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25.02.12 / Keine Spielwiese für Politiker / Bildungsexperte Jörg Dräger nennt seine Wege aus der deutschen Bildungsmisere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-12 vom 25. Februar 2012

Keine Spielwiese für Politiker
Bildungsexperte Jörg Dräger nennt seine Wege aus der deutschen Bildungsmisere

Dass an Deutschlands Schulen nicht alles rund läuft, daran zweifelt kaum einer. Nur die Wege, die beschritten werden sollen, um die Defizite zu beheben, sind äußerst unterschiedlich. Jörg Dräger, Vorsitzender der Bertelsmann Stiftung für den Bereich Bildung, gehört zu den vielen Nicht-Politikern, die auch ihre Vorschläge in die Debatte einbringen. Zusammen mit dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister und SPD-Mitglied Klaus von Dohnanyi thematisiert der parteilose Dräger, der in einer CDU-geführte Regierung in Hamburg Wissenschaftssenator war, in „Dichter, Denker, Schulversager. Gute Schulen sind machbar – Wege aus der Bildungskrise“ die Probleme.

Mit ihren unterschiedlichen parteipolitischen Hintergründen plädieren beide dafür, den parteipolitischen Hintergrund bei der Debatte endlich außen vor zu lassen. Deutschland sei kein Bildungsland, sondern ein Bildungsreformland, so Dräger. Auch sei es falsch, dass gerade von linker Gewerkschaftsseite immer der Ruf nach mehr Geld käme, Bildungsvergleiche aber äußerst skeptisch betrachtet würden. „Mästen statt messen“ sei aber nicht der richtige Weg. In den letzten Jahrzehnten sei viel Geld für populären Unsinn investiert worden. Und Chancengerechtigkeit bedeute nicht Gleichmacherei, schreibt er ebenfalls den linken Parteien ins Stammbuch.

Konnte man ihm bis hierhin noch folgen, wirft sein Vorschlag, Schulen in wohlsituierten Vierteln Geld wegzunehmen, um es in Problemviertelschulen zu investieren, Zweifel auf. Ja, je mehr Kinder aus Problemvierteln einen Schulabschluss machen, desto weniger müssen später von den Leistungsbringern der Gesellschaft über Sozialleistungen durchgefüttert werden, doch letztendlich schwimmen auch Schulen in besseren Vierteln nicht in Geld. Ja, die Lehrer-Aus- und -Weiterbildung muss sich darauf konzentrieren, wie man mit einer immer heterogeneren Schülerschar umgeht, um die Schüler entsprechend ihren Fähigkeiten individuell zu fördern. Doch verlangt man nicht Wunder von einem Lehrer, wenn man ihm ein Schulsystem aufdrängt, das die natürliche Vielfalt der Schüler durch gemeinschaftlichen Unterricht in Gemeinschaftsschulen verstärkt? Auch Drägers Überzeugung, dass Schulen weniger Wissen, dafür aber dessen Erschließung vermitteln sollen, wirkt extrem. Ja, manches Wissen veraltet und da man sich ständig weiterbilden muss, sind die Methoden, sich Wissen anzueignen, wichtig, doch es gibt auch Wissen, das Bestand hat, denn die Allgemeinbildung umfasst ein breites Feld. Und der Umstand, dass sich der Physiker gegen eine Spezialisierung in der Ausbildung ausspricht, ist verwirrend.

Dräger weist auch auf die wichtige Rolle der frühkindlichen Bildung hin und macht den Vorschlag, lieber Studiengebühren zu erheben und dafür den Kindergarten kostenlos anzubieten. Da der Autor weiß, dass das Geld nicht auf den Bäumen wächst, macht er einige Vorschläge, wie man mit Umverteilung der vorhandenen Mittel das Bildungssystem effizienter macht. Dabei ist es sein Hauptziel, viele junge Menschen fit für den Beruf zu machen, da das langfristig dem Staat Geld sparen würde. Dieser würde zu viel reparieren statt investieren und zahle so Hartz IV statt Kitagebühren. Und die vier Milliarden Euro der letzten Kindergelderhöhung wären in Kitas besser investiert gewesen.

Aber manche Aspekte in dem Buch nerven. So wird auch hier wieder das Beispiel Kanada angeführt, wo doch einheimische Kinder und zugewanderte so gut nebeneinander lernen. Bitte, an alle, die dieses Beispiel so gerne anführen, merkt euch, dass Zuwanderer nach Kanada und nach Deutschland nicht in einen Topf zu werfen sind. Die einen entstammen der gehobenen Bildungsschicht und die anderen nicht.

Klaus von Dohnanyi gibt in seiner „politischen Gebrauchsanweisung“ den nachdenkenswerten Hinweis, dass Bildung noch dezentralisierter gedacht werden sollte als bisher, denn Schule sei von Ort zu Ort, ja von Stadtteil zu Stadtteil vor unterschiedliche Probleme gestellt. Das würde aber bedeuten, dass sich Bildung dem Machtbereich der Landes-Politik entziehen würde und stattdessen vor Ort anhand der Faktenlage organisiert werden müsste. Rebecca Bellano

Jörg Dräger, Klaus von Dohnanyi: „Dichter, Denker, Schulversager. Gute Schulen sind machbar – Wege aus der Bildungskrise“, DVA, München 2011, geb., 254 Seiten, 17,99 Euro

 

Weitere Titel

Klaus Diedrich: „Flucht ins Ungewisse. Zerstörte Kindheit“, BoD, Norderstedt 2011, broschiert, 128 Seiten, 18,90 Euro

Helmut Neubach: „Kleine Geschichte Schlesiens“, Senfkorn Verlag, Görlitz 2011, broschiert, 46 Seiten, 2,90 Euro

Hans-Rudolf Neumann: „Litauen/Lettland. Fortifikatorischer Exkursionsbericht einer Studienreise vom 28. März bis 8. April 2011“, S. Roderer Verlag, Regensburg 2011, broschiert, 214 Seiten, 29,80 Euro

Monika Stechbart: „Mariechenkäfer flieg. Das Leben einer Frau im Memelland (Ostpreußen) um 1900“, BoD, Norderstedt 2010, borschiert, 173 Seiten, 12,50 Euro

Dietmar Willoweit und Janine Fehn (Hrsg.): „Johann Gottfried Herder. Staat, Nation, Humanität“, Könighausen & Neumann, 349 Seiten, 48 Euro


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