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03.03.12 / Zwischen allen Stühlen / Aserbaidschan kämpft um Neutralität – Islam als Bremse bezeichnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Zwischen allen Stühlen
Aserbaidschan kämpft um Neutralität – Islam als Bremse bezeichnet

Aserbaidschan – keine Freunde, keine Feinde, nur Interessen“: Trifft dieses gelassene Selbstporträt des kleinen Landes (8,2 Millionen Einwohner) am Kaspischen Meer noch zu? Seit 2010 wurde die Lage am südlichen Kaukasus ungünstig für die Meisterschaft Aserbaidschans, mit heterogensten Partnern auf gutem Fuß zu stehen – Russland und USA, Iran und Israel, Türkei und Armenien, EU und GUAM (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldawien) – und als islamisches Land den islamischen Fundamentalismus zu bekämpfen. Auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz konnte Präsident Ilcham Aliew die wirtschaftliche Gesundheit seines Landes und dessen politische Stabilität („Wir brauchen keinen arabischen Frühling“) loben, aber Aserbaidschans Rolle als geopolitisches „Korrektiv“ scheint vorbei. Schade um das Land, das im Mai 2012 Gastgeber des „Eurovision Song Contest“ ist und bis zum 31. Dezember 2013 nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat sein wird.

In Baku, der Hauptstadt, stand vor 200 Jahren die Wiege der industriellen Ölförderung. Damals war Aserbaidschan zwischen Russland und Persien umstritten, weswegen es bis heute gespalten ist. Der iranische Norden um Täbris ist Aserbaidschans Süden, und im „Milli Medshlis“ (Parlament) propagiert man als neuen Staatsnamen „Republik Nord-Aserbaidschan“, was das nie „warme“ Verhältnis zum Iran eisig erstarren ließ. Früher warnte Aserbaidschan vor Konfrontationen mit dem Iran, heute würde es den USA sein Territorium für einen Krieg gegen den Iran bereitstellen. Dieser brächte entweder die große Wiedervereinigung mit Täbris oder die kleine mit Nagorny Karabach, der aserbaidschanischen Region, die Armenien mit Russlands Hilfe seit über 20 Jahren besetzt hält. In jedem Falle stiege der energiepolitische Wert Aserbaidschans und seines „großen Bruders“ Türkei („eine Nation, zwei Staaten“). Beide wollen eine neue Gasleitung bauen, die dem russischen „Südstrom“ und dem europäischen „Nabucco“ Konkurrenz macht und als politisches Druckmittel taugt. Denn langsam ist im kaspisch-russisch-nahöstlich-europäischen „Spiel“ jeder mit jedem verkracht. Alleiniger Profiteur ist Aserbaidschan, an dem niemand vorbeikommt, der seine Öl- und Gasabhängigkeit von Russland oder Nahost verringern will.

Innenpolitisch geht der Staat gegen Islamisten vor wie zuletzt 1995, als er die „Aserbaidschanisch-Islamische Partei“ als Agent iranischer Geheimdienste zerschlug. Derzeitiger Chefideologe ist Ilgar Ibragimoglu mit seinem „Zentrum zum Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit“, der alle aserbaidschanischen Frauen mit dem „Hijab“ verhüllen und die Bildung der 2009 gegründeten „Islamischen Universität“ unterwerfen möchte. Das will selbst die „Zentrale der kaukasischen Muslime“ nicht, Behörden schon gar nicht, und werden dafür vom Iran gerügt. Die Regierung warf alle „religiösen Symbole“ aus allen Büros, Bildungsminister Misir Mardanow, ein in Europa angesehener Mathematiker, verbot den „Hijab“ im Bildungswesen, die Bürgerbewegung „Republikanische Alternative“ unter Ilgar Mamedow fauchte: „Der Islam hat sich in islamischen Ländern zur Entwicklungsbremse von Wissenschaft und Kreativität verwandelt“. Wolf Oschlies


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