19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.03.12 / Vergleichbarkeit als Maßstab / Ob Abitur oder Hochschulabschlüsse: Was für den einen sehr gut ist, ist für den anderen gerade befriedigend

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Vergleichbarkeit als Maßstab
Ob Abitur oder Hochschulabschlüsse: Was für den einen sehr gut ist, ist für den anderen gerade befriedigend

Anfang des Monats bot das Internet-Rabatt-Portal Groupon gegen eine Spende einen kirchlichen Ehren-Doktortitel der Miami Life Development Church wahlweise als Doktor h.c. oder Professor h.c. ab 39 Euro an. Angesichts der Plagiatsvorwürfe gegen Doktorarbeiten deutscher Politiker fehlt vielen Deutschen jedoch der Humor, sich über derartige Titelkäufe zu amüsieren, zumal die Fehler im System um die Vergabe echter Doktortitel nicht behoben sind.

Es ist immerhin ein kleiner Schritt hin zu einer besseren Vergleichbarkeit der Abiturnoten, doch noch sind auch hier viele Fragen offen. Zwar rang sich die Kultusministerkonferenz nach Jahrzehnten der Debatte dazu durch, den Bundesländern einen Fragenpool für die Abiturprüfung zur Verfügung zu stellen, doch an welchem Leistungsniveau sich diese pro Fach etwa 100 zur Auswahl stehenden Aufgaben orientieren werden, muss noch geklärt werden. Zudem handelt es sich offenbar nur um eine Option, sprich, die Bundesländer können, müssen aber nicht auf diese Fragen zurückgreifen. Angesichts des Umstandes, dass anhand verschiedener Studien nachgewiesen wurde, dass die Abiturienten in Bayern mehr können als im Norden Deutschlands, dürfte das Interesse daran, sich der direkten Vergleichbarkeit mit den Leistungsträgern zu unterwerfen, in einigen Bundesländern gering sein.

Dabei wird die Vergleichbarkeit bei Bildungsabschlüssen doch stets und ständig von der Politik gefordert. Die Bologna-Reform der EU hat dazu geführt, dass international renommierte deutsche Bildungsabschlüsse wie Magister und Diplom durch Bachelor und Master ausgetauscht wurden. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) merkte erst vor kurzem an, dass man bei der Reform bedauerlicherweise zu sehr auf strukturelle und zu wenig auf inhaltliche Aspekte geachtet habe. Deswegen wolle sie demnächst eine Arbeitsgruppe zusammenstellen, die sich mit der Frage beschäftigt, wie man das Humboldtsche Ideal von Bildung bei den neuen Abschlüssen be- rücksichtigen könne. Dies rief sofort die Bundesregierung auf den Plan, die wenige Tage nach Schavans Bekenntnis anmerkte, man sei zufrieden mit dem Verlauf der Bologna-Reform.

Da inzwischen nach Akkreditierung durch eine staatlich zugelassene Akkreditierungsagentur fast jede Fachschule Bachelor-Abschlüsse anbieten kann, kann von Vergleichbarkeit jedoch nur schwer die Rede sein. Bei einer Fahrt mit der U-Bahn in Hamburg werben mindestens fünf verschiedene, nicht-staatliche Institute damit, dass man bei ihnen den Bachelor für dies oder jenes machen könne. Wie Arbeitgeber da noch erfassen sollen, welcher Bachelor Qualität verspricht und welcher nicht, ist fraglich. Auch in der Finanzbranche bieten inzwischen immer mehr renommierte Fort- und Weiterbildungsstätten den Bachelor als Abschluss an. Inwieweit dies nun in der Branche seit Jahren anerkannte Abschlüsse wie Fach- und Betriebswirt im Bank- oder Versicherungswesen sowie im Bereich Immobilien ablöst, ist noch offen. Derzeit werden diese bundesweit einheitlich und unabhängig von der Industrie- und Handelskammer (IHK) nach dort durchgeführter Prüfung vergeben. Der Bachelor hingegen wird nur vom jeweiligen zuvor hierfür akkreditierten Bildungsträger vergeben, der natürlich ein finanzielles Interesse hat, möglichst viele und gute Absolventen zu haben. „Da die schulische/hochschulische Bildung in der Verantwortung der Länder liegt, kann die IHK hier nicht als qualitätssichernde Institution tätig werden“, so Gordon Schenk, Leiter des Referates Kaufmännische Weiterbildung der DIHK auf PAZ-Anfrage.

Ina Kolanowski von der Commerzbank glaubt, dass beide Abschlussarten künftig nebeneinander bestehen bleiben: „Die von uns gewünschten Abschlüsse orientieren sich an den jeweiligen Erfordernissen des einstellenden Bereichs beziehungsweise an den Anforderungen der jeweils ausgeschriebenen Stelle. Die Heterogenität unserer Bereiche fordert hier sowohl Bachelorabschlüsse wie auch Bankfachwirte und Betriebswirte.“

Doch Vergleichbarkeit der Abschlussarten ist nicht das einzige Ziel. Auch eine Vergleichbarkeit der Abschlussnoten, wie nun beim Abitur durch die Kultusministerkonferenz angestrebt, wäre auch auf Hochschulniveau wünschenswert. So hat das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) belegt, dass in einigen Bundesländern die Bestnote „summa cum laude“ bei Promotionen inflationär vergeben wird. Der „Spiegel“ fragte angesichts der Studie vom IFQ gar, ob sich die Genies der Republik an Saar und Spree versammelt haben, denn an der Universität des Saarlandes erhielten 38 Prozent der Doktoranden in Jura die Bestnote, an der LMU München seien es nur ein Prozent. In Mathematik würden 36 Prozent der an der TU Berlin Promovierenden eine 1 bekommen, in Bonn seien es nur 1,7 Prozent.

25000 Akademiker erhalten im Durchschnitt pro Jahr ihren oft lange und schwer erarbeiteten Doktortitel, der allerdings durch einige schwarze Schafe in Verruf geraten ist. Zwar sollen in Bayern und Baden-Württemberg künftig alle Doktoranden eidesstattlich bezeugen, dass sie nirgendwo abgeschrieben haben, doch wo kein Kläger, ist kein Beklagter. Wenn Professoren mehrere Doktoranden zusätzlich zu Bachelor- und Masterstudenten betreuen, haben sie wenig Zeit, die oft über 1000 Seiten langen Abschlussarbeiten auf Plagiate hin zu überprüfen. Doch da öffentliche Fördergelder nach der Zahl der Promotionen vergeben werden, haben manche Universitäten wenig Interesse daran, Qualität vor Quantität zu setzen. Selbst computergestützte Anti-Plagiats-Programme würden nur gegen die dümmsten Schummler helfen, merkt der „Spiegel“ an. Bezweifelt werden darf, ob der Vorschlag der Grünen, den Doktortitel aus den Ausweispapieren zu streichen, um die Titelsucht der Träger nicht zu befriedigen, das Problem lösen würde. Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren