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07.04.12 / US-Kirchen geht der Nachwuchs aus / Vor allem die dominierenden protestantischen Glaubensrichtungen verlieren Anhänger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

US-Kirchen geht der Nachwuchs aus
Vor allem die dominierenden protestantischen Glaubensrichtungen verlieren Anhänger

Wird Amerika ein Land von Ungläubigen? Ist dieses historische Bollwerk vorwiegend protestantischer Christenheit in Gefahr zu zerbröckeln? Das Gegenteil würde man vermuten, wenn man die paradoxe Schlacht der republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten in diesem Wahljahr um die Stimmen der frommen Wähler verfolgt, doch der Eindruck täuscht.

Hatte einst Präsident Thomas Jefferson (1801–1809) noch stolz die Trennung von Kirche und Staat als erste Präambel in der Verfassung verankert (was bis heute gilt), so ist nicht zu übersehen, wie sehr die Religion indirekt die US-Politik bestimmt. Da will man Mitt Romney zu Fall bringen, weil er Mormone ist (wie es einst John F. Kennedy als Katholik erleben musste). Da laufen die einflussreichsten religiösen US-Wähler, die protestantischen „White Evangelicals“ (Weiße Evangelikale) mit ihrer Tea Party in Scharen zum konservativen katholischen Rick Santorum über, während die liberaleren Katholiken den vergleichsweise liberaleren Mitt Romney wählen. (Den etwa vier Millionen mobilisierter „White Evangelicals“ verdankte 2004 bereits George W. Bush seine zweite Amtszeit.) Und während heiße politische Themen wie Wirtschaft, Jobs, Benzinpreise und Außenpolitik unter den Nägeln brennen, kommen die Männer, die US-Präsident Barack Obama ablösen wollen, nicht weg von endlosen Diskussionen über christlich-konservative Themen wie Abtreibung, Verhütung, Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ehe. In dieses Horn stößt auch Sarah Palin, die die Ikone der Frauenbewegung der „White Evangelicals“ geworden ist.

Wieso also sollte ein Amerika, in dem diese religiösen Stürme toben und dass zu 78,4 Prozent christlich ist, zum „Land der Ungläubigen“ werden? Grund ist ein immer dramatischer werdender Wandel in der religiösen Landschaft der USA, angeführt von den „Nones“. Das sind junge Leute zwischen 18 und 29 Jahren, die gemäß offizieller Studie auf die Frage nach ihrer Religionszugehörigkeit mit „keine“ geantwortet haben. Über 75 Prozent dieser Altersgruppe sieht sich als „spirituell, aber nicht religiös“. Die „Nones“ sind nicht atheistisch, aber sie wollen sich nicht vorschreiben lassen, an welchen Gott und in welcher Weise sie zu glauben haben, gleich wie sie erzogen wurden. Diese Tendenz trifft in geringem Maße auch andere Religionen wie die jüdische, die aber ohnehin nur 1,7 Prozent ausmacht (Moslems 0,6 Prozent).

Am härtesten betroffen jedoch sind die christlichen Glaubensrichtungen. Die heftigen Verluste der katholischen US-Kirche werden dabei sogar noch aufgefangen durch die vielen lateinamerikanischen Einwanderer. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung dank deshalb „nur“ von 33 auf rund 25 Prozent. Auf der Strecke bleiben die seit Gründungszeiten dominierenden Protestanten mit ihren ungezählten Verzweigungen. Die Mormonen, Baptisten, Zeugen Jehovas und viele mehr, sie alle leben fast nur noch von ihren älteren Mitgliedern. Die Protestanten haben seit 1960 ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Am stabilsten sind noch die „schwarzen“ Kirchen, die mit ihren aufwühlenden Gospel-Gesängen, temperamentvollen Chören und Predigern ihre eigene Lithurgie haben. Während die Evangelikalen verbissen um ihre schwindende Macht kämpfen und offenbar gerade deshalb in diesem Wahlkampf so stark auf sich aufmerksam machen, als könne man so den Wandel aufhalten.

Diesem entgeht auch nicht die lange unangefochtene Herrschaft der sogenannten Mega-Kirchen mit ihren prominenten TV-Predigern, die sich jahrzehntelang einer riesigen Anhängerschaft mit Millionen-Spenden erfreuten. Im Februar machte die weltberühmt gewordene „Crystal Cathedral“ von Reverend Robert H. Schuller in Orange bei Los Angeles pleite und musste verkauft werden. Der einzigartige funkelnde Glaspalast gehört jetzt der katholischen Kirche. Die an ein Luxusleben gewöhnten Schullers haben sich mit Finanzklagen im Streit von der Kongregation getrennt. Keiner weiß, was aus der legendären Fernseh-Show „Hour of Power“ wird. Schullers blonde Tochter Sheila Schuller Coleman (53), bisherige Hauptpastorin der Crystal Cathedral, hat soeben eine neue Kirche gegründet, das „Hope Center of Christ“. Sie predigt in Kinos und Einkaufszentren, so wie einst ihr Vater vor 40 Jahren begann. Religions-Professor Hubbard von der California State Universität vergleicht das dramatische Ende der langen strahlenden Schuller-Ära mit einer griechischen Tragödie: „Die Crystal Cathedral hatte ihren Platz in einer bestimmten Zeit. Diese Zeit ist vorüber. Kein Empire hält sich ewig.“ Und das sei gut so, meint der Theologe Philip Clayton: „Der Aufstieg der ,Nones‘ mag sehr wohl eine neue Zeit des spirituellen Erwachens einleiten, in der Zweifler willkommen sind.“ Liselotte Millauer


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