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24.03.12 / Historische Verstrickungen / Roman über Schuld und Sühne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Historische Verstrickungen
Roman über Schuld und Sühne

In ihrem neuen Roman „Der Sohn“ überrascht Jessica Durlacher mit spannenden Wendungen und einem unerwarteten Ende. Als Hermann Silverstein mit 80 Jahren nach einem scheinbaren Unfall in seinem Garten im Krankenhaus verstirbt, scheint auch die schützende Hand, welche bisher über der Familie gewacht zu haben schien, verschwunden. Seine Tochter Sara trifft es besonders. Erst wird sie von einem Fremden im Wald beim Joggen angehalten, geschlagen und missbraucht, und kaum, dass sie Zeit gehabt hätte, dies zu verarbeiten, wird im Haus ihrer Familie eingebrochen. Die Einbrecher schießen ihren Mann Jacob nieder, der immerhin überlebt. Darüber, was in der Zeit, in der Sara im Arbeitszimmer gefesselt war, mit ihrer Tochter Tess geschah, lässt Durlacher den Leser bis kurz vor Schluss des Romans im Unklaren.

Immer wieder streut die Autorin in die Handlung mit ein, dass Saras Vater als Jude im Zweiten Weltkrieg Schlimmes erleiden musste. Erst nach und nach wird für Sara und den Leser deutlich, inwiefern die Geschehnisse der Vergangenheit des Vaters unweigerlich mit den jüngsten Ereignissen verknüpft sind. „Die Schändung der persönlichen Unversehrtheit lässt sich nicht mitteilen, das wird mir jetzt klar – darum geht es. Als sei die Unversehrtheit ein Grenzraum, der der Sprache den Zugang verwehrt. Innerhalb dieser Grenze ist alles so unbestimmt, so weich und persönlich, dass Worte es nicht fassen können. Durch die Verletzung dieser Grenze ... verliert die gesamte Festigkeit und Erkennbarkeit seiner früheren Form. Ich wünschte, ich hätte die Zeit, im Wörterbuch alle Ausdrücke nachzuschlagen, mit denen man anderen erklären könnte, wie sich die Angst und der Horror anfühlen, die wir erfahren.“

Jacob und Sara haben jedoch nicht nur eine Tochter, sondern auch noch einen Sohn, Mitch, welcher zur gleichen Zeit eine Ausbildung zum Marine der US-Army absolviert. Aufgrund der strikten Regelungen ist es Sara nicht möglich, ihn über den traumatischen Raubüberfall zu informieren. Derweil versucht sie selber zu verstehen, was geschehen ist. „Ich habe anderthalb Flaschen Wein getrunken und alles notiert. Was ich damit anfangen werde – ich weiß es nicht. Ein Mittel gegen das Vergessen? Um mich hin und wieder wachzurütteln? Böses darf nicht mit Bösem vergolten werden. Erklären heißt nicht entschuldigen.“

Jessica Durlachers neuer Roman „Der Sohn“ beginnt zwar etwas unspektakulär, die Ermittlungen und Entdeckungen der Protagonistin Sara sorgen jedoch dafür, dass die Spannungskurve ordentlich nach oben geht. Wie bei Jessica Durlachers sämtlichen Romanen spielen auch in „Der Sohn“ die Ereignisse um und im Zweiten Weltkrieg, Antisemitismus und Nationalsozialismus eine entscheidende Rolle. Vanessa Ney

Jessica Durlacher: „Der Sohn“, Diogenes Verlag, Zürich 2012, geb., 407 Seiten, 22,90 Euro


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