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24.03.12 / Unkritische Masse / Weltweit wird über neue Medien nach Kriegsverbrechern gesucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Unkritische Masse
Weltweit wird über neue Medien nach Kriegsverbrechern gesucht

Kennen Sie Joseph Kony? Nein? Dann wird es Ihnen gehen wie den meisten Deutschen, die bis vor einer Woche wahrscheinlich nichts von der Existenz des ugandischen Kriegsverbrechers wussten. Doch wer sich dieser Tage in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter aufhält, wird um einen flüchtigen Blick auf das beängstigend zahlreich geteilte Videoprojekt „Kony 2012“ nicht drumherum gekommen sein. Mehr als 65 Millionen Aufrufe weltweit verzeichnet das Video der US-Lobbygruppe Invisible Children Inc. auf der Videoplattform YouTube. In bester Hollywood-Manier wird der Zuschauer schon zu Beginn des Videos mit dramatischen Szenen emotional eingestimmt, um die später folgenden Fakten und Daten, die im Werk des Regisseurs Jason Russel eher schmückendes Beiwerk darstellen, in den Hintergrund zu drängen.

Joseph Kony, der seit 1988 mit seiner „Lord Resistance Army“ den Norden Ugandas terrorisiert und geschätzte 30000 Todesopfer zu verantworten hat, gerät nun gezielt in den Fokus der Öffentlichkeit, da er bei seinen terroristischen Aktionen besonders auf Kindersoldaten setzt und im Zuge dieser Strategie seit vielen Jahren gezielt Kinder entführt und verschleppt. Das grundlegende Anliegen der Macher von „Kony 2012“, durch Einsatz moderner Massenmedien den seit 2005 vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesuchten Terroristen dingfest zu machen, scheint eine unterstützenswerte Aktion zu sein. Wären da nicht die vielen Kontroversen rund um das komplette Projekt und seine Initiatoren.

Der kanadische Student Grant Oyston veröffentlichte auf seinem Blog eine Reihe von interessanten Fakten, die das ganze Projekt in ein realistisches Bild rücken. Als sogenannte „Non-Profit-Organisation“ ist Invisible Childen Inc. dazu verpflichtet, ihre Finanzen offenzulegen. Erstaunlicherweise gingen im Jahr 2011 nur 32 Prozent der insgesamt rund acht Millionen US-Dollar Einnahmen als Unterstützung an die afrikanische Bevölkerung. Ein Großteil der restlichen Einnahmen verschwand in den Geldbeuteln der Betreiber. Des Weiteren wird durch das Geld der Firma die ugandische Armee unterstützt, welche, ebenso wie Joseph Kony, wegen Plünderung und Massenvergewaltigung in der Kritik steht. Darüber hinaus nutzt „Invisible Children“ an mehreren Stellen falsche Daten und vereinfacht in ihren Werken den Konflikt in Uganda auf brutale Art und Weise. Aktuell ist nicht einmal bekannt, ob Joseph Kony noch am Leben ist. Seit 2006 gibt es kein Lebenszeichen des ugandischen Verbrechers.

Besonders traurig ist, dass das Video „Kony 2012“ suggeriert, die Gewalt in Uganda und den umliegenden Staaten würde durch die Verhaftung Konys ein Ende finden. Dass die Probleme in Afrika weitaus tiefer gehen, sollte jedem gebildeten Bürger klar sein. Das wirklich Erschreckende am großen Rummel um Joseph Kony und „Invisible Children“ ist, dass eine unglaubliche Masse an Menschen das Projekt ohne kritische Betrachtung, einzig und allein durch Emotionen mobilisiert, gedankenlos weiterverbreitet. Philip Stein


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