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03.03.12 / Er ermöglichte die winkelgerechte Erdkugelabbildung / Der vor 500 Jahren geborene Kartograph und Globenhersteller Gerhard Mercator war ein bedeutender theologischer Denker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Er ermöglichte die winkelgerechte Erdkugelabbildung
Der vor 500 Jahren geborene Kartograph und Globenhersteller Gerhard Mercator war ein bedeutender theologischer Denker

Gerhard Mercator ent­wickelte die gebräuchliche sogenannte Mercator-Projektion. Mit ihr gelang es erstmals zufriedenstellend, die Oberfläche der Erdkugel einigermaßen winkelgerecht abzubilden, was insbesondere für die Navigation in der Schifffahrt, für das Vermessungswesen und für die Kartenherstellung große praktische Bedeutung hatte.

Aus genanntem Grunde war Gerhard Mercator durch die Jahrhunderte hindurch bis heute fast ausschließlich als Kartograph und Hersteller von Globen bekannt. Hingegen ist seine ihn stark geistig prägende theologische Ausrichtung und vor allem die aus seinem theologischen Denken resultierende praktische Wirksamkeit als Wissenschaftler erst in den letzten Jahren von Historikern wie Werner Büttner näher untersucht worden.

Als Sohn eines Schumachers wurde Gerard de Kremer, der sich gemäß damaliger Sitte später latinisierend Gerhard Mercator nannte, am 5. März 1512 im kleinen flandrischen, heute zu Belgien gehörenden Städtchen Rupelmonde geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters studierte der junge Mann auf Kosten eines Onkels ab 1530 an der Universität Löwen Philosophie, Theologie und Mathematik und erwarb den Titel eines Magister Artium. Er erlernte nebenbei den wissenschaftlichen Instrumentenbau sowie die Kunst des Kupferstichs und arbeitete später als Landmesser, allesamt Tätigkeiten, die ihm später zugute-kommen sollten.

Schon frühzeitig entdeckte er sein Interesse für Kartographie. 1539 brachte er eine allgemein gerühmte Karte Flanderns heraus und zwei Jahre später fertigte er seinen ersten Globus an. Der studierte Theologe interessierte sich brennend für das damals aktuelle Luthertum, führte einen wissenschaftlich-theologischen Briefwechsel mit Philipp Melanchthon und wurde 1544 deshalb wegen „Lutherey“ und Ketzerei angeklagt und für ein Vierteljahr eingekerkert. Dabei hielt er im Gegensatz zu Nicolaus Copernicus zeitlebens streng am ptolemäischen Weltbild fest, demzufolge die Erde den Mittelpunkt des Universums darstellt.

Wohl wegen seiner vorangegangenen Einkerkerung griff Mercator 1551 gerne zu, als Wilhelm der Reiche Herzog von Jülich, Cleve und Berg ihm anbot, nach Duisburg überzusiedeln und dort als „Kosmograph“, also als wissenschaftlicher Beschreiber und Darsteller des Aufbaus von Erde und Kosmos, tätig zu werden. Seine „Übersiedelung“ nach Duisburg trug Anzeichen einer Flucht vor möglicher neuer Einkerkerung.

Es hatte durchaus seine Berechtigung, dass anlässlich des 400. Todestages des Gelehrten die vormalige Gesamthochschule Duisburg 1994 den Namen „Gerhard-Mercator-Universität“ erhielt und es ist zu bedauern, dass diese Bezeichnung schon im Jahr 2003 bei Schaffung der neuen Verbunduniversität Duisburg-Essen gleich wieder in Fortfall kam. Ganz beachtlichen Ruhm erlangte nämlich Gerhard Mercator, der ab 1552 mit seiner Familie durchgehend in Duisburg lebte und diese an seiner wissenschaftlichen Arbeit teilnehmen ließ, mit seiner großen Weltkarte in Mercator-Projektion des Jahres 1569.

Angestrengt arbeitete Gerhard Mercator in Duisburg lange Jahrzehnte an seinem wissenschaftlichen Hauptwerk, das erst nach seinem Tod im Jahre 1595 von seinem Sohn Rumold herausgegeben werden konnte. Dieses Werk mit dem Titel „Atlas sive cosmographicae meditationis“ (Atlas oder kosmographische Meditationen) wurde lange Zeit von der Wissenschaft aufgrund einer Art Tunnelblick nur auf die darin bereitgestellten und zweifellos wichtigen Karten reduziert. Es sollte jedoch zugleich eine biblische Schöpfungsgeschichte und eine historisch-theologische Begründung der Entwicklung von Kosmos, Erde und Menschheit bieten. Erst in den letzten Jahren hat die historische Forschung die diesbezüglichen Intentionen des studierten Theologen näher untersucht und dessen Ziele enthüllt.

In Analogie zu dem 20 Jahre älteren Martin Luther ging Mercator hierbei vom Römerbrief im Neuen Testament aus. Ähnlich dem theologischen Urheber und Lehrer der Reformation verfasste er hierzu einen umfangreichen, aber bislang kaum beachteten Kommentar in lateinischer Sprache. Aus der Lektüre der Bibel versuchte der an der Scheide zwischen Mittelalter und Neuzeit lebende Mensch Anstöße zu gewinnen, die ihn befähigten, die damals ungemein reichlich fließenden neuen geographischen Erkenntnisse in ein theologisch fundiertes neues Weltbild einzufügen. So kam Mercator auf Grund seines Bibelstudiums zu ganz anderen Erkenntnissen des Sündenfalls als die Mainstream-Theologie. Ihm zufolge hatte beispielsweise die Schlange (Satan) nicht mit Eva, sondern mit Adam gesprochen, die Frau folglich nichts mit dem Sündenfall zu tun. Wesentlich wichtiger aber war, dass Mercator eine theologisch einleuchtende Erklärung fand, warum im gerade „entdeckten“ Amerika weit hinter dem lange Zeit unüberwindbar geglaubten „großen Wasser“ (Atlantik) überhaupt Menschen gefunden werden konnten, obwohl doch in der Bibel über deren Abstammung scheinbar gar nichts stand. Gemäß Mercator hatte Gott nämlich sowohl innerhalb wie auch außerhalb des Paradieses Menschen geschaffen und von letzteren stammten die in Amerika vorgefundenen Eingeborenen ab. Gerade dies ist ein typisches Beispiel für die wissenschaftlichen Prinzipien Mercators, denn der „Praeceptor Germaniae“ Melanchthon postulierte steif und fest, dass alle Wissenschaften, folglich auch die Geographie, im Dienst der Kirchenlehre zu stehen hätten. Beobachtungen, die dieser „Doctrina Evangelica“ widersprächen, seien folglich falsch. Mercator hingegen gelang es, so die Theorie und die Praxis wieder in eine (erwünschte) Übereinstimmung zu bringen. Er verstarb als angesehener und wohlhabender Mann am 2. Dezember 1594 in Duisburg. Sein Grab in der dortigen Salvatorkirche ist heute nicht mehr auffindbar. Jürgen W. Schmidt


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