25.04.2024

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03.03.12 / Scheinheilig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Scheinheilig
von Hinrich E. Bues

Im Rückblick auf die Wulff-Affäre meinte der Journalist Ulf Poschardt in der „Welt“, Deutschland sei „protestantischer und preußischer“ geworden. Das lässt aufhorchen. Ist die politische Kultur unseres Landes tatsächlich durch die neunwöchige Wulff-Affäre zum Besseren verändert worden? Zweifel sind angebracht, obwohl es fraglos hierzulande eine hohe Kultur gibt, die gegen den Anschein von Korruption bei Politikern oder Beamten vorgeht. Dass dieser Berufsgruppe, denen eine große Macht anvertraut wurde, unbestechlich bleiben muss, hat sich als hoher schützender Wert erwiesen, der sicher auch preußisch genannt werden kann. Unseren südeuropäischen Freunden mag es kleinlich erscheinen, wenn Behördenmitarbeiter selbst ein Gratis-Essen bei einer Firma vorher beim Vorgesetzten anmelden müssen; aber klein fangen immer die Rabatte und Vergünstigungen an, die dann immer größer und immer selbstverständlicher werden und den Staat unterminieren.

Zu diesen hohen moralischen Maßstäben passt es allerdings nicht, dass sich nun manche Journalisten als Tugendwächter der Nation erheben und sogar noch die Geißelung des angegriffenen Sünders zu genießen scheinen, wie es etwa nach der Causa Guttenberg zu beobachten war. Am liebsten würden diese Moralapostel die lebenslange Erniedrigung des Sünders verfügen. Dabei hat die Berufsgruppe der Journalisten dazu den allergeringsten Anlass. „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, heißt es in der Bibel. Menschlichkeit bedeutet, auch zu Fehlern stehen zu dürfen, auch nicht immer „stets aufrichtig“ gewesen zu sein. Scheinheilige Moralapostel schaden dem Staat mehr als sie nützen.


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