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17.03.12 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Kleiner Zäpfchenstreich / Wer verzichtet schon auf die große Extrawurst? / Der mit dem Wulff tanzt / Warum Doktorarbeiten neu zu beurteilen sind

Nun ist er weg. Falls Sie tatsächlich auch zu jener unverständigen Mehrheit zählen sollten, die das mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis nimmt, muss an dieser Stelle eine eindringliche Warnung ausgesprochen werden: Vorsicht, der Mann droht wiederzukommen!

Warum sonst sollte Christian Wulff darauf bestehen, auch künftig über einen Wagen der Oberklasse samt Chauffeur verfügen zu können? Etwa, damit Frau Bettina standesgemäß zum Wochenend-Einkauf beim Discounter vorgefahren werden kann? Und wozu benötigt der Mann weiterhin ein Staatsbüro samt Sekretärin? Um den Einkaufszettel für besagten Einkauf auszustellen?

Sie sehen, der Mann, der unser Leben mit vielen Fragezeichen bereicherte, ist weg – und hinterlässt neue Fragezeichen. Man kann über den Mann ja sagen, was man will, aber er hatte einen Unterhaltungswert wie schon lange kein Bundespräsident mehr. In dieser Hinsicht war sein Vorgänger Horst Köhler ein totaler Versager. Der Wanderpräsident Karl Carstens und der hoch auf dem gelben Wagen singende Walter Scheel gaben sich zwar redlich Mühe, des Amtes Würde durch unterhaltende Einlagen zu mildern, aber so unterhaltsam wie Wulff war allenfalls noch Heinrich Lübke. Was wurde dem armen Kerl nicht alles angedichtet. Lübke-Zitate sind wahre Klassiker: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“ (beim Staatsbesuch in Liberia); „Equal goes it loose“ (beim Staatsbesuch der englischen Königin in Bonn). In Wahrheit hat er weder das eine noch das andere gesagt, sämtliche später zitierten Sätze im Lübke-Englisch waren eine Erfindung der „Spiegel“-Redaktion. Gemein war das, und wer will es dem Wulff verdenken, wenn auch er sich als Opfer einer Medienkampagne sieht? Wo er doch immer den geraden Weg gehen wollte, von dem er so hübsch staatstragend sprechen konnte, und es nur die vertrackten Umstände waren, die ihn dazu zwangen, auf ziemlich verschlungenen Pfaden weiterzukommen.

Und wegen solcher Nichtigkeiten sollte Wulff verzichten? Auf seinen ihm zustehenden Ehrensold? Was heißt hier, „Ehre wem Ehre gebührt“? Der Ehrensold heißt nur so, er ist eine Versorgungsleistung, sonst nichts. Und auf den Großen Zapfenstreich sollte Wulff nach Ansicht einiger Zeitgenossen auch verzichten. Wo er doch, wie es jetzt heißt, extra seine innere Einkehr in einem Kloster unterbrochen hat? Nichts da, wer schon von den kleinen und kleinsten Vorteilen keinen auslässt, wird doch bestimmt nicht verzichten, wenn es um die ganz große Extrawurst geht.

Na ja, viele sind dann zu der Abschiedssause ja auch nicht gekommen, weshalb aus dem Großen Zapfenstreich ein ziemlich mickriger Zäpfchenstreich wurde. Es kommt nicht oft vor, dass mehr Leute absagen als eingeladen wurden. Und dass die Verweigerer damit auch noch angeben, am lautesten diejenigen, die der Wulff sowieso nicht dabei haben wollte. Wenn das so weitergeht, dann ist am Ende vom politischen Personal nur noch einer mit salbungsvollen Treueschwüren an der Seite des Ex-Bundespräsidenten, dann bleibt nur noch der gelernte Pastor und amtierende Staatssekretär Peter Hintze als einziger, der mit dem Wulff tanzt.

Wer wissen möchte, wie weit die politische Galaxie vom irdischen Dasein entfernt ist, der vergleiche einmal, welche Texte im Fall Wulff auf der politischen Bühne aufgesagt werden und welcher Sturm der Entrüstung durch die Leserbriefspalten fegt. Da wird in zwei Sprachen gesprochen, die nichts miteinander zu tun haben. Vielleicht wäre ein neues Wörterbuch ganz nützlich: Politisch – Deutsch / Deutsch – Politisch. Für Übersetzer dürfte das eine ziemlich vertrackte, wenn nicht gar unlösbare Aufgabe sein.

Na gut, Schwamm drüber, wir sollten nicht so zimperlich sein. Jammern gilt nicht. Andere Personalien der Woche sind von ganz anderem Kaliber. Oder meinen Sie, es bereitete dem Kandidaten Joachim Gauck Freude, bei der Partei „Die Linke“ antanzen zu müssen, um Männchen zu machen? Ein gemeinsamer Fototermin mit Gregor Gysi, davon hat Gauck bestimmt immer geträumt – in Nächten, vor denen er zu schwer zu Abend gegessen hatte.

Oder der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai, der nun kein Doktor mehr ist. Der Titel ist futsch, weil er abgeschrieben hat, „in erheblichem Umfang“, wie die Universität Köln mitteilt. Der Titel seiner Dissertation lautete „Ökologische Modernisierung der PVC-Branche“. Dass man da etwas findet, was man abschreiben kann, das ist doch eine Leistung an sich. Das zumindest sollte doch honoriert werden. Sie merken schon: Wir brauchen nicht nur ein neues Wörterbuch, wir benötigen auch einen neuen akademischen Grad, einen, der endlich den Möglichkeiten und Verführungen des Internets gerecht wird. Abschreiben vom Spickzettel, das war gestern. Aufspüren von Infos, kopieren und einfügen, so macht man das heute. Hier besteht Reformbedarf. Nachdem schon von der Grundschule bis zum Gymnasium schlechte Leistungen radikal abgeschafft und die Lehrer angehalten wurden, nur noch die Noten 1 oder im ganz schlechten Fall eine 2 freizügig zu verteilen, sollte sich diese nachsichtige Übung bis zur Dissertation fortsetzen. Wenn die bisher geübte, kleinliche Praxis beibehalten wird, werden die Verluste einfach zu groß. Die Wunden, die der Abschied von Karl-Theodor zu Guttenberg gerissen hat, sind noch nicht verheilt. Bei den Freien Demokraten sind die Folgen derartiger Beckmesserei jedoch viel gravierender. Mit dem Bundestagsabgeordneten Bijan Djir-Sarai ist nun schon der dritte Verlust eines Doktor-Titels zu beklagen. Zuerst erwischte es das hübsche Gesicht der Partei, die Europa-Abgeordnete Koch-Mehrin, dann ihren Kollegen Chatzimarkakis. Das kann doch kein Zufall sein! Allerdings: Zu Risiken und Nebenwirkungen Ihrer persönlichen Rückschlüsse fragen Sie besser vorsorglich Ihren Rechtsanwalt.

Und dann war da noch, um mit den Personalien der Woche fortzufahren, jener Imam in Spanien, der unter Berufung auf den Koran beim Freitagsgebet Ratschläge gegeben haben soll, wie man „ungehorsame“ Frauen am besten verprügelt, selbstverständlich, ohne physische Spuren zu hinterlassen. Dabei soll er konkret geworden sein: Prügel mit Stock oder Fäusten, ohne die Knochen zu brechen und ohne dass es blutet. So viel Vorsicht muss bedauerlicherweise sein, denn leider befindet man sich in Spanien, da könne so etwas unter Umständen Ärger geben. Gegen den Mann wird ermittelt. Wahrscheinlich, weil die Spanier noch nicht aufgeklärt genug sind. Sonst hätte ihnen jemand sagen müssen, dass unter Berücksichtigung des kulturellen Umfeldes so etwas als Folklore akzeptiert werden müsse. In Afghanistan haben wir schließlich dafür gekämpft, dass neue Gesetze erlassen werden, die genau so etwas erlauben. Unrechtsbewusstsein, das sehen wir an den verschiedenen Personalien dieser Woche, ist immer eine Angelegenheit des Standpunktes.

Vom Standpunkt seines kulturellen Umfeldes wird sich Wladimir Putin als „lupenreiner Demokrat“ bezeichnen, da stimmt er Freund Gerhard Schröder voll und ganz zu. Andere mögen gegen seinen Wahlsieg demonstrieren, von Wahlfälschung sprechen, sie kommen eben aus dem falschen kulturellen Umfeld.

Da dürfte Putin mit dem Präsidenten von Weißrussland einer Meinung sein. Alexander Lukaschenko war ausgesprochen sauer, als dieser Guido Westerwelle aus Berlin ihn als „letzten Diktator Europas“ bezeichnete. Er raunzte zurück: „Wer auch immer laut von Diktatur geschrien hat, ich habe gedacht: Es ist besser, ein Diktator zu sein als schwul.“ Na ja, dieser miese Konterschlag sagt ja wohl genug über das unterentwickelte  kulturelle Umfeld des Herrn Lukaschenko.

Ach ja, neben all diesen Personalien gab es noch eine Kleinigkeit, die nicht unerwähnt gelassen werden sollte: Die Griechen haben ihren Schuldenschnitt gemacht. Man könnte auch sagen: Sie haben ihren Raubzug fortgesetzt. Denn wie durch ein nachträglich erlassenes Gesetz alte Verträge ausgehebelt werden dürfen, das hat bisher noch niemand erklärt. Es sei denn, man geht zurück in die Zeit des Faustrechts. Trotzdem dürfen wir dieses epochale Ereignis in dieser Woche getrost links liegen lassen – es wird uns mit seinen Folgen mindestens noch die nächsten Jahre beschäftigen. Und dann sind wir dieses Themas mindestens so überdrüssig wie des Herrn vom kleinen Zäpfchenstreich.


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