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03.03.12 / Disneyland oder Volkspädagogik? / Neuer Pachtvertrag führt zur Diskussion über die Nutzung der »Wolfsschanze« und die Rolle des Staates

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Disneyland oder Volkspädagogik?
Neuer Pachtvertrag führt zur Diskussion über die Nutzung der »Wolfsschanze« und die Rolle des Staates

Die „Wolfschanze“ bei Rastenburg hat einen neuen Pächter, nachdem der alte Pachtvertrag nach zwei Jahrzehnten ausgelaufen war. Politiker und Wissenschaftler fordern eine Umwandlung des ehemaligen Hauptquartiers Adolf Hitlers, das jährlich von zirka 200000 Touristen aus dem In- und Ausland besucht wird, in ein denkmalgeschütztes Mahnmal.

Der Neuverpachtung war eine öffentliche Ausschreibung für das auf dem Gebiet des Forstamtes Drengfurth liegenden Ex-Führerhauptquartiers vorausgegangen. Mit ihr war die Hoffnung auf eine Verbesserung und Modernisierung der Infrastruktur, die einen Parkplatz, ein Hotel, ein Restaurant und ein Kino umfasst, verbunden gewesen. Der Pachtzins wurde auf den Betrag von 470000 Złoty (etwa 112000 Euro) und die Pachtdauer auf erneut 20 Jahre festgelegt. Letztere kann sich aber wegen der gerade erwogenen Umstrukturierung und einer geforderten Verlagerung der Schwerpunkte der gesamten Einrichtung noch ändern. Zwar hatten sich zwei Interessenten fristgerecht gemeldet, einer von ihnen zog einige Tage vor Ende der Ausschreibungsfrist jedoch sein Angebot zurück. Als Grund nannte er die zu erwartende Kürzung der Pachtdauer, ferner Angst vor fehlender Stabilität aufgrund der bevorstehenden Diskussionen rund um die Anlage.

Als die letzte Pachtfrist ablief, hatten Politiker und Historiker eine Diskussion um eine staatliche Nutzung der „Wolfsschanze“ als Bildungs- und Gedenkstätte für Jugendliche und erst in zweiter Linie als touristische Sehenswürdigkeit entfacht. Dies forderten sowohl einige Vertreter der lokalen Kommunalbehörde als auch die Mitarbeiter des 2008 ins Leben gerufenen Museums des Zweiten Weltkrieges in Danzig, an dessen Entstehung und Weiterentwick­lung zurzeit Wissenschaftler für Zeitgeschichte aus Polen, Deutschland und Israel zusammen arbeiten. Die deutsche Forschung vertritt dort der Professor Ulrich Herbert von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, der vorher die Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg geleitet hat.

Für eine Nutzung der „Wolfsschanze“ als Bildungs- und Gedenkstätte für Jugendliche und erst in zweiter Linie als touristische Sehenswürdigkeit plädierten vor allem zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats dieser Institution: Professor Władysław Bartoszewski und Professor Norman Davies. Sie und die anderen Mitarbeiter des Danziger Museums schickten sogar ein Gesuch an den polnischen Regierungschef Donald Tusk, in dem eine besondere Bedeutung der „Wolfsschanze“ hervorgehoben wurde. Barto­szewski äußerte sich gegenüber der polnischen Presseagentur PAP in der Weise, dass dieser Ort ideologisch wichtig sei und nicht einfach so einem privaten Verwalter übergeben werden dürfe. Das Museum des Warschauer Aufstandes in Warschau hat bereits Interesse an der didaktischen Betreuung der „Wolfsschanze“ bekundet.

Bis zur politischen Wende und der Auflösung des kommunistischen Regimes in Polen war die „Wolfsschanze“ eine staatlich geleitete Erinnerungsstelle. Dann wurde sie für zwei Jahrzehnte an einen privaten Unternehmer verpachtet. In dieser Zeit weihte man auf dem Gelände eine Gedenktafel mit deutsch- und polnischsprachiger Inschrift zu Ehren des Attentäters vom 20. Juli 1944, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, ein. Langsam begann sich das Areal jedoch zu einer disneylandartigen Raststätte mitten in einer dicht bewachsenen Waldlandschaft zu verwandeln. Der völlig unerwartete mediale Rummel um die Zweckmäßigkeit ihres Fortbestehens hat nun zur Folge, dass die Möglichkeit einer erneuten staatlichen Politisierung der „Wolfsschanze“ besteht. Der neue, bislang nicht bekannt gegebene Pächter steht jedenfalls vor der schwierigen Aufgabe, allen interessierten Seiten in absehbarer Zeit gerecht zu werden. Grzegorz Supady


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