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07.04.12 / Ende eines »praktisch unsinkbaren« Schiffes / Vor 100 Jahren wurde ein Eisberg dem damals weltweit größten Luxusdampfer »Titanic« zum Verhängnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Ende eines »praktisch unsinkbaren« Schiffes
Vor 100 Jahren wurde ein Eisberg dem damals weltweit größten Luxusdampfer »Titanic« zum Verhängnis

Am 10. April 1912 lief die „Titanic“ zu ihrer ersten und gleichzeitig letzten Fahrt aus. Das ruhmlose Scheitern des damaligen Stolzes der seinerzeit größten Seefahrernation an den Naturgewalten, einem Stück gefrorenen Wassers zeigte dem Menschen in einer euphorischen Zeit seine Grenzen auf und dämpfte den die damalige Epoche wie kaum eine andere prägenden Fortschrittsglauben, bevor diesem wenige Jahre später die Desillusionierung des Ersten Weltkrieges ein (vorläufiges) Ende bereitete.

Anfang des 20. Jahrhunderts stand die transatlantische Passagierschifffahrt in ihrer höchsten Blüte. Die Schiffe wurden immer schneller, größer und luxuriöser. Die „Mauretania“ der Cunard-Reederei hatte gerade das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung gewonnen, als die White Star Line zwei Riesenschiffe in Auftrag gab, die „Titanic“ und ihr etwas kleineres Schwesterschiff „Olympic“, die nicht für die Schnelligkeit gebaut waren, aber an Größe und Eleganz alle anderen Schiffe übertreffen sollten.

Die „Titanic“ war zu der Zeit das größte jemals von Menschenhand erschaffene Objekt, ausgestattet mit jedem vorstellbaren Luxus, wie er auch in den Grand Hotels der Welt zum Standard gehörte. Mit diesem Interieur sollte besonders die „High Society“, sollten die Reichen und Adeligen der Welt angesprochen werden, was mit acht Millionären an Bord bei der Jungfernfahrt auch gelang. Aber auch in der zweiten und dritten Klasse war die Einrichtung deutlich komfortabler als auf anderen Schiffen. So fand die Jungfernfahrt natürlich unter großem öffentlichen Interesse statt.

Ein Fachmagazin prägte den Ausdruck „praktisch unsinkbar“, weil die Titanic in 15 verschiedene wasserdichte Sektionen eingeteilt werden konnte, die allerdings nicht bis zum obersten Deck reichten. Auch die 20 vorhandenen Rettungsboote genügten den gesetzlichen Vorschriften, obwohl in den ersten Planungen erst 64 und dann 32 vorgesehen waren. Damit wären aber die Decks nur eingeschränkt nutzbar gewesen.

Die Reise begann unter einem schlechten Stern, da die walisischen Bergleute streikten und es kaum Kohle gab. Die Reederei buchte alle Passagiere von anderen Schiffen auf die „Titanic“ um und entnahm deren bereits gebunkerte Kohle, um so das Prestigeobjekt „Titanic“ auf Jungfernreise schicken zu können. Dennoch war das Schiff nicht ausgebucht, nur 1294 statt der möglichen 2603 Passagiere gingen an Bord.

Am 10. April 1912 lief die „Titanic“ mittags in Southampton aus, um nach Zwischenstopps in Cherbourg und Queenstown den Nordatlantik zu überqueren. Es war eine angenehme Überfahrt. Die Passagiere aller Klassen genossen das Bordleben und freuten sich auf die Ankunft in New York.

Der 14. April 1912 war sonnig und klar, es begann jedoch am Nachmittag abzukühlen. Ab mittags kamen per Funk die ersten Eisberg-Warnungen. Dessen ungeachtet ließ Kapitän Edward John Smith die Maschinen nicht drosseln. Auch weitere Eisberg-Warnungen wurden ignoriert, die Funker waren mit dem Absetzen von privaten Funksprüchen der Passagiere beschäftigt. Zwei Matrosen besetzten im Krähennest 15 Meter über dem Deck den Ausguck und entdeckten um 23.40 Uhr einen Eisberg 500 Meter voraus. Trotz schneller Warnung an die Brücke und des Versuchs beizudrehen schrammte die „Titanic“ steuerbords an der Bugseite am Eisberg entlang. Niemand hatte damit gerechnet, dass durch den Eisberg das Wasser an vielen kleinen Stellen eindrang und sechs Sektionen beschädigt wurden. Schon bald wurde dem verantwortlichen Chefkonstrukteur Thomas Andrews klar, dass der Untergang unmittelbar bevorstand. Allerdings war es anfangs gar nicht leicht, die Passagiere davon zu überzeugen, da der Zusammenstoß von vielen nicht als dramatisch wahrgenommen wurde. Es wirkte an Deck des noch ruhig im Wasser liegenden Riesenschiffs deutlich sicherer als in einer wackeligen Nussschale von Rettungsboot, die aus der Höhe des Bootsdecks in den eisigen Nordatlantik hinabgelassen wurde. Einige Offiziere vertraten eisern die Regel „Frauen und Kinder zuerst“ und ließen selbst größere Jungen nicht an Bord. Andere ließen Männer mit ihren Familien zusammen. Der amerikanische Millionär John Jacob Astor beispielsweise musste zurückbleiben, nachdem er seine junge schwangere Frau ins Boot geleitet hatte. Etwa 2200 Menschen waren an Bord der „Titanic“. Es gab jedoch nur 1178 Plätze in den Rettungsbooten, wobei die Boote noch nicht einmal alle voll besetzt wurden, über 400 Plätze blieben frei. Nach dem immer mehr Sektionen voll Wasser gelaufen waren, senkte sich erst der Bug, das Heck ragte zunehmend steiler aus dem Wasser.

Am 15. April um 2.20 Uhr zerbrach die „Titanic“ und versank im Ozean. Obwohl mehrere Schiffe in der Nähe der „Titanic“ waren, hörte kaum eines davon ihre SOS-Rufe. Die Funkanlagen waren oft nachts nicht besetzt oder die Signale wurden nicht richtig verstanden. Der kleine Cunard-Dampfer „Carpathia“ reagierte sofort und preschte 58 Seemeilen mit Höchstgeschwindigkeit herbei. Am nächsten Morgen konnten aus den Rettungsbooten noch 705 Menschen gerettet werden, zirka 1500 starben beim Untergang.

Was macht noch 100 Jahre nach dem Untergang den Mythos der „Titanic“ aus, so dass noch heute selbst Kinder ihren Namen kennen? Es ist die Tragik der verpass­ten Chancen: Wäre es passiert, wenn Kapitän Smith die Geschwindigkeit der Wetterlage angepasst hätte? Oder im Ausguck Ferngläser vorhanden gewesen wären? Oder statt des versuchten Ausweichmanövers ein Fron­tal­zu­sam­menstoß mit dem Eisberg ris­kiert worden wäre? Es hätten viel mehr Menschen gerettet werden können, wenn die viel näher liegende „California“ ihr Funkgerät noch auf Empfang gehabt hätte, wenn die Rettungsboote voll besetzt worden wären oder die halb leeren Boote umgekehrt wären, um Menschen aus dem Wasser zu retten. Fehlentscheidungen und Fehlverhalten haben aus diesem Untergang eine Tragödie gemacht, die schon damals durch die Medien weltweit verbreitet wurde.

Die Geschichte vom dramatischen Untergang des damals größten Luxusdampfers der Welt, auf dem die Reichen der Welt gentlemanlike ihren Tod akzeptierten und die Passagiere der dritten Klasse kaum eine Chance hatten, überhaupt nur in die Nähe eines Rettungsboot zu kommen, lässt den Mythos bis heute andauern. Britta Heitmann


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