29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.04.12 / Frühling!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Frühling!
von Vera Lengsfeld

Berlin badet im Sonnenschein. Vor den Cafés gibt es einen Ansturm auf die freien Tische. Einige Freibäder haben schon geöffnet. Ohne Eintrittsgeld zahlen zu müssen, kann man sich auf den Liegewiesen aalen und die Füße ins noch eiskalte Wasser halten, wenn’s zu warm wird. Die Decks der Ausflugsdampfer sind dicht besetzt. Auf dem ehemaligen Todesstreifen blühen die japanischen Kirschen, die im Januar mit einer verfrühten Blüte bezaubert hatten, zum zweiten Mal. 

Die Kleingärtner sind eifrig bei der Sache, die Blumenläden, Vorgärten und Balkon­kästen quellen über von Frühjahrsblühern. Die Touristen bevölkern die Museumsinsel. Die Künstler auf dem Sonntagsmarkt vor dem Museum für Deutsche Geschichte müssen nicht mehr frieren und haben wieder mehr Kunden. Auf dem leeren Platz, wo ehemals das Stadtschloss stand, wirbt ein  hoher, bunter Container mit Aussichtsplattform für den Neubau. Nächstes Jahr soll die Grundsteinlegung endlich stattfinden. Das Interesse an der Ausstellung über den Schlossneubau ist jedenfalls rege.

Auf der anderen Seite der Spree musste wegen des Baus der  U-Bahn, die den Hauptbahnhof mit dem Alexanderplatz verbinden soll, das Marx-Engels-Denkmal schon mal zur Seite rücken. An fröhlichen Frühlings­tagen kann man sich nicht vorstellen, dass die klobigen Figuren einer Neugestaltung von Berlins leerer Mitte auch weiterhin im Wege stehen werden.

Die Autofahrer sind glücklich, denn der Brandstifter, der innerhalb eines Jahres mehr als 100 Fahrzeuge abgefackelt hat, weil er „die Reichen ärgern“ wollte, muss für sieben Jahre hinter Gitter. Man hofft, dass dies  abschreckend wirkt.

Frühlingsgefühle überall. Dann legt der Lenz eine Pause ein, die Temperatur fällt  dramatisch, es gibt sogar Eisschauer. Sofort sind die verdrängten Probleme wieder da. 

Die S-Bahn fährt immer noch unregelmäßig. Die U-Bahn wird auch immer unzuverlässiger. Der Dreck auf den Straßen und  Gehsteigen nervt. Wenn Kehrtrupps den Split auf den Gehwegen zusammenfegen, bleiben anschließend die Haufen so lange liegen, bis sich alles wieder verteilt hat. Immer noch lehnen vereinzelte Weihnachtsbaumgerippe an Straßenbäumen. Man könnte sie mit  Ostereiern behängen, um den deprimierenden Anblick zu mildern.

Eine Radiomoderatorin berichtet schockiert über den Müll, den sie bei einer Dampferrundfahrt am Spreeufer ausgemacht hat. Die Berliner werden aufgerufen, dem Unrat selbst zu Leibe zu rücken. Die freundlichen tun es, die weniger freundlichen legen inzwischen Giftköder für Hunde aus, weil sie deren Kot auf den Straßen nicht mehr ertragen wollen.

Willkommen in der schönsten Stadt der Welt?


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren