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24.03.12 / Ungeliebtes Millionengrab / Selbst die Berliner Messegesellschaft will das ICC nicht mehr – doch der Senat will es sanieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Ungeliebtes Millionengrab
Selbst die Berliner Messegesellschaft will das ICC nicht mehr – doch der Senat will es sanieren

Berlin steckt bis zum Hals in Schulden und ist Hauptkostgänger des Länderfinanzausgleichs. Dennoch soll mit dem ICC ein Prestigeobjekt millionenschwer saniert werden, das nie kostendeckend gearbeitet hat und womöglich gar nicht mehr benötigt wird.

Die Zukunft des 1979 errichteten ICC Berlin (Internationales Congress Center) entzweit wieder einmal die Gemüter in der Stadt. Das einst als teuerster Bau Deutschlands für 924 Millionen Mark errichtete ICC müsste saniert werden, wenn es weiterhin für Kongresse genutzt werden soll. Obwohl die geschätzten Kosten explodieren, will der Senat an seinen Sanierungsplänen festhalten.

Einen Strich durch die Rechnung könnte nun ausgerechnet ein landeseigenes Unternehmen machen: Auch wenn ein vom Geschäftsführer der Berliner Messegesellschaft, Raimund Hosch, gemachter Vorschlag zum Bau einer Mehrzweckhalle zunächst wenig spektakulär klingt, bei der rot-schwarzen Koalition hat er für Alarmstimmung gesorgt. Der Bau einer Mehrzweckhalle für 45 Millionen Euro – von der Messegesellschaft Berlin sogar noch selber bezahlt – würde es, so Hosch sibyllinisch, möglich machen, dass der Senat das ICC künftig anderweitig nutzen könne. Im Klartext heißt dass: Ein simpler 45-Millionen-Bau macht das ICC für die Messegesellschaft überflüssig. Welche Brisanz in dem Vorschlag steckt, wird anhand der geschätzten Sanierungskosten deutlich: War zunächst von 182 Millionen Euro die Rede, liegen nun die Schätzungen der Finanzverwaltung bei 328 Millionen Euro. Dass nun ausgerechnet der zukünftige Nutzer des ICC, die Messegesellschaft, nach Alternativen Ausschau hält, hat gute Gründe. Trotz hervorragender Buchungszahlen hat sich das ICC nie rentabel betreiben lassen.

Die Betriebskosten werden sich wahrscheinlich durch eine Sanierung – etwa bei den Energiekosten – senken lassen, ein anderes Manko des Baus wird allerdings weitgehend bleiben: Nur elf Prozent der Fläche sind vermietbar und bringen damit Einnahmen. Der Rest besteht aus Treppenhäusern, Foyers, Garderoben und anderem. Die großzügige Innengestaltung ist mit ein Grund dafür, dass das ICC wiederholt mit dem „World Travel Award“, dem „Oscar“ der Reiseindustrie, ausgezeichnet wurde. Die Kehrseite bleiben die hohen Betriebskosten und der unrentable Zuschnitt des Baus.

Nach Angaben der Messegesellschaft liegen die jährlichen Kosten derzeit bei rund zwölf Millionen Euro, durch das Kongressgeschäft werden allerdings nur zehn Millionen erwirtschaftet. Dass die Messegesellschaft nun mit Vorschlägen lockt, für einen Ersatzbau selbst zahlen zu wollen, sollte auch beim Senat noch einmal zu einem Überdenken des bisherigen Sanierungskonzepts führen. Eine Sanierung des ICC bei laufendem Betrieb wird von niemandem für möglich gehalten, sodass für die Sanierungszeit ohnehin Ersatzbauten errichtet werden müssten.

Unter anderem deshalb entsteht bis Ende 2013 anstelle der abgerissenen Deutschlandhalle für 65 Millionen Euro das neue Kongressgebäude „City Cube“, das Platz für 9000 Teilnehmer bieten soll. Sollte zusätzlich die Messegesellschaft ihren Vorschlag für einen Mehrzweckbau auf dem Messegelände realisieren, würde das eine ICC-Sanierung für mindestens mehr als 300 Millionen Euro endgültig zur fragwürdigen Angelegenheit werden lassen. Aus Kapazitätsgründen nicht mehr gebraucht, wegen hoher Betriebskosten von der Messegesellschaft nicht mehr gewünscht, so ließe sich dann die Lage des ICC beschreiben.

Dass trotzdem an der bisherigen Linie festhalten wird, lässt befürchten, dass es sich beim rot-schwarzen Koalitionsbeschluss zur ICC-Sanierung weniger um nüchterne Kalkulation als um ein Festhalten am ICC um jeden Preis handelt. Dass es eine Alternative zwischen Luxussanierung und Abriss gibt, machte der ehemalige Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) deutlich. Nach seinen Angaben habe es zu seiner Amtszeit Investoren gegeben, die am ICC interessiert waren. Weiterverfolgt wurden derartige Pläne einer Umnutzung des ICC – etwa als Einkaufszentrum, Spielbank oder Hotel – allerdings nicht, da sie „politisch blockiert“ wurden, so Wolf.

Auch der Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer, Jan Eder, kritisiert gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“: „Bei über 60 Milliarden Euro Schulden kann es sich Berlin nicht leisten, ein Haus instand zu setzen, das auch in Zukunft zweistellige Millionendefizite erwirtschaften wird.“ Die Nutzung des ICC durch einen Investor könnte der goldene Mittelweg sein, zwischen einem aufgrund der Lage zwischen Avus und Messedamm sehr schwierigen und teuren Abriss – geschätzte Kosten 100 Millionen Euro – und der kostspieligen Sanierung für den Nutzer Messegesellschaft, der das ICC eigentlich nicht mehr will. Dem Berliner Senat bliebe zusätzlich die Blöße erspart, erklären zu müssen, wie die Luxussanierung des ICC eigentlich bezahlt werden soll.

Die offizielle Baumittelliste der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für den Haushalt 2012/2013 weist für die ICC-Sanierung lediglich 36 Millionen der von der Finanzverwaltung ermittelten 328 Millionen Euro aus. Erst ab 2016 sollen weitere 292 Millionen Euro bereitstehen, zumindest nach den bisherigen Vorstellungen des Senats. Norman Hanert


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