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10.03.12 / Schulpolitik in der Sackgasse / Berlins Senat versagt bei der Sprachförderung schon im Kindergarten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-12 vom 10. März 2012

Schulpolitik in der Sackgasse
Berlins Senat versagt bei der Sprachförderung schon im Kindergarten

Der von Berlins rot-rotem Senat seit 2006 finanziell geförderte Besuch von Kindertagesstätten (Kitas) hilft den geförderten Kindern wenig beim Sprach-erwerb. Das zeigen aktuelle Untersuchungen: Trotz Millionensubventionen hat rund jedes sechste Kind erhebliche Sprachprobleme.

Berlins Schulpolitik, insbesondere die Sprachförderung, steht erneut am Pranger. Dass viele Berliner laut einer aktuellen Forsa-Umfrage die Schulpolitik ihres Landes vor allem wegen der Schullotterie zur Vergabe von begehrten Gymnasialplätzen (die PAZ berichtete) und dem verkürzten Abitur ablehnen, dürfte die Politik kaum überraschen. Gerade im Bereich der für die Integration so wichtigen Sprachförderung hagelt es in letzter Zeit aber zusätzlich schlechte Noten für die Landesregierung.

Das ist angesichts der zu Koalitionsbeginn von Rot-Schwarz verkündeten Idee, Berlin zum vorzeigbaren Musterschüler von Integration zu machen, ein Alarmsignal. Das Berlin-Institut übte erst kürzlich in einer Studie „Dem Nachwuchs eine Sprache geben“ Kritik an der bundesweit betriebenen Sprachförderung für Einwandererkinder. In Berlin wiesen demnach 34 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunft in Betreuungseinrichtungen Sprachprobleme auf. Die Politik unterlässt es demnach besonders im Bereich der Sprachförderung, ihre Maßnahmen zu prüfen, behindert mit ihren Vorgaben sogar eine Diskussion.

Aktuelle Sprachtests unter allen Vorschulkindern bestätigen nun erneut dieses Bild: Nur die Hälfte der Vier- bis Fünfjährigen mit Sprachförderbedarf hat zwei bis vier Jahre lang eine Kita besucht. Die aktuelle Sprachstandserhebung der Kitas von 2011 zeigt, dass gut 17 Prozent der 27000 Kitakinder aus dem Geburtsjahrgang 2006 einen „Sprachförderbedarf“ aufweisen. Kurzum: Die Gesamtlage bessert sich nicht. Laut Sprachtests sind sogar 2400 Kinder, die mindestens zwei Jahre eine Kita besucht haben, schlicht nicht schulreif. Ohne weitere Sprachförderung kommen sie jedenfalls nicht in der Schule mit.

Dem Senat droht indes nicht nur eine Kita-Blamage, sondern zudem ein drastischer Lehrermangel. Viele Pädagogen gehen demnächst in Rente, Junglehrer hingegen wollen, frustriert von schlechter Bezahlung und miesen Anstellungsbedingungen ohne Beamtenstatus oder auch nur Tarifvertrag, das Bundesland verlassen. Dabei hatte der Senat versprochen, mehr Lehrer einzustellen und auch so Kinder zu fördern – Widersprüche über Widersprüche.

Noch 2006 hatte die SPD im Wahlkampf mit dem kostenlosen Kitaplatz geworben. Nun fällt dessen erhoffte Wirkung auf die Sprachförderung einfach aus. Weil die Rechnung nicht aufgeht, leiden die Kinder: Das Geld für sinnvolle Fördermaßnahmen fehlt. Berlins Erzieherinnen wurden bisher schon im bundesweiten Vergleich eher unterdurchschnittlich bezahlt. Der alte und neue Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) setzte in den Haushaltsverhandlungen fast durch, dass jede fünfte Erzieherstelle mit einem günstigen Sozialassistenten statt einer regulären Kraft besetzt wird.

Es scheint, dass Berlins Senat weiter zu viel auf einmal will: sparen und fördern. Verhängnisvoll wirken aber vor allem die ideologischen Schwerpunkte, die vor allem auf Gleichbehandlung setzen. Mit teils alarmierenden Folgen: Laut Jugendverwaltung sind bei den unverändert vielen Schülern mit Sprachförderbedarf auch Kinder mit Behinderungen eingerechnet. Gerade für deren Förderung stehen schon die nächsten politischen Planspiele an: Unter dem Stichwort „Inklusion“ sollen behinderte Kinder mit schwerwiegenden Lernschwierigkeiten vollständig in die Regelklassen eingebunden werden.

Die Sonderschulen will Berlins Politik abschaffen, was die Wahlfreiheit für die Betroffenen ausschließt. Allein für den erhöhten Personalbedarf infolge der „Inklusion“ rechnet der Senat bis 2016 mit Kosten von 4,7 Millionen Euro. Insgesamt beharrt er aber auf einer kostenneutralen Einführung des Projekts und erntet dafür selbst von Befürwortern Kritik: Zu schnell, zu „wenig qualitätsvoll“ sei die Umsetzung, sagt die Vereinigung der Schulleiter in der linksgerichteten Lehrergewerkschaft GEW.

Schulen in sozialen Brennpunkten bleiben angesichts der vielen durch politische Fehlentscheidungen verschärften Probleme schon jetzt auf der Strecke: Auf den massiven Zuzug von Romakindern vom Balkan ohne Deutschkenntnisse und den dadurch örtlich drastisch gestiegenen Sprachförderbedarf hat der Senat noch nicht reagiert. Hilferufe der Pädagogen verhallen.

Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Februar zeigen der Politik, wie wenig ihre Förderangebote ankommen: Die Betreuungsquote der unter dreijährigen Kinder mit Einwanderungshintergrund liegt bundesweit bei 14 Prozent, knapp halb so hoch wie bei einheimischen Kindern. Auch der Bund springt inzwischen fördernd in Berlins Kitas ein, um den Spracherwerb so früh wie möglich zu vermitteln, denn mitunter sind weniger als die Hälfte der Kinder in einer Berliner Klasse Deutsch-Muttersprachler. Hier fehlen schlicht Sprachvorbilder, beklagen Wohlfahrtsverbände.  Sverre Gutschmidt


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