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17.03.12 / Freundliche Feinde? / Jüdisches Paar über Deutsche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Freundliche Feinde?
Jüdisches Paar über Deutsche

Dieses Buch „Leben in zwei Welten. Tagebücher eines jüdischen Paares in Deutschland und im Exil“ weist mehrere Besonderheiten auf. Ein Teil, der von Else Behrend-Rosenfeld verfasste, erschien bereits 1945 und wurde 1949, 1963 und 1988 nachgedruckt. Zunächst trug er den Titel „Verfemt und verfolgt. Erlebnisse einer Jüdin in Nazideutschland“, dann „Ich stand nicht allein. Leben einer Jüdin in Deutschland 1933 bis 1944“. „Zwei Leben in Deutschland“ ergänzt nun ihr Tagebuch, das 220 Seiten füllt, mit den etwa zeitgleichen Aufzeichnungen ihres Mannes Siegfried.

Sie lebte in der fraglichen Zeit insbesondere im Isartal, dann erzwungenermaßen in der Stadt selbst, ferner, auf der Flucht, in Berlin und Freiburg i. B., bis sie 1944 in die Schweiz gelangte. Siegfried, ihr Mann, konnte unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Deutschland legal verlassen und fand Aufnahme in England.

Während er arm, aber doch in Sicherheit seine Tage zubringt, zunächst monatelang in einem Lager als „feindlicher Ausländer“, wächst ihre Gefährdung ständig. Sie schildert die Ereignisse ganz sachlich, anschaulich, spannend, ergreifend. Man glaubt ihr jedes Wort; Lebens- und Leidensgeschichte aus erster Hand.

In der Einleitung heißt es: „Else Rosenfeld steht mit ihren Berichten auf der Seite derer, die klar die Täter identifizieren, aber auch auf eine Vielzahl von Deutschen verweisen, die sich weiterhin menschlich und freundlich verhielten … Siegfried Rosenfelds bisher unpublizierte Tagebücher und Briefe zeigen eine ganz andere Sicht auf Deutschland.“ Wer von den beiden kommt der Wirklichkeit näher?

Vier Wochen, nachdem es für die Juden zur Pflicht geworden war, den gelben Stern zu tragen, notiert Else: „Die Bevölkerung tut, als sähe sie die Sterne nicht. Viele Freundlichkeiten in der Öffentlichkeit und noch viel mehr im Geheimen werden uns erwiesen, Äußerungen der Verachtung und des Hasses uns gegenüber sind selten.“ Diese Schilderung stimmt überein mit den einschlägigen Aufzeichnungen der meisten Juden, wie sie in „Deutsche Schuld 1933 bis 1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen“ zusammengetragen wurden. Die Herausgeber der Tagebücher bestätigen das, indem sie schreiben: „Wir können bestätigen, dass ihre Erzählungen der Überprüfung durch andere Quellen standhalten.“

Nun Siegfried: „… wertvolle Kräfte stecken im deutschen Volke, viele gute Freunde, die aber letzten Endes alle mitverantwortlich sind, dass sie diese sieben bis acht Jahre widerstandslos über sich und ihr Land haben ergehen lassen.“ Er ist verständlicherweise mit Hilfe von Freunden schnell noch außer Landes gegangen, um dem Unheil zu entrinnen. Aber wäre ihm die Ausreise nicht mehr geglückt, nichts spricht dafür, dass er sich dann unter Hitler heroischer benommen hätte als seine Freunde.

Auch im Epilog, von Else verfasst, befindet sich höchst Aufschlussreiches. Im März 1947 durfte sie zu ihrem Mann nach England reisen und bald schon zu deutschen Kriegsgefangenen sprechen. „Da ich mich zu Beginn jedes Abends als Jüdin und Sozialistin vorstellte, war ich auf Feindseligkeit und Abwehr gefasst. Nichts davon habe ich in den mehr als 100 Lagern, die ich besuchte, zu spüren bekommen.“ Sicher gab es unter den Zuhörern ehemalige Antisemiten. Hatten sie schon ihren Irrtum eingesehen oder fühlten sie sich isoliert? Wie auch immer, diese Erfahrung zeigt, dass der Antisemitismus offenbar kein tiefverwurzeltes Massenphänomen gewesen ist.            Konrad Löw

Else Behrend-Rosenfeld und Siegfried Rosenfeld: „Leben in zwei Welten. Tagebücher eines jüdischen Paares in Deutschland und im Exil“, Volk Verlag, München 2011, 382 Seiten, 29,90 Euro


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