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25.02.12 / Die Kunst, mit der Kunst zu leben / »Bild« entdeckt Literaturnobelpreisträger: Norweger Hamsun gehört dazu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-12 vom 25. Februar 2012

Die Kunst, mit der Kunst zu leben
»Bild« entdeckt Literaturnobelpreisträger: Norweger Hamsun gehört dazu

„Kunst macht selten reich, aber glück-lich“. Diesen Satz werden sicher viele Schauspieler, Schriftsteller und andere Künstler unterstreichen. Auf den jungen Mann in Knut Hamsuns Meisterwerk „Hunger“ – mit dem der norwegische Nobelpreisträger seinen literarischen Durchbruch erzielte – trifft nur der erste Halbsatz zu. Der Protagonist ist ein mittelloser Autor, dem wir auf seinen ziellosen Wanderungen durch die Stadt Kristiania (heute Oslo) folgen. Er ist vom Hunger getrieben, und man weiß nicht, ob denn nun sein körperlicher oder sein seelischer Verfall schneller voranschreitet.

Dass dieses Buch, das die moderne Erzähltechnik des Bewusstseinsromans virtuos anwendet, nun in einer preisgünstigen Ausgabe erschienen ist, verdanken wir der „Bild“-Zeitung, die sich sonst eher nicht unbedingt vom Hunger gezeichneten, sondern von Kurven geprägten Titelmädchen sowie der Jagd auf den Bundespräsidenten widmet. Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben bringt nämlich zurzeit eine Bibliothek der Literaturnobelpreisträger heraus.

Knut Hamsun hat mit seiner Sympathie für den Nationalsozialismus persönliche Schuld auf sich geladen. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein großartiger Schriftsteller war, der viele bedeutende Dichter des 20. Jahrhunderts wie Thomas Mann, Ernest Hemingway oder James Joyce beeinflusst hat. Das Faszinierende an „Hunger“ ist auch, dass es Hamsun nicht um wohlfeile Sozialkritik oder die Suche nach den Gründen für die seelische und körperliche Verwahrlosung seines Helden geht. Es ist einfach so, und wir verfolgen abgestoßen und gleichzeitig angezogen die immer fiebrigeren Windungen der Phantasie des jungen Journalisten, der im Leben nicht Fuß fassen kann. Ob ihm seine Flucht nach England am Ende des Romans Glück bringen wird, bleibt offen.

Mancher junge Mensch, der heute „irgendwas mit Medien“ unternehmen möchte oder einen Job in der „Kreativbranche“ sucht – am liebsten natürlich in Berlin –, sollte zuvor vielleicht zu „Hunger“ greifen. Die Angehörigen prekärer Arbeitsverhältnisse und Dauerpraktikanten werden mit dem jungen Mann sympathisieren, der sich vom „Nein der Re-dakteure“ nicht abbringen lässt und sich ständig einredet, alles müsse doch irgendwie ein glück-liches Ende finden.

Hochmut kommt vor dem Fall, sagt ein altes Sprichwort. Wer diesen Satz beherzigt, wird vielleicht nicht scheitern wie Hamsuns hungernder Held, dessen Stolz ihm im Wege steht, wie Daniel Kehlman in seinem knappen Nachwort herausarbeitet: „Gerade weil er nicht bereit ist, sich als Bedürftigen zu sehen, gelingt es ihm nicht, etwas gegen sein Los zu unternehmen.“ Ansgar Lange

Knut Hamsun: „Hunger“, Axel Springer AG, Berlin 2011, 205 Seiten, 7,95 Euro


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