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10.03.12 / Kühner Visionär aus Allenstein / Vor 125 Jahren wurde der Architekt Erich Mendelsohn geboren – Sein Ruf ging von Deutschland aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-12 vom 10. März 2012

Kühner Visionär aus Allenstein
Vor 125 Jahren wurde der Architekt Erich Mendelsohn geboren – Sein Ruf ging von Deutschland aus

„Als jemand, der einen großen Teil unseres Globus kennt, seine Zivilisationen, seine Völker und – nur zu gut – seine sich immer wiederholenden Leiden, verlasse ich mich nicht auf die alltäglichen Ruhmesmeldungen“, schrieb der Architekt Erich Mendelsohn in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. „Ich glaube, dass die Geschichte selbst – und nur die Geschichte – das endgültige Urteil über alles fällt, was der Mensch tut.“ Nun, die Geschichte hat Erich Mendelsohn aus Allenstein als einen der ganz großen Architekten und als kühnen Visionär gewertet.

Der Visionär und Gestalter war auch ein einfühlsamer Poet. So schrieb er 1907 unter seine Skizze der sogenannten „Verlobungsquelle“ im Allensteiner Stadtwald: „Die Menschen kommen durch nichts den Göttern näher, als wenn sie Menschen glücklich machen.“ Zweifellos hat der Architekt Mendelsohn mit seinem späteren Wirken viel zu diesem Glück der Menschen beigetragen. Die für ihn so typischen Bauten fanden – und finden sich in Berlin und Leningrad, in Jerusalem und San Francisco. Am bekanntesten mag der sogenannte Einsteinturm in Potsdam sein, 1920/21 als Herberge für das Astrophysikalische Institut erbaut. In seiner östlichen Heimat, wo Erich Mendelsohn am 21. März 1887 in Allenstein das Licht der Welt erblickte, gab es allerdings nur vergleichbar wenige Beispiele aus seinem Schaffen: die Jüdische Leichenhalle in Allenstein von 1911 bis 1913, die heute noch erhaltene Loge der Drei Erzväter in Tilsit von 1925/26 und der Jüdische Friedhof an der Steffeckstraße in Königsberg von 1927 bis 1929.

München und Berlin waren die ersten Stationen im Leben des jungen angehenden Architekten, der 1912 bei Theodor Fischer in München das Diplom-Examen ablegte. 1910 hatte er in Königsberg die Cellistin Luise Maas kennengelernt, die er 1915 heiratete. Zwei Jahre später muss­te er ins Feld und erlebte den Ersten Weltkrieg an der russischen und der französischen Front. Nach Ende des Krieges eröffnete er in Berlin ein eigenes Büro; eine bemerkenswerte Ausstellung mit seinen Architektur-skizzen bei Paul Cassirer erregte im Herbst 1919 Aufsehen. Reisen führten den Ostpreußen in den folgenden Jahren nach Holland, nach Palästina und Ägypten, in die USA und die Sowjetunion.

1933 emigrierte Erich Mendelsohn nach England; 1934 bis 1941 hatte er ein eigenes Büro in Jerusalem. Private und öffentliche Bauten entstanden in dieser Zeit. 1941 ging er in die USA, doch erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges konnte er in San Francisco wieder ein eigenes Büro eröffnen.

„Vielleicht war es seine kompromisslose Natur, die, gerade weil er so sehr Deutscher war, ihn dazu bewog, den politischen Ereignissen in seinem Heimatland so ausgesprochen unversöhnt gegenüberzustehen. Wie dem auch sei, sein Werk entstand und hatte seine ersten entscheidenden Erfolge in Deutschland. Sein Ruf und Einfluss in der Welt ging von Deutschland aus, bevor er der Welt angehörte“, schrieb Luise Mendelsohn im Vorwort zu einem 1961 und 1991 erschienenen Band mit Briefen ihres Mannes. Beim Lesen dieser Briefe offenbart sich ein stiller und zurückhaltender, ein feinsinniger Mensch, ein Poet geradezu. So schreibt Mendelsohn am 17. Juli 1911 aus Allenstein an seine Verlobte Luise: „Am Grabe meiner Mutter stehen blühende Linden gegen einen lichten blauen Himmel, ein Wind weht über die frischen Blumen, als käme er von den Bergen, wo Zeit und Raum nicht merkbar sind. Zum Abend, wenn es kühl wird, gehe ich zu ihr und bringe ihr frische Blumen und stille Lieder. Kalt muss es in der Erde sein und grausam einsam. Dass niemand, keine Liebe und keine Gemeinsamkeit, uns in die große Einsamkeit begleitet! Wie müssen wir unser Leben nützen, alles erleben, Glück und Leid ist uns köstlichster Erwerb. Dass wir doch alle unsere Liebe von uns geben könnten, die in uns ist, und alle Sonne, die wir schauen …“

Immer wieder kommt er in seinen Briefen auch auf die Probleme, die Vorstellungen eines Architekten zu sprechen. Mitreißend seine Begeisterung, wenn er im Juni 1913 schreibt: „Überall Neues, neue Taten. Wie sollte man müßig zusehen können und nicht mittun wollen mit jeder Fiber …“ Über seine Arbeitsweise äußerte sich Mendelsohn 1928: „Ich sehe den Bauplatz, die Fläche, den Raum: meine Fläche, meinen Raum, von denen ich erregt Besitz ergreife. Meist schon in diesem Augenblick erscheint spontan die architektonische Idee. Ich fixiere sie als Skizze … Diese erste Skizze hüte ich. Denn als Erlebnis, als Gesicht hat sie Realität, Plan und Aufbau zum architektonischen Organismus verdichtet. Ein Einfall, eine Schöpfung. – Alles weitere ist Arbeit … Oft führt die Arbeit zu Umwegen … Aber letzten Endes behält die erste Skizze ihr Recht …“

Wie sehr ihn die Trennung vom Vaterland getroffen hat, erahnt man aus den Zeilen an seine Frau Luise vom 6. Oktober 1938: „Ich bin nirgends mehr glücklich und ohne das Glück mit Dir unglücklich im Dunkel, aus dem ich komme und in das ich zu gehen habe. Wir haben nur Boden unter den Füßen, wenn wir bodenständig sind. Und das ist uns genommen.“

Erich Mendelsohn erlag am 15. September 1953 in San Francisco einem Krebsleiden. Bereits 1921 war ihm, dem Augenmenschen, ein Auge entfernt worden, da sich ein Karzinom gebildet hatte. Nach einer erneuten schweren Operation 1953 sah er seinem Tod „mit Ruhe entgegen“, wie er seinem Jugendfreund Charles du Vinage mitteilte. In seinem letzten Brief an seine Frau Luise schrieb Erich Mendelsohn am 19. Juli 1953: „… Und ich bin tief enttäuscht, dass alle Arbeit und Mühe für die Jahre, die vielleicht noch vor mir liegen, keine Sicherheit geschaffen haben. Jahre, die wir in Vollendung eines Ideals bis zu Ende erfüllen wollten, eines Lebens, das sich organisch aus diesem Ziel ergab …“ Silke Osman


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