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31.03.12 / Mit dem Rücken zur Wand / Kalter Krieg mit dem Westen: Isolation zwingt Lukaschenko zur Kooperation mit Russland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

Mit dem Rücken zur Wand
Kalter Krieg mit dem Westen: Isolation zwingt Lukaschenko zur Kooperation mit Russland

Weißrussland droht der wirtschaftliche Zusammenbruch. Präsident Alexander Lukaschenko schließt jedoch die Augen davor, liefert sich einen Kalten Krieg mit dem Westen und gerät dabei immer weiter in die Fänge Moskaus, ohne dessen Unterstüzung das Land längst pleite wäre.

Erst die massive Verfolgung der Opposition, nun ein fragwürdiges Todesurteil und dessen eilige Vollstreckung an zwei jungen Männern, deren Schuld an dem Anschlag in der Minsker U-Bahn im vergangenen Jahr gar nicht erwiesen ist: Nach Sanktionen gegen weißrussische Politiker und Oligarchen, die das System Lukaschenko unterstützen, haben die Länder der Europäischen Union nun solidarisch ihre Botschafter abgezogen, auch Litauen, mit dem Minsk wirtschaftliche Beziehungen im Transitbereich unterhält. Als weitere Maßnahme wurde die Aberkennung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014, die in Weißrussland ausgetragen werden sollte, erwogen.

Dass  EU-Sanktionen nicht wirkungslos sind, bezeugt die Warnung Moskaus. Weil viele weißrussische Betriebe mit der russischen Wirtschaft verflochten sind, sieht der Kreml eigene Interessen  durch Wirtschaftssanktionen gefährdet. Belorussland ist zwar in erster Linie als Transitland für russisches Öl und Gas in den Westen wichtig, aber zunehmend geraten auch andere Branchen unter russischen Einfluss. Deren Produkte sind für den Export bestimmt, weshalb Einfuhrverbote sich dann auch auf russische Unternehmen auswirken.

Kritiker glauben, dass Lukaschenkos politisches Überleben ohne Geld aus Moskau bald zu Ende gehen würde. Seinen Wahlsieg hat der Diktator sich teuer erkauft, denn die Wahlversprechen aus dem Vorjahr bescherten dem Land eine Inflationsrate von 108,7 Prozent. Der Zustand der Wirtschaft ist katastrophal. Hilfe aus dem Ausland wird immer dringender benötigt. Lukaschenko beschönigt die Situation mit der Erfolgsmeldung, dass die Inflation seit Anfang des Jahres bei nur zwei Prozent liege. Notenbank-Chef Wladimir Senko ließ dagegen neue 200000-Rubel-Scheine drucken, um die Folgen der galoppierenden Inflation für die Bevölkerung abzumildern. Sie sind nicht einmal 20 Euro wert. Der Leitzins liegt derzeit bei 38 Prozent. Die Nationalbank bezifferte erst vor kurzem die Summe, die Weißrussland im Jahr 2012 für seine Schulden aufbringen muss, auf rund 14 Milliarden Euro, das entspricht 34,6 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Im Vorjahr waren es noch 4,7 Milliarden Euro gewesen.

Kein Wunder, dass Geschäfte mit Russland für Lukaschenko immer wichtiger werden. Doch auch der große Bruder in Moskau ist nicht mehr so ohne Weiteres bereit zu helfen. Die Hilfe aus dem Osten ist an konkrete Forderungen geknüpft. Moskau fordert immer drängender die Privatisierung von Staatsbetrieben und beruft sich dabei auch auf Expertenmeinungen des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Vergangene Woche wurde Lukaschenko zu einer Konferenz des Rates der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft in Moskau einbestellt und an die Erfüllung seiner Pflichten er-innert. Lukaschenko hatte im vergangenen Jahr, als das Land schon einmal vor dem Staatsbankrott stand, aus dem Antikrisenfonds der Eurasischen Entwicklungsbank einen Kredit in Höhe von 736 Millionen Euro erhalten.

Die Zahlung der bereits zugesagten weiteren Tranche in Höhe von 329 Millionen Euro, die am 28. Februar hätte zur Auszahlung kommen müssen, blieb aus, weil Minsk eine Liste der zur Privatisierung vorgesehenen Betriebe nicht vorlegen konnte. Noch versucht Alexander Lukaschenko, den Ausverkauf wichtiger Staatsbetriebe hinauszuzögern, obwohl er längst weiß, dass ihm nichts anderes übrig bleiben wird.

Die russischen Investoren werden nicht mehr allzulange warten müssen. Da Lukaschenko aufgrund ständiger Konfrontationen mit dem Westen von dort keine Kredite mehr erwarten kann, ist er auf den eurasischen Kredit angewiesen. Die russischen Oligarchen teilen den Kuchen bereits unter sich auf. Sie sind vor allem an petrochemischen Unternehmen interessiert wie den ölverarbeitenden Fabriken Mosyrskij und Nowopolozkij. Verhandlungen über das Alkaliwerk Belaruskali und die Pipeline Druschba gibt es schon lange. Die Kontrolle über die Gastransitleitung hat Lukaschenko bereits an Moskauer Investoren abgeben. Nun haben die Russen auch die belorussische Telekommunikation ins Visier genommen.

Der Ölkonzern Rosneft lieferte 2011 4,1 Millionen Tonnen Öl nach Weißrussland, das ist eine Steigerung von 46,4 Prozent gegenüber 2010. An der Weiterverarbeitung profitiert der Konzern ebenfalls über seine Beteiligung an weißrussischen Betrieben. Im April wird in Weißrussland nahe der Grenze zu Litauen mit dem Bau eines Kernkraftwerks, das zu großen Teilen aus dem russischen Haushalt finanziert wird, begonnen.

Wenn im Mai Wladimir Putin als  Präsident vereidigt wird, dürfte er Druck auf Minsk ausüben, die Bildung der Eurasischen Union unter der Führung Moskaus zu forcieren. Putin war schon während seiner zweiten Amtszeit bemüht, Russlands Großmachtstatus  wiederherzustellen. Bislang konnten die Ex-Sowjetländer diesen Ambitionen widerstehen. Weißrussland wird sich dem Würgegriff des Kremls in seiner derzeitigen Lage kaum entziehen können. Manuela Rosenthal-Kappi


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