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24.03.12 / Kopftuch gegen Teilhabe / Damit Frauen aus islamischen Ländern Fußball spielen dürfen, macht Weltverband Fifa Zugeständnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Kopftuch gegen Teilhabe
Damit Frauen aus islamischen Ländern Fußball spielen dürfen, macht Weltverband Fifa Zugeständnis

Der Weltfußballverband wird muslimischen Sportlerinnen das Tragen des Schleiers (Hijab) bei Fußballspielen erlauben. Die Regelhüter des International Football Association Board (IFAB) beschlossen am 3. März in London einstimmig, das Verbot ab Juli aufzuheben. Doch nicht jeder in der islamischen Welt feiert diese Regeländerung als Erfolg.

Das Verbot bestand seit 2007 aus Sicherheitsgründen, weil bei ruckartigen Bewegungen am Hals, wo die Kopftücher befestigt waren, Erstickungsgefahr bestand. Das unter dem Kinn geschlossene und mit einem Stirnband fixierte Tuch wurde als zu gefährlich angesehen. Die neue Regelung war nur möglich, weil bei der Sitzung in London durch Fifa-Vizepräsident Prinz Ali bin Al Hussein von Jordanien ein neues Hijab-Modell vorgestellt wurde, das einen Verschluss hat, der sich beim Ziehen automatisch öffnet.

Der jetzigen Einigung war ein Hin und Her in der Kopftuchfrage vorausgegangen. Vor den Olympischen Jugendspielen 2010 hatte die Fifa dem Iran wegen der Kleiderordnung mit einem Ausschluss vom Turnier in Singapur gedroht. Als die iranischen Autoritäten erlaubten, dass die Spielerinnen mit einer Kappe anstatt des Hijabs antraten, wurden sie wieder zugelassen. Das damalige Zugeständnis des Irans war von Fifa-Präsident Sepp Blatter bereits als riesiger Erfolg des Sports über die Politik verkauft worden. Kurz darauf wurde die Kappe jedoch wieder als unislamisch eingestuft, im Juni 2011 war das iranische Fußball-Frauenteam wegen seines Kopftuches vom Olympia-Qualifikationsspiel in Jordanien ausgeschlossen worden.

Im Gottesstaat Iran herrscht bezüglich der religiösen Sicht auf den Fußball keine einheitliche Bewertung. So wollte Präsident Mahmud Ahmadinedschad Frauen den seit der Islamischen Revolution von 1979 verwehrten Zutritt zu Fußballstadien, allerdings in eigenen von den Männern getrennten Rängen, wieder erlauben, was vom Klerus unter Hinweis auf die „vulgäre Sprache“ der Fans aber abgelehnt wurde. So dürfen im Iran kopftuchtragende Frauen weiterhin nur vor einem männlichen Publikum Fußball spielen. Allerdings ist im Iran, anders als in Saudi-Arabien, Frauen das Fußballspielen immerhin erlaubt. Sie müssen jedoch sowohl im Training als auch bei Pflichtspielen mit Schleier, langem Trikot und Trainingshose auflaufen.

Der neue Fifa-Vizepräsident Ali bin al Hussein hatte bereits im Vorfeld der Sitzung in London erklärt: „Der Hijab ist kein religiöses Symbol, Wahlspruch oder Bekenntnis und gehört eher in den Bereich der Kultur. Das Fußballfeld muss ein Forum des kulturellen Austauschs und nicht der Konflikte sein“, sagte er.

Bislang hat noch nie eine Frauenmannschaft aus der arabischen Welt an einer Fußballweltmeisterschaft teilgenommen. Spätestens seitdem der kleine Golfstaat Katar den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 erhalten hat, ist das Vordringen des Frauenfußballs auf der arabischen Halbinsel nicht mehr aufzuhalten. Es ist schwer vorstellbar, dass die Fußballwelt sich 2022 in Katar ein Stelldichein gibt und nebenan, etwa in Saudi-Arabien, Frauen diesen Sport überhaupt nicht betreiben dürfen.

Dort, wo einst der islamische Religionsgründer Mohammed seine Glaubensbrüder zu den ersten religiösen Eroberungszügen des Islams anstachelte, hat heute, bedingt durch den Ölreichtum, die große Sportwelt Einzug gehalten. Zu Hunderten wurden in den arabischen Golfstaaten afrikanische Spitzensportler eingekauft und im Schnellverfahren eingebürgert, die dann bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen in großer Zahl Goldmedaillen etwa für Bahrain oder Katar eingefahren haben. Auch für Tennis, die Formel 1 und den Pferdesport wird die arabische Halbinsel zunehmend zu einem Eldorado.

Während Männer im arabischen Sport glänzen, gelten für den Frauensport weiterhin mittelalterliche Vorschriften. Der islamischen Sportwelt wird zum Vorwurf gemacht, dass oft nur reine Männermannschaften zu den Olympischen Spielen geschickt werden. Saudi-Arabien zum Beispiel hat zu seinen bisher acht Olympischen Spielen insgesamt 166 Teilnehmer gesandt – alle­samt Männer. Olympiamannschaften, die nur aus männlichen Athleten bestehen, will das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Zukunft nicht mehr tolerieren. Mit der Marokkanerin Nawal el Moutawakel hat das IOC sogar eine muslimische Frau als Koordinatorin für die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro eingesetzt. Ihr werden Chancen auf die Nachfolge von IOC-Präsident Jacques Rogge nachgesagt. Sogar in Saudi-Arabien gibt es mittlerweile Bemühungen, sportliche Frauen für Olympia zu aktivieren, etwa im Reitsport. Die Geistlichen des Landes verlangen jedoch weiterhin, dass die Frauen nicht Sport treiben, sondern sich um Mann und Kinder im Hause kümmern. Private Fitnessklubs für Frauen wurden durch eine Fatwa als unislamisch verurteilt und werden immer wieder von der Polizei geschlossen. Die Regeln sind zuweilen so rigoros, dass auch der sportliche Austausch mit anderen muslimischen Ländern nicht möglich ist. So wurde zum Beispiel 2010 ein geplantes Frauen-Länderspiel zwischen Saudi-Arabien und Jordanien abgesagt, weil der saudi-arabische Verband den männlichen jordanischen Trainer nicht in die Halle lassen wollte.

Ein weiteres Problem, das sich spätestens zur Fußball-WM 2022 in Katar stellen wird, wird das in vielen südamerikanischen und südeuropäischen Fußballmannschaften verbreitete öffentliche Bekreuzigen nach erzielten Toren sein. In vielen Ländern der arabischen Halbinsel sind öffentliche Akte eines nichtislamischen Bekenntnisses mit harten Strafen bedroht. Die Fifa hatte bereits vor einigen Jahren ein öffentliches Gebet der brasilianischen Fußballnationalmannschaft auf einem islamischen Rasenplatz gerügt. Ein gleichfalls öffentliches islamisches Gebet der ägyptischen Nationalmannschaft in Italien wenige Tage später auf einem europäischen Rasen blieb dagegen unbeanstandet. Bodo Bost


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