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07.04.12 / Letzte Hoffnung Angola / Spanische Wirtschaft kommt nicht auf die Beine – Portugals Armut reißt spanische Banken mit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Letzte Hoffnung Angola
Spanische Wirtschaft kommt nicht auf die Beine – Portugals Armut reißt spanische Banken mit

Lange Zeit gab es die Befürchtung, dass Italien mit seinem immensen Refinanzierungsbedarf von 360 Milliarden Euro im laufenden Jahr zum nächsten Krisenherd in der Euro-Zone wird. Inzwischen rücken allerdings immer mehr die Problem Spaniens in den Vordergrund.

Die kritische Lage auf der iberischen Halbinsel könnte schon in den nächsten Monaten eskalieren. Schenkt man den neuesten Spekulationen zum Brüsseler Personalgeschacher Glauben, dann verliert Spanien zwar demnächst seinen prestigeträchtigen Sitz im EZB-Direktorium an Luxemburg, gewinnt aber dafür möglicherweise mehr Einfluss auf eine Behörde, die für Spanien in den nächsten Jahren ebenso wichtig wie die EZB werden könnte: Spaniens Verzicht auf Vertretung im EZB-Direktorium könnte mit dem Chefposten beim ständigen Euro-Rettungsschirm ESM entschädigt werden.

Angesichts nicht abreißender Negativ-Nachrichten könnte der ESM für Spanien in den nächsten Jahren noch überlebenswichtig werden. Erst vor wenigen Wochen musste Ministerpräsident Mariano Rajoy eingestehen, dass das spanische Haushaltsdefizit statt, wie den übrigen Euro-Ländern zugesichert, bei 4,4 Prozent 2012 vermutlich bei 5,8 Prozent liegen wird. Nicht nur der Bruch der gemachten Zusicherung, der für Brüssel eine böse Überraschung war, sondern auch die von Rajoy nachgeschobene Aussage, dass es sich bei der Defizitüberschreitung um eine „souveräne Entscheidung“ Spaniens handele, kann als bewusste Brüs­kierung sowohl der EU-Kommission als auch der Bundeskanzlerin Merkel gewertet werden. Den von Merkel vorangetriebenen EU-Fiskalpakt hatte Spanien nur wenige Tage vorher unterzeichnet. Rajoys Auftrumpfen hat den Pakt bereits innerhalb weniger Tage zu Makulatur werden lassen und als Täuschung zur Durchsetzung weiterer Transferzahlungen diskreditiert.

Nötig werden könnten solche Zahlungen schon bald und sogar in einem erheblichen Umfang. Die größte Gefahr geht dabei nicht einmal von der staatlichen Verschuldung Spaniens aus, sondern von der Verschuldung der Privathaushalte und Unternehmen. Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey zufolge ist die durchschnittliche Verschuldung spanischer Unternehmen sechsmal höher als die deutscher. In dieser ohnehin ungünstigen Ausgangslage häufen sich die Meldungen, dass die Gewinne spanischer Unternehmen auf breiter Front wegbrechen. Hält diese Entwicklung an, dann dürfte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Spanien noch weiter ansteigen als bisher. Bereits 2011 hat die Zahl der Firmenpleiten nach Angaben des Wirtschaftsauskunftsdiensts Creditreform um 18,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Arbeitslosenzahlen wieder. So ist mittlerweile fast jeder vierte Spanier (23,2 Prozent) – unter den Jugendlichen sogar praktisch jeder zweite (49,9 Prozent) – von Arbeitslosigkeit betroffen.

Diese Zahlen wären für jede Gesellschaft sozialer Sprengstoff genug, noch brisanter wird die um sich greifende Arbeitslosigkeit angesichts der Verschuldung der Privathaushalte in Spanien. Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung ist der Privatsektor mit 227 Prozent (Deutschland 63 Prozent) verschuldet. Aufgenommen wurden die Schulden zu einem erheblichen Teil zur Finanzierung von Immobilien.

Auch auf diesem Sektor – für Jahre eigentlicher Motor des Wirtschaftsaufschwungs in Spanien – scheint die Krise nicht beendet, sondern erst am Anfang zu stehen. Nach Angaben des spanischen Statistikamtes sind die Preise für Häuser und Wohnungen im vierten Quartal 2011 um elf Prozent gefallen – seit Beginn der regelmäßigen Erhebungen durch die Behörde im Jahr 2008 war das der stärkste Preiseinbruch überhaupt.

Fast parallel zum Preisverfall bei den kreditfinanzierten Immobilien entwickelt sich für den spanischen Bankensektor eine weitere Bedrohung: die Zahl der nicht mehr bedienten Kredite. Nach Angaben der spanischen Zentralbank waren im Januar 7,91 Prozent der von den Banken ausgereichten Kredite mindestens drei Monate überfällig. Für die spanischen Banken bedeutet dies einen drohenden Ausfall von 140 Milliarden Euro.

Gefahr droht dem Bankensektor allerdings noch von anderer Seite. Zu einer Art von Brandbeschleuniger könnte sich für den spanischen Finanzsektor die Situation im Nachbarland Portugal entwickeln. Spanische Banken sind dort mit 78,8 Milliarden Euro an Krediten engagiert. Mit 249 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ist nicht nur die Verschuldung des Privatsektors noch höher als in Spanien, auch sind die Wirtschaftsprognosen für das laufende Jahr noch pessimistischer. Während offizielle Stellen in Lissabon noch mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um lediglich drei Prozent im Laufe des Jahres rechnen, halten Analysten etwa vom Bankhaus Nomura sogar ein Schrumpfen der portugiesischen Wirtschaftsleistung um 4,4 Prozent für wahrscheinlich. Wie aussichtslos viele Portugiesen selbst die Lage einschätzen, wird an einem Phänomen deutlich, das noch vor wenigen Jahren Seltenheitswert hatte: Die ehemalige portugiesische Kolonie Angola wird für Techniker und Ingenieure immer öfter zur letzten Hoffnung bei der Suche nach Arbeit. Norman Hanert


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