28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.03.12 / Solidarpakt II im NRW-Wahlkampf / Gleich mehrere Kommunen des Ruhrgebiets sitzen in der Schuldenfalle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

Solidarpakt II im NRW-Wahlkampf
Gleich mehrere Kommunen des Ruhrgebiets sitzen in der Schuldenfalle

Pünktlich zum Wahlkampf haben SPD-Stadtkämmerer im Ruhrgebiet ihre Zahlungen für die neuen Bundesländer als Mitgrund für ihre finanzielle Misere entdeckt. Sollten die Zahlungen wegfallen, würde sich an der Lage vieler NRW-Kommunen allerdings kaum etwas ändern: Geht es nach dem Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), dann müssten die Dortmunder Zahlungen im Rahmen des Solidarpaktes II an die neuen Bundesländer sofort beendet werden.

Ein „perverses System“, bei dem arme Städte im Ruhrgebiet sich verschulden müssten, um ihren Beitrag leisten zu können, ist nach Ansicht Sieraus der seit 2005 bestehende Solidarpakt II. Dass sich dem Vorwurf auch Sieraus Parteifreunde aus Essen, Oberhausen und Gelsenkirchen angeschlossen haben, ist kein Zufall – es herrscht Wahlkampf.

Angesichts leerer Kassen eignet sich der Aufbau Ost wie kaum ein anderes Thema, um von eigenen Versäumnissen im jahrzehntelang von der SPD regierten Bundesland abzulenken. Wo die eigentlichen Probleme der Ruhrgebiet-Kommunen liegen, hat Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am Beispiel Gelsenkirchens deutlich gemacht: Die Stadt hat einen Haushalt von 845 Millionen Euro, lediglich 10 Millionen Euro werden für den Solidarpakt fällig – 170 Millionen Euro allerdings für Gelsenkirchens Sozialausgaben. Die Aufkündigung des Solidarpaktes würde an der Situation Gelsenkirchens nichts Wesentliches ändern. Ähnlich sieht es in Oberhausen aus: Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras musste inzwischen einräumen, dass die Stadt bei Wegfall des Solidarpaktes nur 6,5 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung hätte – weniger als ein Prozent des Haushaltes. Interessant ist das Beispiel Oberhausen allerdings noch aus einem anderen Grund: Bereits 1986 – fünf Jahre vor der Wiedervereinigung – musste die Stadt bei der Düsseldorfer Landesregierung erstmals einen Sanierungsplan für ihre Finanzen vorlegen. Mittlerweile kann sie ein unrühmliches Jubiläum vorweisen: 25 Jahre Sanierungsfall. Ähnlich wie in anderen Ruhrgebiets-Kommunen wird immer stärker auf sogenannte Kassenkredite zurückgegriffen. Eigentlich sind diese Kredite nur zur kurzfristigen Überbrückung gedacht, für viele NRW-Kommunen haben sie sich aber zum Dauerinstrument entwickelt. Bundesweit gehen inzwischen 50 Prozent aller kommunalen Kassenkredite an NRW-Städte. Die Aufnahme weiterer Kredite wird allerdings immer mehr zum Problem: Wichtige Kommunalfinanzierer wie die HRE, West LB oder Dexia haben sich weitgehend vom Markt zurückgezogen, andere Banken schauen immer öfter auf ein mögliches Ausfallrisiko.

Auch wenn die derzeitige Wahlkampfstrategie der NRW-SPD einen anderen Eindruck vermitteln will, die Probleme der Ruhrgebiets-Kommunen sind zu einem erheblichen Teil hausgemacht: Klientelpolitik hat den öffentlichen Dienst im Vergleich zu anderen Bundesländern über Jahrzehnte aufgebläht. Immense Kosten sind zusätzlich entstanden, weil zu lange versucht wurde, den Strukturwandel der Region mit Geld aufzuhalten, anstatt Neues zu entwickeln. Ebenso kostspielig wie ineffizent war die „Kirchturm-Politik“ vieler Städte im Ruhrgebiet. Trotz räumlicher Nähe werden bis heute Kommunalbetriebe parallel zueinander betrieben, statt sie kostensparend zusammenzulegen. Anstatt sich als zusammengehörender Wirtschaftsstandort zu begreifen, wird immer noch ein Konkurrenzkampf untereinander betrieben. Den Rest geben den überstrapazierten kommunalen Finanzen dann noch Spekulationsgeschäfte an den Finanzmärkten. Auf derartige Zinswetten, die häufig mit herben Verlusten enden, haben sich etwa 160 NRW-Kommunen eingelassen – pikanterweise häufig mit der West LB als Gegenpartei.

Dass die allzu populistische Wahlkampf-Strategie der nord­rhein-westfälischen SPD überhaupt Beachtung findet, hat viel mit Begriffsverwirrung zu tun: Der Unterschied zwischen dem Solidarpakt II, den die NRW-Kommunen abgeschafft haben wollen und dem Solidaritätszuschlag („Soli“), der als Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftssteuer erhoben wird, ist in weiten Teilen der Bevölkerung  kaum bekannt.   Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren