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24.03.12 / Bald fliegen sie wieder am Predin / Segelflugtage in Rossitten auf der Kurischen Nehrung geplant

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Bald fliegen sie wieder am Predin
Segelflugtage in Rossitten auf der Kurischen Nehrung geplant

Allen Segelfliegern wird das Herz aufgehen, wenn sie lesen, was uns die Fluglehrerin Rosmarie Zantow aus Fassberg mitteilt: In Rossitten wird es diesen Sommer wieder einen Flugtag geben. 90 Jahre nach dem ersten Start 1922 wird zwischen dem 10. und 12. August wieder ein „Grunau Baby“ am Gummiseil vom Hang der großen Düne in Rossitten starten. Möglich gemacht wird dies durch das Engagement des Vizepräsidenten der Deutschen Sektion des Vintage Glider Clubs, Dr. Harald Kämper, in Verbindung mit dem Direktor des russsischen Nationalparks Kurische Nehrung, Anatolij Kalina, und dem Generalkonsul der Bundesrepublik in Königsberg, Aristide Fenster. Damit rückt das alte Nehrungsdorf Rossitten [Rybatschij], das durch die Vogelwarte weltweit bekannt wurde, wieder in den Fokus der Segelfliegerei, und alte Erinnerungen an die Pionierzeit des deutschen Segelfluges werden geweckt und damit an jenen Tag, an dem der 1892 im ermländischen Waldensee geborene und in Marienburg tätige Volksschullehrer Ferdinand Schulz auf der Kurischen Nehrung den ersten Weltrekord im Dauersegelflug erzielte und zum bekanntesten Segelflieger der Welt wurde.

Das war am 8. Mai 1924 und die Segelfliegerei steckte noch in den Kinderschuhen. Begonnen hatte in Rossitten der Segelflug nach Gründung des „Ostpreußischen Vereins für Luftfahrt in Königsberg/Pr.“ im Jahr 1920. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Fliegerei verboten, jedoch eine Gruppe Flugbegeisterter, allen voran Ferdinand Schulz, baute heimlich die ersten „Flugmaschinen“. Man erinnerte sich wieder an die Vogelwiese in Rossitten, wo man bereits um 1908 erste Flugversuche mit Hängegleitern unternommen hatte. Ehemalige Kriegsflieger wie Carl Berr, Erich Kristan, Kurt Peyan und natürlich Ferdinand Schulz zogen zur Erprobung nach Rossitten und gelangten zu der Erkenntnis, dass das Gelände um den Predin, die große Düne, durch den ständigen Hangaufwind gut geeignet für den Segelflug sei. Am 24. Oktober 1922 war es soweit: Ein heimlich gebautes Fluggerät wurde am Gummiseil „Ausziehen – Laufen – Los“ gestartet. Waren es anfänglich nur Flüge von wenigen Sekunden, so wurden durch beharrliches Training bald solche von 50 bis 60 Sekunden Dauer erreicht. Schnell hatte sich eine junge, ständig wachsende Gruppe Flugbegeisterter zusammengefunden, die an jedem Wochenende flog. Im Mai 1923 fand der Erste Küstensegelflug-Wettbewerb mit zwölf Flugzeugen aus ganz Deutschland statt. Nun ging die Rekordfliegerei erst richtig los, immer voran Ferdinand Schulz, Dauer-, Strecken- und Höhenweltrekorde wurden von ihm weltweit gehalten. Berühmt wurde seine „Besenstielkiste“, mit der er ein Jahr später den ersten Weltrekord im Dauersegelflug aufstellte. Das war schon ein seltsames Gerät, eine Art verspannter Hochdecker, eigentlich eine verspannte Fläche, deren dreieckige Enden beweglich waren. Die Spanndrähte liefen unten zu einer gebogenen Kufe, über der ein Brettchen montiert war, das dem Piloten als Sitz diente. Und auf diesem blieb „Ferdi“ acht Stunden, 42 Minuten und neun Sekunden in der Luft – ohne Jacke und ohne Nahrung, so dass er ziemlich durchgefroren und hungrig wieder am Predin landete, jubelnd mit dem traditionellen „kra-kra-kra“-Ruf seiner Flugkameraden begrüßt. Jetzt ging es erst richtig los. Im Januar 1925 wurde die „Rhön-Rossitten-Gesellschaft“ gegründet. Wettbewerbe fanden nun im jährlichen Wechsel statt. Beim Küsten-Segelflugwettbewerb der Gesellschaft in Rossitten im Jahr 1927 erweiterte Schulz den Weltrekord im Segelflug auf über 14 Stunden. Den Aufstieg des Nehrungsdorfes zu einem Paradies der Segelflieger durch die Gründung der Reichssegelflugschule 1933, als auf der Vogelwiese Hallen und Unterkünfte entstanden, erlebte Ferdinand Schulz nicht mehr: Der Pionier des Segelfluges stürzte am 16. Juni 1929 mit einem Motorflugzeug in Stuhm tödlich ab. Sein Gedenkstein soll dort noch heute stehen. In Rossitten wurden weiter spektakuläre Rekorde aufgestellt, darunter der erste Frauen-Rekord durch Liesel Zangemeister 1935 auf dem Predin. Dann kam das Ende. Willy Poschmann hatte am 18. Januar 1945 mit dem „Grunau Baby“ seinen vorletzten Start – man spricht in der Fliegerei niemals vom letzten. „Wird es in diesem August auch nur der vorletzte Flug sein?“, fragt Rosmarie Zantow, der wir für diesen interessanten Beitrag danken. R.G.


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