Zusammen können sie ein ganzes Musikorchester nachbilden und dazwischen noch singen.

Da Maybebop Comedy mit A-Cappella-Gesang verknüpft, der zudem unzählige Musikrichtungen abbildet, ist das Publikum der Gruppe äußerst vielfältig. Zwischen eher albernen, aber musikalisch mitreißenden Songs wie „Ich bin beim Umweltschützen sehr gewissenhaft / Sodass mich schon beim Frühstück jeder Bissen schafft / Denn ich erzeuge Käserinde und Apfelschalen / Und feine Krümel vom Kaffeemahlen / Wie entsorg’ ich diese Überreste / Mit ökologisch weißer Weste?“ und „Es geht um Kuscheln, Sex und Händchenhalten / Um Schmusen und um Stöhn’n / Um Streiten über Kleinigkeiten / Und sich dann wieder versöhn’n“ kommt unerwartet Sebastian Bachs „Air“ und Goethes „Es war ein König in Thule“. Auch Volkslieder haben Maybebop bei ihrer jetzigen Tour „Extrem nah dran“ im musikalischen Gepäck.

Und da ein Unternehmensberater den Sängern geraten habe, die Kreativität „outzusourcen“, spielen sie satirisch auf ein seit gut zehn Jahren in der Unternehmenswelt grassierendes Phänomen an, bitten sie ihr Publikum um Themen für neue Lieder. In Hamburg plädierte das Publikum unter anderem für ein Stück über (jetzt Ex-) Bundespräsident Christian Wulff, sodass dieser sofort in einem Lied bearbeitet wurde. Aber auch Themen wie Castingshows, Massentourismus, Volksmusiknepp, Integration und Moderne Kunst werden von Maybebop durch den Kakao gezogen. Und so bietet Maybebop nicht nur eindrucksvolle Stimmen, A-cappella-Gesang, eigene deutsche, zum Teil sehr hintergründige Texte und Humor, sondern auch die Offenlegung so mancher Skurrilität des Alltags. Rebecca Bellano


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