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07.04.12 / Das Raritätenkabinett auf St. Pauli hat ein Arzt gerettet / Eine Kuriosität, die »überweltigt«: Harrys Hamburger Hafenbasar hat noch viel mit sich vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Das Raritätenkabinett auf St. Pauli hat ein Arzt gerettet
Eine Kuriosität, die »überweltigt«: Harrys Hamburger Hafenbasar hat noch viel mit sich vor

Ich bin überwältigt!“, sagt ein Besucher, nachdem er mit seiner Tochter die engen Gänge der 39 Räume mit insgesamt 300 Quadratmetern erkundet hat. Er könnte auch sagen „überweltigt“.

Jeden Tag kann in der Hamburger Erichstraße 56 eine kleine Weltreise angetreten werden, denn in den Räumen befinden sich über 300000 Exponate aus aller Welt. Angefangen hat alles mit dem Namensgeber Harry Rosenberg, der als Seemann seinen Kindern zeigen wollte, wo er überall gewesen ist, und aus aller Welt Masken und Figuren mitgebracht hat. Auch Briefmarken und Münzen, mit denen er, nach dem Abschied von der Seefahrt, ein Geschäft gründen wollte. Er schmückte diesen Geschschäftsraum mit besagten Masken und Figuren. Kunden interessierten sich viel mehr für die „Dekoration“ und so beauftragte er die Seemänner, die in Sankt Pauli Landgang hatten, damit, ihm alles mitzubringen, das ihnen kurios, exotisch oder wertvoll erschien. So eröffnete Harry Rosenberg 1954 seinen Basar.

Einlass wird einem nach Klingeln gewährt, aber erst nachdem man einen Obolus, mehr für den Erhalt der Kuriosität, denn für die Bereicherung des Eigentümers, entrichtet und seine Jacken, Mäntel und Taschen in einen Korb gelegt hat. Zum Jacke Aus- und Anziehen ist in dem Museum nämlich kein Platz. Und wenn eine bestimmte Anzahl Besucher überschritten ist, muss man auch schon einmal vor der Tür warten, was man eigentlich nur von großen Ausstellungen wie im Berliner Pergamon-Museum kennt. Den Fotoapparat sollte man bei sich halten, denn Fotografieren ist ausdrücklich gestattet.

Nachdem man sich mit der Gruppe im Inneren des Hafenbasars befindet, erzählt Gereon Boos, der den Basar im September 2011 übernommen und so eine Hamburger Tradition vor dem Aus gerettet hat, den Museumsbesuchern etwas über Harry Rosenberg, die Entstehung des Hafenbasars und wie man sich darin verhalten sollte.

„Folgt“ – man wird gleich geduzt – „den schwarzen Pfeilen, dann verirrt ihr euch nicht! Fasst nichts an, sondern ruft mich, wenn ihr etwas erklärt haben oder kaufen möchtet!“ Alle Ausstellungsstücke, die keinen roten oder grünen Punkt tragen, sind käuflich zu erwerben, schließlich ist es noch immer ein Basar. Und zu jeder Figur weiß Boos, der selbst viele Jahre in Äthiopien und Südamerika gelebt hat, etwas über die Bedeutung, Verwendung, Herkunft und den Preis zu sagen.

Puppen aus Asien, Schutzgeistfiguren aus Afrika, einen echten Schrumpfkopf, Voodoo-Puppen, Modellsegelschiffe, ausgestopfte Tiere, Fabelwesen, Gemälde und Musikinstrumente erwarten den Besucher auf seiner Erkundungstour. Nach gut einer Stunde steht man wieder am Eingang und ist erschlagen von der Masse, der Vielfalt, den Eindrücken und Gerüchen, den Geschichten und dem Verborgengebliebenen. Ganz benommen kann man seine Jacke wieder anziehen.

Thematisch sind die Räume in letzter Konsequenz nicht geordnet, aber dennoch erkennt der Besucher, ob er von afrikanischen oder asiatischen Ausstellungsstücken umgeben ist, auch wenn neben afrikanischen Ahnenfiguren eine lackierte Galionsfigur in Form einer Meerjungfrau steht.

Aufgrund des Platzmangels, der Kellerfeuchte, des fehlenden Cafés und der eher ungünstigen Lage wird der HNO-Arzt Boos bald mit seiner „kleinen Welt“ umziehen. Wohin und wann ist noch nicht ganz geklärt, in Hafennähe wird er aber bleiben, denn sein Museum heißt ja schließlich „Hamburger Hafenbasar“.

In der neuen Lokalität, so viel steht schon fest, soll es eine wirkliche Ausstellung geben, eben ein Museum, in dem auch Exponate aus dem 27 Kubikmeter großen Lagerraum, bislang noch völlig unerforscht, zur Geltung kommen können. Gegenstände, die mit einem Punkt versehen sind, werden neben den Tierpräparaten von schützenswerten Arten in eine Stiftung gehen. So ist sichergestellt, dass sie auch langfristig erhalten und für die Nachwelt bewahrt werden.

Gereon Boos hat neben dem Medizinstudium eine kaufmännische Ausbildung absolviert, hat für große Unternehmen und Stiftungen gearbeitet und in „Harrys Hafenbasar“ seine erste Maske gekauft. Seitdem ist er von diesem „Laden“ infiziert. Diese Kuriosität stand nach dem Tod von Rosenbergs Tochter Karin zum Verkauf und Boos musste nicht lange überlegen, um zu wissen, dass er diese Hamburgensie erhalten und schützen möchte. Nach einigen Monaten der Eingewöhnung geht er immer noch auf Entdeckungstour. Beispielsweise hat er in einem Karton mit der Aufschrift „Sommerkleidung“ einen Alligatorenschädel entdeckt. Seiner ersten großen Herausforderung stand er gegenüber, als aus dem Basar ein Nashorn-Horn gestohlen wurde.

Wie geht er mit diesen Schätzen aus Ebenholz und noch Wertvollerem um? Er empfindet sein Museum als magisch. Sein Lieblingsort ist ein langer Gang, in dem aus aller Herren Länder Stücke stehen.

Die große weite Welt bereist er aber immer noch, denn die heutigen Seefahrer haben in Hamburg keinen Landgang, doch lebt der Hafenbasar davon, dass immer neue Kuriositäten, Exotisches oder Wertvolles Eingang in die 39 Räume des Museums finden.

Christiane Rinser-Schrut

Harrys Hamburger Hafenbasar und Museum, Erichstraße 56/Ecke Balduinstraße, 20359 Hamburg. Geöffnet täglich von 12 bis 18 Uhr, Eintritt: 4 / 2 Euro. Weitere Informationen: www.hafenbasar.de


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