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31.03.12 / Farben und Atmosphäre Ostpreußens / »Ich übertrage das Gefühl«: Ein Rundgang durch die Lüneburger Eduard-Bischoff-Ausstellung mit Kustos Jörn Barfod

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

Farben und Atmosphäre Ostpreußens
»Ich übertrage das Gefühl«: Ein Rundgang durch die Lüneburger Eduard-Bischoff-Ausstellung mit Kustos Jörn Barfod

Noch bis Ostern stellt das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg die Bilder des Malers Eduard Bischoff aus. Von 1915 an  konnte er ein halbes Jahrhundert lang an der Staffelei seinen innersten Impulsen farbigen Ausdruck verleihen. Ostpreußische Motive und Landschaften kehrten in seinen Gemälden beständig wieder. Der 1890 in Königsberg geborene Maler gehört zu den führenden Künstlern Ostpreußens im 20. Jahrhundert. Bischoff verlor nicht nur die Heimat, sondern erlitt das Schwerste, das einen Künstler treffen kann: Der Krieg vernichtete einen Großteil seiner Originale. Dass er zu Unrecht in Vergessenheit geriet, belegt die Ausstellung seiner ausdrucksvollen Bilder.

Das Zitat, das den Titel der ganzen Ausstellung bildet, stammt aus einem Brief des Malers von 1961: „Wenn ich zum Beispiel vor einer Kirche in Italien meine Staffelei aufstelle, dann male ich doch nicht ihre Architektur, sondern ich übertrage das Gefühl, das sie mir gibt oder in mir wachruft.“

Diese Beschreibung eines Malvorganges lässt sich eindrucksvoll an den verschiedenen Bildern in der Ausstellung nachvollziehen. Das früheste Werk ist ein Selbstbildnis als Soldat von 1915, ein ernst und skeptisch aus dem Bild blickender junger Mann in Uniform, der mit seinen 25 Jahren schon alle Schrecken des Krieges gesehen hat. Es ist verbunden mit einer Widmung an einen seiner Lehrer der Kunstakademie, die Bischoff, 1890 geboren, ab 1910 in seiner Vaterstadt Königsberg besuchte. 1914 musste er dann in den Krieg ziehen.

Bei einem Lazarettaufenthalt lernte er seine spätere Frau Gertrud kennen. Sie ist auf einem großen Portrait zu sehen: eine vor einem Kindergrab knieende Frau in schwarzer Trauerkleidung. 1921 war das erste Kind aus der Ehe des Malers bald nach der Geburt gestorben. Mit verlorenem Blick und leicht gebeugt ist sie ein ergreifendes Bild für den Ausdruck einer stillen, tiefen Trauer. Es entspricht aber der positiven und gläubigen Grundhaltung des Malers, dass neben dem Verweis auf das kleine Grab, auf dem schüchtern blaue und weiße Blüten stehen, auch eine Hand nach oben weist.

Im Laufe der 20er Jahre wird die Hand Bischoffs lockerer, die Pinselstriche werden schneller und die Farbe kommt in großer Vielfalt zu ihrem Recht. Nach den Phasen, wo noch der Stil der deutschen Impressionisten in Bischoffs Malweise spürbar ist, kommt die freie Suche in den 20er Jahren. Hier steht neben Eindrücken einer Paris-Reise auch der Spätstil des in Königsberg damals sehr bewunderten Lovis Corinth als Inspirationsquelle dahinter.

Es spricht für Eduard Bischoffs großes Talent, dass er bereits früh zur Wandmalerei hinzugezogen wird. Entsprechende Aufträge, die der freischaffende Künstler selbst vom ersten Entwurf bis zur Ausführung allein bewältigt, zum Beispiel für die Stadthalle Insterburg, beginnen in den späten 20er Jahren. Diese Arbeit mag auch dazu geführt haben, dass die Formen Bischoffscher Figuren und Bildgegenstände fester, die Farben wieder konzentrierter und dunkler werden. Er entwickelt eine noch größere Sicherheit in der Form. Man darf hierbei nicht übersehen, dass Königsberg in künstlerischer Hinsicht ab 1925 sehr fortschrittlich war, als mit Fritz Burmann ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit Akademielehrer wird (bis 1935). Sein Nachfolger wurde 1936 Eduard Bischoff.

Für diesen ernsten Stil kann stellvertretend das Doppelbildnis der Kinder des Malers angesehen werden: Vor dunklem Raum stehen, als Dreiviertelfiguren gemalt, der Sohn links, schräg rechts dicht vor ihm die Tochter, beide in eng umschlossener Außenform. Licht und Schatten werden wirkungsvoll gegeneinander gesetzt, wie helle und dunkle Farben. Selbstbewusst blicken sie den Betrachter ernst an.

Die Schaffensjahre bis 1944 sind heute nicht mehr mit sehr vielen Originalen zu belegen, zuviel ging bei Kriegsende 1945 in Ostpreußen unter. Für die Kennzeichnung der künstlerischen Entwicklung Bischoffs mag beispielhaft eine große Figurenkomposition von 1948 stehen. In diesem Jahr begann der Neuanfang nach der Flucht aus Königsberg an einem ersten Wohnort im Westen Deutschlands, in Holxen bei Uelzen. „Legende“ ist der Titel der Darstellung dreier Reiterfiguren, eines stehenden männlichen Akts mit weißem Pferd und zwei Jagdhunden, als St. Hubertus gemeint, einer dynamischen Gewandfigur mit Schwert vor einem schwarzen Pferd stehend als Sankt Georg und rechts einem Reiter mit auffallendem roten Matelumhang auf einem braunen Pferd als Heiliger Martin. Die drei Heiligen stehen vor einer flachen grünen Landschaft mit Bäumen, die einen romantisierenden Charakter zeigt, wie er für Bischoffs Landschaftsmalerei seit den 30er Jahren allmählich typisch wurde.

Zugleich steht dieses Werk am letzten großen Wendepunkt im Leben des Künstlers, der durch seinen Königsberger Kollegen Franz Marten die Gelegenheit erhielt, in Gelsenkirchen auf dem Künstlerhof Halfmannshof ein Atelier zu bekommen. Hier konnte er, auch von der Lehrverpflichtung der Akademie befreit, sich seiner Malerei noch einmal ganz widmen. Die schon bald ankommenden Aufträge stellen neue, große Herausforderungen dar, und neue Reisemöglichkeiten bringen weitere künstlerische Anregungen.

Unter den neuen Eindrücken und mit der Erfahrung aus vier Jahrzehnten Malereischaffen entwickelte Bischoff seit den frühen 50er Jahren einen freieren Stil, breiter im Strich, farbiger in der Palette, großzügiger in der Formreduktion. Aus Kompositionen der Zeit seines Wirkens in Ostpreußen, die er als Skizzen, Fotos und aus der Erinnerung vor Augen hat, schafft er neuerlich kraftvolle Werke mit Themen aus seiner Heimat.

Bischoff schlug einen kulturgeschichtlichen Bogen von Ostpreußen in die junge Bundesrepublik. In dieser Funktion liegt eine weitere Bedeutung des Künstlers, die Kunst aus einem der Ostgebiete in die neu entstehende Kunstszene Westdeutschlands mit einzubringen. Eduard Bischoff blieb bis gegen 1970 tätig, seit 1962 war er in Soest ansässig. Dort verstarb er im Januar 1974.

Derzeit ist offen, ob und wenn ja, wann noch einmal eine solche umfangreiche Retrospektive einer der namhaftesten ostpreußischen Maler des 20. Jahrhunderts stattfinden kann.


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